von Björn Pawlak - 13.07.2009
Noch immer werden weltweit mehrere Tausend Menschen pro Jahr zum Tode verurteilt und hingerichtet. Offizielle Zahlen gibt es oft nicht, weil Statistiken zur Verurteilung und Vollstreckung der Todesstrafe in vielen Ländern geheim gehalten werden. Die meisten Hinrichtungen fanden jüngst in China, im Iran, in Saudi-Arabien, in Pakistan und in den USA statt. Der Trend ist aber, dass die Todesstrafe in immer mehr Ländern abgeschafft wird.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird die Todesstrafe heute noch in fast 70 Ländern angewendet. Die meisten Hinrichtungen konzentrieren sich zahlenmäßig aber auf nur wenige Länder.
Nach den beiden Weltkriegen kam es in Europa zu einer regen Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Die französischen Philosophen Albert Camus und Jean-Paul Sartre oder auch der deutsche Arzt Albert Schweitzer und noch viele andere setzten sich in ihren Schriften und Reden für die Abschaffung der Todesstrafe ein, immer mehr Europäer teilten diesen Standpunkt.
Auch die Katholische und die Evangelische Kirche sprachen sich schließlich gegen die Todesstrafe aus - traditionell hatten die Kirchen die Todesstrafe befürwortet. Immer mehr europäische Regierungen entsprachen der Empfindung einer breiten Bevölkerungsschicht, so dass ein Land nach dem anderen die Abschaffung der Todesstrafe durchsetzten konnte. Doch wie ist die Situation in den Ländern, in denen es die Todesstrafe noch immer gibt? Wie denken die Menschen weltweit über die Todesstrafe, und welche Argumente haben sie dabei?
Die Situation heute: Todesstrafe in noch vielen Staaten
Über 90 Prozent aller Hinrichtungen der letzten Jahre weltweit fanden in nur fünf Ländern statt: in China (dort mit Abstand am häufigsten), im Iran, in Pakistan, im Sudan und in den USA (dort aber nicht in allen Bundesstaaten). Aber auch in Saudi-Arabien, im Irak, in Singapur und in Vietnam werden verhältnismäßig viele Menschen hingerichtet.
In China und im Iran soll die Todesstrafe auch bei Minderjährigen vollstreckt worden sein. Auch im Kongo, im Sudan, in Pakistan und in den USA gibt es dokumentierte Fälle aus den letzten Jahren, bei denen die Todesstrafe gegen Minderjährige (zum Zeitpunkt der Straftat) angewendet wurde.
Offizielle Angaben zur Todesstrafe gibt es nicht aus allen Ländern - es kann also nur geschätzt werden, wie viele Hinrichtungen wirklich stattfinden. Auf der Karte von Amnesty International am Ende der Seite ist eingezeichnet, wo genau auf der Welt es die Todesstrafe noch gibt.
Todesstrafe in den USA: keine einheitliche Regelung
In den USA (etwa 40 Hinrichtungen im Jahr 2008) gibt es keine einheitliche Regelung der Todesstrafe: zwölf der 50 amerikanischen Bundesstaaten haben sie abgeschafft, in den anderen 38 Bundesstaaten wird sie angewendet. Die meisten Hinrichtungen finden in Texas, Virginia, Oklahoma, Missouri und Florida statt. Die Todesstrafe ist stärker verankert in den ehemaligen "Südstaaten“ der USA, die auch lange an der Sklaverei festhielten.
In den USA ist die Hinrichtungsmethode entweder die Giftinjektion oder der Elektrische Stuhl. Zuletzt gab es große Diskussionen um den Einsatz der Giftspritze, weil nach einigen Pannen bei Hinrichtungen diese Methode als nicht mehr verfassungskonform eingeschätzt wurde. Die US-amerikanische Verfassung verbietet nämlich "grausame und außergewöhnliche Bestrafungen“ - dennoch ist die Hinrichtung mit der Giftspritze in US-amerikanischen Bundesstaaten weiterhin Realität.
Verantwortliche Politiker wie Arnold Schwarzenegger in Kalifornien berufen sich auf den "Volkswillen“ - er repräsentiere als Gouverneur ein Volk, dessen überwiegende Mehrheit für die Todesstrafe sei. Auch der aktuelle US-amerikanische Präsident Barack Obama ist ein Befürworter der Todesstrafe, zumindest im Fall von besonders schweren Verbrechen. Tatsächlich halten sich die US-amerikanischen Befürworter und Gegner der Todesstrafe zahlenmäßig die Waage.
In den USA wurden verhältnismäßig mehr "Latinos" (Amerikaner mit Herkunft aus lateinamerikanischen Ländern) und "Afroamerikaner" (Amerikaner afrikanischer Abstammung) zum Tode verurteilt als Weiße. Es werden immer wieder Stimmen laut, dass Rassismus im Rahmen des amerikanischen Rechtswesens noch immer eine Rolle spielt. Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass Latinos und Afroamerikaner vermehrt den "unteren“ sozialen Schichten angehören und deswegen eher straffällig werden. Auf jeden Fall lag in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Afroamerikaner unter den zu Tode Verurteilten bei etwa 40 Prozent, in der US-amerikanischen Gesamtbevölkerung beträgt ihr Anteil hingegen nur etwa elf Prozent.
Todesstrafe in China: die meisten Hinrichtungen weltweit
Die Volksrepublik China wendet die Todesstrafe besonders häufig an - in China wurden in den letzten Jahren mehr Menschen hingerichtet, als in allen anderen Ländern zusammen. Nach Schätzungen von Amnesty International ist von jährlich mehreren Tausend Hinrichtungen auszugehen. Neben Gewaltverbrechen und Mord wurden in China zuletzt auch Straftaten wie Drogenhandel, Steuerhinterziehung, Zuhälterei oder vereinzelt sogar Diebstahl mit dem Tod bestraft.
Mutmaßlich gibt es in China zudem zahlreiche Fälle von politischer und religiöser Verfolgung, die zu Hinrichtungen von Menschen geführt haben. Auch öffentliche Massenhinrichtungen haben in diesem Land schon stattgefunden. Die öffentliche Zurschaustellung von Verurteilten sollte "abschreckend" wirken und mögliche Straftäter einschüchtern. Das chinesische Rechtssystem wird weltweit besonders scharf kritisiert.
Außerdem steht der Vorwurf des "Organhandels" im Raum, also der Vorwurf, dass die Organe der Verurteilten nach dessen Hinrichtung als "Transplantationsorgane" verkauft werden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und andere Beobachter berichten von solchen Praktiken.
Die "Scharia": Grausamkeit im Namen des Islam
Das sehr alte und sich auf den Koran stützende islamische Strafrecht, "Scharia" genannt, kommt in vielen muslimischen Ländern auch heutzutage noch oder aber wieder zur Anwendung. Es sieht harte Strafen und sogar die Todesstrafe für Vergehen vor, die in den europäischen Ländern und anderswo überhaupt nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfen: Ehebruch, Homosexualität, Alkoholkonsum oder die "Abkehr" vom Islam. Die Todesstrafe droht darüber hinaus bei Raubmord, Drogenhandel oder -besitz und Vergewaltigung. Frauen werden je nach Auslegung der Scharia in vielerlei Hinsicht härter bestraft als Männer und haben auch weniger Rechte. "Scharia" bedeutet ursprünglich einfach nur "Straße" oder "Weg". Für ein Todesurteil nach der Scharia braucht es mehrere Zeugen, ein Urteil nach einem Geständnis ist ebenfalls möglich.
Die praktische Umsetzung des islamischen Rechts ist in den verschiedenen islamischen Ländern sehr unterschiedlich. In der Türkei etwa wurde die Scharia unter dem Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft (dort gibt es auch die Todesstrafe nicht mehr). Manche Länder wie Algerien, Indonesien und Ägypten haben Teile der Scharia ins Rechtssystem eingebaut. In anderen Ländern wie dem Iran, Saudi-Arabien, Bangladesch, Afghanistan, Kuwait und in Teilgebieten Pakistans ist die Scharia Rechtsgrundlage und gilt teilweise sogar vollständig.
Besonders der Iran (über 300 Hinrichtungen im Jahr 2008) und Saudi-Arabien (über 100 Hinrichtungen im Jahr 2008) gehören zu den Ländern, die besonders häufig die Todesstrafe verhängen. Im Iran wurden die Urteile in vielen Fällen öffentlich vollstreckt, zumeist durch Erhängen. Neben Mord und Vergewaltigung werden auch Ehebruch und Drogenhandel mit dem Tod bestraft. In Saudi-Arabien kann die Todesstrafe für religiöse Vergehen wie Gotteslästerung und "Abkehr" vom Islam (genannt "Apostasie") verhängt werden, außerdem für soziale und sexuelle Vergehen wie Mord, Ehebruch, Homosexualität, Vergewaltigung, Drogenhandel und Schmuggel. Die Hinrichtungen in Saudi-Arabien finden öffentlich durch Enthauptung mit dem Schwert statt. Sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien kam es außerdem zu Steinigungen.
Andere islamisch geprägte Länder mit noch relativ hohen Hinrichtungsraten sind Pakistan, Afghanistan und auch wieder der Irak, wo die "versehentlich" im Internet veröffentlichte Hinrichtung des Ex-Diktators Saddam Hussein eine weltweite Debatte über die Todesstrafe auslöste.
Die Problematik der Todesstrafe
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International argumentieren, dass die Todesstrafe auf jeden Fall gegen grundlegende Menschenrechte wie das "Recht auf Leben" und das "Recht auf körperliche Unversehrtheit" verstößt. Ein weiteres Argument gegen die Todesstrafe ist die Tatsache, dass Gerichtsverfahren in vielen Fällen "unfair" und fehlerhaft oder "politisch motiviert" waren, so dass auch viele Unschuldige zum Tode verurteilt worden sind.
Die Geschichte hat gezeigt, dass die Todesstrafe immer wieder gegen solche Menschen angewendet wurde, die sich gegen vorherrschende Politik zur Wehr gesetzt haben. Befürworter der Todesstrafe argumentieren, dass die Todesstrafe abschreckend wirkt und es deswegen mit ihr weniger Kriminalität geben würde. Statistiken können dies allerdings nicht belegen, hier scheinen noch ganz andere Faktoren eine Rolle zu spielen.
Außerdem beklagen Menschenrechtsorganisationen und Gegner der Todesstrafe die "psychische Qual", die man Verurteilten zumutet, welche im "Todestrakt" des Gefängnisses oft noch jahrelang auf ihre Hinrichtung warten müssen. Auch die Angehörigen der Verurteilten werden durch die Unsicherheit und das Warten auf die Urteilsvollstreckung einer extremen seelischen Belastung ausgesetzt. Zudem hat sich immer wieder gezeigt, dass auch die vorgeblich "schmerzlosen" Hinrichtungsmethoden wie die Giftspritze ganz im Gegenteil in vielen Fällen zu einem qualvollen Tod geführt haben - das Töten eines Menschen ist eben doch auch immer ein Akt der Gewalt.
Ein weiteres Argument gegen die Todesstrafe, vor allem bei sehr jungen Menschen, ist die Annahme, dass auch ein straffällig gewordener Mensch entwicklungsfähig ist und sich ändern könnte. Menschenrechtsorganisationen setzen sich besonders gegen die Hinrichtung von Minderjährigen ein. Manche Verurteilten werden erst Jahre nach ihrer Tat hingerichtet - ob sie während ihrer Zeit im Gefängnis als Persönlichkeit "gereift" sind und aus ihren Erfahrungen "gelernt" haben, spielt dann keine Rolle mehr. Die Hinrichtung nimmt dem Verurteilten jegliche Möglichkeit, wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Viele Menschen sind natürlich der Meinung, dass schwere Verbrechen "unverzeihlich" seien und man einem Täter auch keine zweite Chance geben sollte.
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