Großer russischer Schriftsteller: Fjodor Michailowitsch Dostojewski

Teil 1

Teil 1 von 2

von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak - 09.02.2011

Dostojewski gilt als einer der ganz großen russischen Schriftsteller, seine Bücher gehören zur Weltliteratur. Neben 35 Romanen hinterließ er der Welt noch eine Vielzahl von Kurzgeschichten. Berühmt wurde er vor allem mit seinen Werken "Schuld und Sühne" und "Die Brüder Karamasow". Am 9. Februar 1881 - vor 130 Jahren - starb der Autor in Sankt Petersburg.

Dostojewski ergründet in seinen Büchern die menschliche Psyche, vor allem auch seine eigene. (Quelle: Wikipedia)

Dostojewskis Werk ist durchzogen von philosophischen Überlegungen und psychologischen Fragen: Zu seinen großen Themen zählen der freie Wille, das Gute und das Böse, Glück, die Suche nach Gott, das menschliche Leiden und Armut. Der weltberühmte Autor aus Russland zeichnet Figuren, die seine Vorstellungen symbolisch (also bildlich) verkörpern. Er selbst hatte in seinem Leben einige Schicksalsschläge zu erleiden, die er als Schriftsteller persönlich aufarbeitete.

Die Schriften Dostojewskis haben viele andere Denker und Autoren angeregt und beeinflusst. Seine Literatur gilt als wichtige Grundlage verschiedener geistiger Bewegungen, zum Beispiel für den "Existenzialismus" (eine philosophische Strömung, die die menschliche Existenz in den Mittelpunkt ihres Denkens rückt) und für die "Psychoanalyse" (eine Theorie über das menschliche Seelenleben, die von Sigmund Freud begründet wurde). Berühmte Autoren wie Ernest Hemingway, James Joyce, Jean Paul Sartre und Albert Camus nannten Dostojewski einen geistigen Vater für das eigene Schaffen. Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche liebte die Bücher Dostojewskis, und ebenso der österreichische Arzt und Psychologe Sigmund Freud war stark von dem russischen Schriftsteller beeinflusst.

Dostojewski war auf der Suche nach den seelischen Abgründen des Menschen. Nur unter Einbeziehung dieser "dunklen" Seite der menschlichen Psyche sah er die Möglichkeit, auch das Glück in Augenschein zu nehmen. Seine Romanfiguren verkörpern oft unversöhnliche Gegensätze. Dostojewski erlebte viele in seinen Büchern beschriebene Situationen selbst, wodurch sein Schreibstil oft erschreckend realistisch wirkt. Die seelischen und geistigen Krisen seiner Romanfiguren hat er zu großen Teilen selbst durchlebt.

Kindheit und Jugend

Dieses Gemälde des Künstlers Konstantin Trutowski zeigt Dostojewski als jungen Mann. (Quelle: Wikipedia)

Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde am 11. November 1821 in der russischen Hauptstadt Moskau geboren (nach dem in Russland gängigen "Julianischen Kalender" fällt dieser Tag auf den 30. Oktober.) Seine Familie gehörte der russischen Mittelschicht an. Fjodor hatte noch zwei Brüder und drei Schwestern. Sein Vater, der als Doktor in einem Moskauer Krankenhaus arbeitete, war äußerst streng mit seinen Kindern. Seine Mutter nahm Fjodor hingegen als sehr warmherzig wahr - sie starb bereits, als er 16 Jahre alt war.

Für einige Jahre wurde Fjodor zu Hause von Privatlehrern unterrichtet, später ging er auf eine Privatschule. Als Kind liebte er die Bücher des russischen Schriftstellers Nikolai Gogol und des französischen Autors Honoré de Balzac. Aufgrund der Strenge seines Vaters erlebte Fjodor die Stimmung im Hause Dostojewski als bedrückend - doch sie geriet für ihn in Vergessenheit, wenn er sich dem Lesen hingab.

Im Alter von neun Jahren erlitt Fjodor zum ersten Mal einen epileptischen Anfall - diese Krankheit ließ ihn Zeit seines Lebens nicht mehr los. Auch verschiedene Romangestalten Dostojewskis leiden an Epilepsie. Eine andere zu jenen Tagen weit verbreitete Krankheit war die Tuberkulose. Sie war auch der Grund für den frühen Tod der Mutter im Jahr 1837. Auch diese Krankheit ist immer wieder Gegenstand in Dostojewskis Büchern.

Nach dem Verlust der Mutter schickte Fjodors Vater ihn und einen seiner Brüder nach Sankt Petersburg, wo sie an der "Militärisch ingenieurtechnischen Universität" studieren sollten. 1839, zwei Jahre später, verlor Fjodor auch seinen Vater. Es heißt, dass er von leibeigenen Bauern ermordet wurde, indem sie das Opfer fesselten und ihm große Mengen an Wodka einflößten. Auch dieser dramatische Tod wurde zu einem Motiv in Dostojewskis Schriften.

An der Universität ließ sich Fjodor zum Bauingenieur ausbilden, aber er konnte sich für den Studiengang nur schwer motivieren. Stattdessen interessierte er sich sehr für die Literaturveranstaltungen der Universität. Trotzdem erreichte er den Abschluss in seinem Fach und verließ die Universität im Jahr 1843. Anschließend entschied er sich dann aber für die Schriftstellerei, als Ingenieur hat er nie gearbeitet.

Erste Gehversuche als Schriftsteller

Dostojewski in Uniform: Seine Ausbildung zum Bauingenieur erfolgte an einer militärischen Hochschule. (Quelle: Wikipedia)

Zunächst verfasste Dostojewski keine eigenen Texte, sondern übersetzte ein Buch seines französischen Lieblingsautors Balzac ins Russische. Hierbei handelte es sich um den Roman "Eugénie Grandet", der im Jahr 1844 in der Übersetzung Dostojewskis in einem Sankt Petersburger Journal erschien. Im Alter von 23 Jahren veröffentlichte Dostojewski schließlich sein erstes eigenes Buch, welches den Titel "Arme Leute" trug. Dieses Buch beschreibt beispielhaft das Alltagsleben der in Armut lebenden russischen Bevölkerung und spiegelt kritisch die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit wider.

"Arme Leute" fiel dem damals einflussreichen Literaturkritiker Wissarion Belinski in die Hände, welcher es ausführlich las und sogleich von Dostojewskis Talent beeindruckt war. In russischen Literaturkreisen begann man über Dostojewski zu sprechen. Eine Zeit lang war er Mitglied im Literaturkreis um den Kritiker Belinski. Nachdem dieser die nächsten Bücher - "Der Doppelgänger", "Herr Prochartschin" und "Die Wirtin" - eher negativ bewertete, zog der Autor sich jedoch aus dem Kreis zurück.

Bald darauf, im Jahr 1848, schloss sich Dostojewski einer Gruppe junger "Intellektueller" an. (Als "Intellektuellen" - wörtlich übersetzt "Verstandesmensch" - bezeichnet man jemanden, der aufgrund von Bildung eine eigene kritische Position in politischen und sozialen Fragen bezieht.) Die Gruppe nannte sich "Petraschewzen-Zirkel" - benannt nach dem Gründer Michail Butaschewitsch-Petraschewski - und diskutierte lebhaft über Politik und Literatur. Zu jener Zeit waren solche Gruppierungen in Russland verboten.

Im April 1849 wurden die Mitglieder der Gruppe, unter ihnen Dostojewski, verhaftet und als politische Verschwörer verurteilt. Zunächst sprach man wegen "Verrats an der Nation" Todesurteile aus - Dostojewski und seine Kameraden sollten Anfang des Jahres 1850 durch ein Erschießungskommando hingerichtet werden. Erst im letzten Moment begnadigte Zar Nikolai I. die Angeklagten und änderte die Strafe in vier Jahren Verbannung und Zwangsarbeit in Sibirien um.

Todesurteil: Dostojewski kommt mit dem Leben davon

Gemälde von Wassili Perow: Dostojewski war zum Tode verurteilt - erst Sekunden vor der sicher geglaubten Erschießung erfuhr er von seiner Begnadigung. (Quelle: Wikipedia)

Nach der Festnahme befand sich Dostojewski für sechs Monate in Sankt Petersburg in Einzelhaft. Dann holte man ihn eines Tages aus der Zelle, um ihn gemeinsam mit den anderen "Verschwörern" hinzurichten. Die Verurteilten standen in der Kälte und warteten auf den Tod. Den Männern waren bereits die Hände auf dem Rücken zusammengebunden worden und das Tötungskommando legte schon die Waffen an.

Zar Nikolai hatte das Todesurteil schon längst zu einer leichteren Strafe abgemildert, zugleich aber angeordnet, dass man den Gefangenen erst in letzter Sekunde darüber Mitteilung machen sollte. Plötzlich war der fast schon sichere Tod abgewendet, für Dostojewski ein einschneidendes Erlebnis, das sich ebenfalls in seinem gesamten schriftstellerischen Werk widerspiegeln sollte.

Statt zum Tode waren Dostojewski und seine Genossen nun zu acht Jahren in einem sibirischen Arbeitslager in der Stadt Omsk verurteilt. Nach vier Jahren dort wurde die Strafe abermals abgemildert, Dostojewski musste weitere vier Jahre Militärdienst in einer Kaserne in der Stadt Semei (heute in Kasachstan) leisten. Für Dostojewski war die Zeit in Gefangenschaft eine Phase tiefgreifender geistiger Veränderung. An seinen Bruder schrieb er in einem Brief: "Das Leben ist ein Geschenk, das Leben ist Glück, jede Minute des Lebens kann ein Jahrhundert des Glücks sein. Wenn die Jugend das doch nur wissen könnte!"

Die körperliche und geistige Wiedergeburt

Dostojewski-Statue in Omsk: In dieser Stadt in Sibirien verbrachte Dostojewski vier Jahre im Arbeitslager. (Quelle: Wikipedia)

Die Erfahrung von Gefangenschaft und harter Strafarbeit und vor allem das Erlebnis, dem Tod nur knapp zu entrinnen, zeichneten Dostojewski für sein gesamtes weiteres Leben. In mehreren seiner Bücher beschreibt er ausführlich den seelischen Zustand eines dem Tode nahen Menschen. So zum Beispiel in seinem berühmten Buch "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" (1862 erschienen), in dem er das Leben in einem sibirischen Gefängnislager anhand eigener Erfahrungen darstellt. Dostojewski interessierte sich sehr für die inneren Ursachen und Beweggründe menschlicher Verbrechen. Die meisten Verurteilten kamen aus den unteren Gesellschaftsschichten, deren Leben Dostojewski in seinen Büchern immer wieder beleuchtete.

Aber wie genau haben sich die Meinungen und Gefühle des Autors in den Jahren der Gefangenschaft verändert? Noch auf dem Weg nach Sibirien gewährte eine alte Witwe einigen Gefangenen in ihrem Haus Unterkunft und Verpflegung. Dostojewski sprach mit ihr und sie schenkte ihm zum Abschied eine kleine Ausgabe des Neuen Testaments. Dostojewski behielt diesen für ihn heiligen Gegenstand sein Leben lang. Durch die Lektüre dieses kleinen Büchleins wurde seine Hinwendung zu religiösen Themen verursacht. Der alten Witwe schrieb er einen Brief, in dem er dies deutlich zum Ausdruck brachte: "Wenn jemand beweisen könnte, dass Christus außerhalb der Wahrheit steht, dann würde ich mich für Christus und gegen die Wahrheit entscheiden." Dostojewski sagte sich von seinen früheren politischen Ansichten los und war nun überzeugt davon, dass Erlösung für ihn nur im Leid und im Glauben liegen könnte. Von dieser Lebenseinstellung sind alle seine späteren Bücher gezeichnet.

Klicke auf den Weiter-Pfeil, um zum zweiten Teil des Artikels über den russischen Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski zu gelangen. Dort erfährst du, wie sein Leben nach der Gefangenschaft verlief, wie er seine zukünftige Frau Anna kennenlernte und wie er seine großen Werke wie "Der Spieler", "Schuld und Sühne" und "Die Brüder Karamasow" schrieb.

Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.

letzte Aktualisierung: 21.10.2011

Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.

9 Bewertungen für diesen Artikel

Teil 1 von 2