von Björn Pawlak
Im 19. Jahrhundert wurde die Anwendung der Todesstrafe in den europäischen Ländern seltener. Höchststrafe war nun häufiger "nur" ein lebenslanger Freiheitsentzug. Im 20. Jahrhundert kam es dann aber etwa während der nationalsozialistischen Diktatur zu neuen und oft willkürlichen Massenhinrichtungen. Erst die Nachkriegszeit brachte zumindest für Europa die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe. Mit der "Europäischen Menschenrechtskonvention" einigten sich die europäischen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg darauf, die Todesstrafe nicht länger anzuwenden.
In der Theorie begann man im Laufe des 19. Jahrhunderts vermehrt darüber nachzudenken, ob und wie die Strafe den Täter "verbessern" könnte (man nennt das heute "Resozialisierung"). Viele Strafgesetzbücher der europäischen Staaten sahen die Todesstrafe damals nur noch für Mörder vor. Die Todesstrafe war aber immer auch ein Instrument, um politische Machtinteressen abzusichern.
Eines hatte sich nach der Französischen Revolution tendenziell durchgesetzt, nämlich die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Die unter Napoléon Bonaparte1804 und 1810 eingeführten Gesetzbücher "Code Civil" und "Code Pénal" legten in Frankreich und in den von Frankreich dominierten Ländern neue und einheitliche Rechtsgrundlagen fest. Die neuen Gesetzbücher verstand man als Umsetzung der wichtigsten Forderungen der Französischen Revolution. Auch die Todesstrafe wurde einheitlicher praktiziert und sollte ohne "unnötige" Grausamkeit durchgeführt werden.
Politischer Missbrauch der Todesstrafe
Die Geschichte hat gezeigt, dass mit der Todesstrafe auch immer politische Gegner aus dem Weg geräumt worden sind. Im nationalsozialistischen Deutschland, in der "kommunistischen" Sowjetunion, im "kommunistischen" China und in vielen anderen Militärdiktaturen wurden politische Gegner als "Staatsfeinde" massenweise zum Tode verurteilt. In zahlreichen Kriegen weltweit zwischen den Nationalstaaten wurden die Menschenrechte immer wieder mit Füßen getreten. In den beiden Weltkriegen stieg die Anzahl der Hinrichtungen an Zivilisten dann noch einmal stark an - man beschuldigte Menschen in vielen Fällen der Spionage oder des Verrats, was für eine Verurteilung zum Tode bereits ausreichte.
Aber auch im 19. Jahrhundert zur Zeit des Kolonialismus sprach man Todesstrafen aus, um politische Interessen gegen "Aufständische" durchzusetzen. In den Südstaaten der USA, aber auch in den europäischen Kolonien, war die Sklaverei längst noch nicht abgeschafft - rebellierende Sklaven wurden in vielen Fällen zum Tode verurteilt. Erst nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg ("Sezessionskrieg") von 1861 bis 1865 wurde die Sklaverei überall in den USA per Gesetz verboten.
"Moderne" Hinrichtungsmethoden
Die wesentlichen Hinrichtungsmethoden im 19. und 20. Jahrhundert waren das Erhängen und das Erschießen, später kam es in den USA auch zur Anwendung des Elektrischen Stuhls.
Das Erhängen wurde zwar auch schon in den Jahrhunderten vorher strafrechtlich praktiziert, allerdings änderte man die Methode: "modern" ist bei der Hinrichtung durch das Erhängen, dass der Verurteilte nicht mehr durch den qualvollen Erstickungstod, sondern durch den schnell eintretenden Genickbruch zu Tode kommt. Zu diesem Zweck wurde genau berechnet, wie lang der Strick zu sein hatte und wie tief man den Verurteilten dann fallen lassen musste. Das Erhängen wird auch heute noch in vielen Ländern vollzogen.
Das Erschießen war die bevorzugte Hinrichtungstechnik der Militärgerichtsbarkeit. Getötet wird der Verurteilte entweder durch einen einzelnen Schützen, oder aber durch ein aus mehreren Schützen bestehendes Erschießungskommando. Dem Verurteilten werden vor den tödlichen Schüssen die Augen verbunden und er wird vor einer Mauer festgebunden. In anderen Fällen muss sich der Verurteilte vor den Todesschützen hinlegen oder hinknien. Die Hinrichtungsart des Erschießens wird heutzutage zum Beispiel in China praktiziert.
Erfindung neuer Tötungsmaschinen
In Amerika wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Technik entwickelt, elektrischen Strom zur Tötung einzusetzen. 1889 kam es in New York dann zur ersten Hinrichtung mit dem Elektrischen Stuhl.
Zwar sollte der Tötungsakt (auch "Elektrokution" genannt) durch diese neue Erfindung noch einmal "schmerzloser" werden, allerdings kam es in der Praxis oft zu Missgeschicken, so dass Verurteilte noch nach mehreren Stromstößen lebten.
Letztlich starben viele Verurteilte auf dem Elektrischen Stuhl auf besonders qualvolle Weise. Das Töten durch den Elektrischen Stuhl ist heutzutage noch in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten eine zulässige Hinrichtungstechnik.
Todesstrafe zur Zeit des Nationalsozialismus
In Deutschland wurden vor 1933 und vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten nur sehr schwere Verbrechen wie Mord mit dem Tod bestraft. Dann jedoch änderte man die Gesetze und sprach die Todesstrafe auch für alle möglichen Vergehen wie zum Beispiel "politische Verbrechen" aus. Tausende von Menschen wurden bis 1945 wegen vorgeblich politischer Verbrechen hingerichtet. Willkür und Grausamkeit waren zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur an der Tagesordnung. Zeitgleich kam es auch in Russland während der "kommunistischen" Diktatur unter Josef Stalin zu Massenhinrichtungen an politischen Gegnern (besonders während der so genannten "Säuberungen" in den Jahren 1936 und 1937).
In den letzten Kriegsjahren wurde in Deutschland tausendfach das Todesurteil ausgesprochen und auch vollstreckt. Besonders viele Menschen wurden mit der Guillotine getötet, welche nach den Terrorjahren der Französischen Revolution ein zweites Mal im "Dauereinsatz" war. Noch ein ganz anderes Thema ist der "Völkermord" in den Konzentrationslagern und an der Front, also die willkürliche Ermordung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und der Mord an Behinderten und Homosexuellen.
Nach der Kriegsniederlage Deutschlands wurde die Todesstrafe dort abgeschafft. Allerdings wurde den "Hauptkriegsverbrechern" von den "Alliierten" vorher noch der Prozess gemacht ("Nürnberger Prozesse"), wobei man auch Todesurteile aussprach. Ebenso in anderen europäischen Ländern wurden Kriegsverbrecher und "Kollaborateure" nach dem Krieg hingerichtet ("Kollaboration" bedeutet "Zusammenarbeit", gemeint ist hier die Zusammenarbeit mit den Kriegsverbrechern).
Nach dem Krieg: Abschaffung der Todesstrafe in Europa
1948 erarbeitete die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte". Dort wurden grundlegende Rechte festgelegt, darunter das Recht auf Leben, das Verbot der Folter und der Anspruch auf ein "faires" Gerichtsverfahren. Ausdrücklich abgeschafft war die Todesstrafe noch nicht, und so blieb sie auch Bestandteil der Justizsysteme in vielen europäischen Ländern.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Todesstrafe 1949 durch das Grundgesetz abgeschafft. Spätere Versuche, die Todesstrafe wieder politisch zu legitimieren (also sie wieder einzuführen), wurden vom Bundestag abgelehnt. In der Deutschen Demokratischen Republik hingegen hielt man noch einige Jahre an der Todesstrafe fest und sprach sie für Vergehen wie Mord und Spionage aus - Hinrichtungsart war zu Beginn die Guillotine, später die Erschießung. Die letzte von fast 200 Hinrichtungen in der Geschichte der DDR fand 1981 statt, erst im Jahr 1987 wurde die Todesstrafe auch hier nach einem Beschluss der Volkskammer abgeschafft. In Frankreich wurde die Todesstrafe 1981 (letzte Hinrichtung 1977), in Großbritannien 1998 (letzte Hinrichtung 1964) per Gesetz endgültig abgeschafft. Heute wird die Todesstrafe in keinem Lande der Europäischen Union mehr durchgeführt und gilt als "geächtet".
Im letzten Teil erfährst du, wo auf der Welt die Todesstrafe heute überhaupt noch praktiziert wird. Außerdem geht es dort um die unterschiedlichen Argumente von Gegnern und Befürwortern der Todesstrafe. Wie denkst du über das Thema? Im unten verlinkten Forum kannst du dich mit anderen Lesern austauschen.<
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