von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak - 09.02.2011
Erfahre im zweiten Teil des Artikels über den russischen Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski, wie sein Leben nach der Gefangenschaft verlief, wie er seine zukünftige Frau Anna kennenlernte und wie er seine großen Werke wie "Der Spieler", "Schuld und Sühne" und "Die Brüder Karamasow" schrieb.
Das Leben nach der Gefangenschaft
Im Jahr 1857, als Dostojewski noch einen Teil seiner Strafe im Militärdienst verbüßte, heiratete er seine erste Frau Marija Issajewa. Mit ihr kehrte er im Jahr 1859 nach Sankt Petersburg zurück. Er versuchte, seine schriftstellerische Karriere voranzutreiben und veröffentlichte gemeinsam mit seinem Bruder Mikhail ein literarisches Journal namens "Die Zeit". Darin brachte er seine Idee von einer auf Moral und Werte gegründeten sozialen und politischen Ordnung zum Ausdruck.
1862 brach er zu einer längeren Reise nach Europa auf, wo er sich in Spielcasinos herumtrieb und der Spielsucht erlag - ein anderes nun auch in seinen Büchern auftauchendes Thema, welches Dostojewski am eigenen Leib erfahren sollte. Nach dem Verbot von "Die Zeit" in Russland im Jahr 1863 veröffentlichte er mit der "Epoche" ein neues Journal. Hier erschien unter anderem sein Werk "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" (1864) zum ersten Mal.
Im Jahr 1864 starben Dostojewskis Ehefrau und sein Bruder Mikhail, was ihn emotional sehr mitnahm - außerdem war die finanzielle Situation des Schriftstellers mittlerweile Besorgnis erregend. Sein verstorbener Bruder hinterließ seiner Ehefrau und den Kindern nichts als Schulden, außerdem hatte Dostojewski für einen Stiefsohn aus der eigenen Ehe zu sorgen und besaß selbst kaum Geld.
Noch einmal brach Dostojewski nach Europa auf, um dort auch seine letzten Ersparnisse zu verspielen. Zuvor unterschrieb er einen Vertrag für einen neuen Roman, den er innerhalb von zwei Jahren fertigstellen sollte. Im Gegenzug gewährte ihm der Verleger des Buches genügend Geld für zwei Jahre und für die Tilgung seiner Schulden. Der Vertrag hatte den Haken, dass für den Fall, dass Dostojewski das Buch nicht in der vereinbarten Zeit schreiben würde, die Rechte für alle seine Bücher (auch für die zukünftigen) auf den Verleger übertragen werden sollten.
Anna Snitkina und die großen Romane
Nach Vertragsabschluss stellte sich für Dostojewski das Problem, dass er bereits bei einem anderen Verleger einen Vertrag über einen in Serie erscheinenden Roman unterschrieben hatte. Dostojewski hatte das Geld für diese noch offene Arbeit bereits ausgegeben. Der in Serie erscheinende Roman sollte einer seiner berühmtesten werden und trug den Namen "Schuld und Sühne". Als der Stichtag für den neuen Vertrag im Jahr 1866 bereits bedrohlich nah gerückt war, arbeitete er noch immer an "Schuld und Sühne".
Um den Vertrag nicht zu brechen, kam er auf die Idee, ein zusätzliches Buch mittels Diktat zustande zu bringen. Zu diesem Zweck stellte er die 19-jährige Stenographie-Studentin Anna Snitkina ein, der er innerhalb nur eines Monats den Roman "Der Spieler" diktierte ("Stenographie" - wörtlich übersetzt "Kurzschrift" - nennt man eine Schrift mit besonderen Zeichen zum schnellen Schreiben). Am letzten Tag der Vertragslaufzeit reichte Dostojewski das neue Buch bei seinem Verleger ein. Im gleichen Jahr wurde auch "Schuld und Sühne" endlich fertig.
Die Zusammenarbeit mit Anna Snitkina blieb nicht folgenlos, denn sie wurde im Jahr 1867 Dostojewskis zweite Ehefrau. Gemeinsam mit ihr brach er ein weiteres Mal nach Europa auf. Die kommenden Jahre im Ausland waren für das Paar sowohl finanziell als auch emotional schwierig. Trotzdem schrieb Dostojewski damals großartige Bücher wie "Der Idiot" (1869) und "Die Dämonen" (1872). Zurück in Russland kümmerte er sich um ein Wochenmagazin namens "Der Bürger". Er wurde vierfacher Vater, zwei seiner Kinder starben jedoch bereits im Kindesalter. 1877 veröffentlichte Dostojewski mit der Unterstützung seiner Frau ein weiteres Journal namens "Tagebuch eines Schriftstellers". 1878 starb Dostojewskis Lieblingssohn Aleksei (er nannte ihn "Aljoscha"), was bei ihm eine starke Depression auslöste.
Die letzten Lebensjahre
Anna war für Dostojewski eine große Stütze - sie wusste mit seinem schwierigen und teilweise jähzornigen Charakter umzugehen, akzeptierte seine Spielsucht und half ihm während depressiver Phasen oder in den von epileptischen Anfällen begleiteten Krisen. Die letzten Jahre seines Lebens widmete sich Dostojewski seinem umfangreichsten und vielleicht auch bedeutendstem Buch "Die Brüder Karamasow", das er im Jahr 1880 fertigstellte. Zu dieser Zeit war Dostojewski längst ein berühmter und angesehener Schriftsteller.
"Die Brüder Karamasow" blieb Dostojewskis letzter Roman, denn er starb am 9. Februar 1881 (nach dem russischen Kalender am 28. Januar) an einem Blutsturz, wahrscheinlich in Kombination mit einem epileptischen Anfall. Er wurde auf dem Friedhof des Alexander-Newski-Klosters in Sankt Petersburg beerdigt. In ganz Russland trauerte man um den großen Autor - 60.000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit.
Seine Frau Anna lebte noch bis zur Bolschewistischen Revolution im Jahr 1917, dann starb sie auf dramatische Weise, weil ihr Magen nach Tagen des Hungerns die Nahrungsaufnahme nicht mehr vertrug. Ein trauriges Ende für die Frau, ohne die Dostojewski seine großen Romane wahrscheinlich niemals geschrieben hätte.
Zwei Meisterwerke
Zeit seines Lebens verfasste Dostojewski zahlreiche Bücher, sie alle leben von beeindruckenden Geschichten und unterschiedlichsten Charakteren. Zwei Bücher allerdings wurden besonders berühmt: "Schuld und Sühne" und "Die Brüder Karamasow".
"Schuld und Sühne" handelt von der Erlösung eines Menschen durch sein Leid - ein Thema, das auch in vielen späteren Büchern Dostojewskis auftaucht. Die Hauptfigur in diesem Buch ist ein junger Mann namens Raskolnikow (der Name bedeutet auf Russisch so viel wie "Riss"), der an einem inneren Konflikt zwischen seinen philosophischen Grundannahmen über das Leben und seinen moralischen Wertvorstellungen leidet. Seine Philosophie bringt ihn dazu, einen Mord zu verüben (damit beweist er seine eigene Theorie), seine Moral hingegen treibt ihn nach dem Mord in tiefste Verzweiflung. Der Leser wird so sehr in Raskolnikows verletzte Psyche hineingezogen, dass er sich selbst fast als Teil der Geschichte wahrnehmen kann.
Auch andere Figuren in diesem Roman sind innerlich zerrissen: So zum Beispiel Swidrigailow, der das Böse verkörpert, aber doch auch eine gute Seite hat. Sonja wird die Geliebte Raskolnikows - sie wurde vom eigenen Vater in die Prostitution getrieben, um die völlig verarmte Familie zu ernähren. Mithilfe des Neuen Testaments - hier wird wieder ein Bezug zu Dostojewskis eigener Leidensgeschichte hergestellt - gibt sie Raskolnikows Leben eine neue Richtung. Am Ende wird Raskolnikow durch den Ankläger Porfirij Petrowitsch zur Arbeit in einem sibirischen Straflager verurteilt, aber seine Qualen finden Erlösung.
"Die Brüder Karamasow" ist eine Familientragödie, in der Dostojewski seine Schlüsselfragen zu den menschlichen Leidenschaften, Liebe, Freiheit, Strafe, Hass und schließlich zur Existenz Gottes behandelt. Der Roman handelt von vier Brüdern, deren Lebensgeschichten nacheinander erzählt werden. Die vier Brüder und auch der Vater stehen stellvertretend für unterschiedliche Geisteshaltungen, die ein Mensch dem eigenen Dasein gegenüber einnehmen kann.
Der Vater ist lüstern, gierig und stets auf den eigenen Vorteil bedacht - jede Ernsthaftigkeit lehnt er ab. Auch Dimitri, der älteste der Brüder, ist wie sein Vater auf Sinneslust ausgerichtet (man nennt diese Lebenshaltung "Hedonismus"). Smerdjakow, der uneheliche Sohn, der von seinem eigenen Vater ermordet wird, ist der Ausgestoßene. Ivan beschreibt sich selbst als "Rationalisten", also als kühlen und "der Wahrheit ins Auge blickenden" Verstandesmenschen. An die Existenz Gottes glaubt er nicht (man nennt diese Einstellung "Atheismus"). Aljoscha ist der jüngste der Brüder - er ist der Lieblingssohn seines Vaters, nimmt den Glauben an Gott sehr ernst und möchte Mönch werden.
"Die Brüder Karamasow" enthält zusätzlich noch ein Buch im Buch, nämlich die Erzählung "Der Großinquisitor" (das fünfte Kapitel des Romans). In diesem Abschnitt erzählt Ivan seinem Bruder Aljoscha die Geschichte des Großinquisitors: Jesus Christus erscheint noch einmal auf der Welt, aber der Großinquisitor lässt ihn gefangen nehmen und einsperren. Anschließend stellt er ihn zur Rede und wirft ihm vor, die Menschen durch die von ihm verbreiteten Ideen der Freiheit und der Wahl zwischen Gut und Böse ins Unglück zu stürzen, indem er Hoffnungen weckt, die sich niemals erfüllen. Die Erzählung behandelt den großen Konflikt zwischen Wissen und Glauben, zwischen der Vorstellung des Bösen und der Kraft der Religion.
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