22.05.2009
In diesen Tagen feiern wir das 60-jährige Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und damit auch den 60. Geburtstag des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, der geltenden Verfassung für den deutschen Staat. Aber was genau ist das Grundgesetz, was beinhaltet es und warum ist es so wichtig, dass es ein Grundgesetz gibt?
Am 23. Mai 1949, also vor 60 Jahren, trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die Aufgabe des Grundgesetz ist es, dem Staat Grundwerte zu geben und ihn zu festigen - aber auch, die Freiheit der Bürger zu sichern und die Macht des Staates zu begrenzen. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei dem Grundgesetz um den "grundlegenden Spielplan" für die Bundesrepublik Deutschland, in dem festgelegt wird, was sie ausmacht, wie sie organisiert ist und funktionieren soll. Auf dem Grundgesetz baut alles weitere auf.
Der geschichtliche Hintergrund
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 war Deutschland von den vier Siegermächten in vier Besatzungszonen aufgeteilt, es gab eine sowjetische, britische, US-amerikanische und französische Zone. Im Jahr 1948 einigten sich die britischen, amerikanischen und französischen Besatzer - also die Besatzer Westdeutschlands - schließlich darüber, dass Deutschland wieder eine eigene Verfassung bekommen sollte. Die Deutschen durften eine Versammlung bilden und eine neue Verfassung entwerfen. Diese sollte eine demokratische Staatsform garantieren und den Bürgern Grundrechte gewähren. Außerdem sollte die Macht zwischen Bund und den einzelnen Bundesländern ausbalanciert sein - der Aufbau des Staates sollte also "föderalistisch" sein.
Eigentlich war es nur als vorübergehende Lösung geplant, denn die Mütter und Väter der deutschen Verfassung gingen davon aus, dass die deutschen Gebiete der russischen Besatzungszone bald wieder mit den westlichen Gebieten vereint sein würden. Doch auch auf östlicher Seite gab es bereits einen Verfassungsentwurf, der die DDR ("Deutsche Demokratische Republik") begründen sollte. Anfangs war man noch auf beiden Seiten bemüht, sich auf eine Verfassung für Gesamtdeutschland zu einigen. Große Uneinigkeit herrschte allerdings über die zukünftige Staatsform des Landes. Die Vorstellungen der sozialistischen Sowjetunion und der westlichen Länder gingen weit auseinander, es kam zu einer immer größeren Spaltung zwischen West und Ost. Wie wir wissen, hat es noch viele Jahre gedauert, bis die DDR und die Bundesrepublik Deutschland wieder zu einem Staat geworden sind. Seit der Wiedervereinigung 1990 gilt das Grundgesetz nun als gesamtdeutsche Verfassung.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar"
Einen sehr wichtigen Teil des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland machen die Grundrechte aus. Als das Grundgesetz formuliert wurde, waren die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus gerade erst geschehen. Deshalb fanden es die Mütter und Väter des Grundgesetzes besonders wichtig, die Grundrechte des Menschen in der Verfassung zu verankern.
Tatsächlich sind die Grundrechte für den einzelnen Bürger wohl der wichtigste Teil des Grundgesetzes, denn sie regeln die Rechte und Freiheiten, die jeder von uns hat, und sollen verhindern, dass von Staatsseite zu stark in das Leben der Menschen eingegriffen werden kann. Gesetzgebung, ausführende Gewalt (zum Beispiel die Polizei) und die Rechtsprechung sind zu jeder Zeit an die Grundrechte gebunden und dürfen diese nicht verletzen. Die Grundrechte sind unterteilt in die für alle geltenden "Menschenrechte" sowie die "Bürgerrechte". Diese gelten nur für die deutschen Staatsangehörigen. Der Artikel 1 des Grundgesetzes formuliert das allerwichtigste Grundrecht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar und muss von Seiten des Staates geachtet und geschützt werden."
Die Grundrechte
Außerdem gehört es zu den Grundrechten, dass jeder seine Persönlichkeit frei entfalten darf, solange dies nicht die Rechte anderer Personen verletzt. Das Grundgesetz legt auch fest, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Abstammung, seines Glaubens oder wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf. Jedem Bürger steht es frei, an das zu glauben, was er für richtig hält und eine Religion seiner Wahl auszuführen. Jeder darf seine Meinung frei äußern, auch die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung in Rundfunk und Film ist im Grundgesetz verankert.
So sollen dem Bürger unabhängige und unzensierte Informationen garantiert werden, durch die er sich eine Meinung bilden kann. ("Zensur" bedeutet Kontrolle durch den Staat, um kritische und unerwünschte Inhalte zu unterdrücken.) Kunst, Forschung und Lehre sind nach dem Grundgesetz ebenfalls frei. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hielten Ehe und Familie für besonders schützenswert, deshalb ist es gesetzlich festgelegt, dass Eltern und Kinder nur aus schwerwiegenden Gründen voneinander getrennt werden dürfen, zum Beispiel, wenn sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmern. Mehrere Artikel beschäftigen sich mit dem Schutz der Privatsphäre des einzelnen Bürgers, zum Beispiel gehört es zu den Grundrechten, dass die Wohnung unverletzlich ist. Das bedeutet, dass niemand ohne Weiteres in die Wohnung eines Menschen eindringen darf, auch nicht die Polizei. Das Post- und das Fernmeldegeheimnis sind ebenfalls unverletzlich, das bedeutet, dass niemand das Recht hat, ohne Weiteres fremde Post zu lesen oder Telefongespräche abzuhören. Jeder Bürger hat außerdem ein Recht auf Eigentum.
Die Verfassungsgrundsätze
Im Grundgesetz geht es aber nicht nur um die Grundrechte des Einzelnen, sondern es wird auch die Organisation des Bundesstaates festgelegt. Zunächst einmal sind im Grundgesetz die so genannten Verfassungsgrundsätze verankert, also die Ziele, die sich die Bundesrepublik Deutschland gesteckt hat. Die wichtigsten darunter sind das Schützen der Menschenwürde und die Voraussetzung, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist.
Das heißt, dass alle Macht vom Volk ausgehen soll und dass der Staat bemüht ist, jedem Einzelnen erträgliche Lebensbedingungen zu schaffen, Schwächere zu schützen und die Bürger bestmöglich abzusichern. Ein wichtiger Abschnitt des Grundgesetzes regelt das Zusammenspiel von Bund und Ländern, denn wie wir wissen setzt sich die Bundesrepublik Deutschland aus 16 verschiedenen Bundesländern zusammen. Diese Bundesländer haben ihre eigenen Landesregierungen und Ministerien. Damit dieses System funktioniert, sind im Grundgesetz sozusagen die Spielregeln festgelegt. Ebenfalls in der Verfassung verankert ist die Bundesrepublik als "Rechtsstaat". Das bedeutet, dass der Staat an Recht und Gesetz gebunden ist und sich nicht einfach darüber hinwegsetzen kann.
Repräsentative Demokratie mit freien Wahlen
Dass die Macht vom Volk ausgeht, heißt in der so genannten "repräsentativen Demokratie" Deutschlands, dass die Bürger nicht unmittelbar, sondern über die Wahl von "Volksvertretern" mitbestimmen können. Bewusst wurde sich in der Bundesrepublik Deutschland nach den Schrecken des Dritten Reichs gegen Elemente einer "direkten Demokratie" entschieden - was auch immer wieder auf Kritik stößt. "Direkt" im Gegensatz zu "repräsentativ" bedeutet hier, dass die Bürger unmittelbar - zum Beispiel durch einen Volksentscheid - über bestimmte Regelungen und Gesetze abstimmen können, und nicht nur die Politiker, die vom Volk gewählt wurden.
Ein wichtiger Verfassungsgrundsatz ist das Vorliegen einer Republik. Ein Staatschef wird also nur für begrenzte Zeit gewählt und kann auch wieder abgewählt werden. Freie Wahlen sollen garantieren, dass eine Regierung demokratisch vom Volk gewählt werden kann. Bei einer demokratischen Wahl haben alle Wähler gleiches Recht: Jeder hat genau eine Stimme, die gleich viel zählt. Außerdem muss eine Wahl frei und geheim sein: Niemand darf gezwungen werden, eine Partei zu wählen oder seine Stimmvergabe bekanntzugeben.
Staatsorgane und Gesetzgebung
Einer der wichtigsten Aspekte der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat ist die Gewaltenteilung. Das bedeutet, dass es eine gesetzgebende Gewalt ("Legislative"), eine ausführende Gewalt ("Exekutive") und eine rechtsprechende Gewalt ("Judikative") gibt, die unabhängig nebeneinander stehen. Bei der Legislative handelt es sich um den Bundestag, den Bundesrat sowie auch die Landesparlamente, die über Gesetze beraten und sie verabschieden. Wie das genau vonstatten gehen muss, ist ebenfalls im Grundgesetz geregelt. Dabei wird unterschieden, ob es sich um die Gesetzgebung einzelner Länder oder des Bundes handelt.
Um die Ausführung der verabschiedeten Gesetze kümmert sich die Exekutive, nämlich Landes- und Kreisverwaltungen, die Staatsanwaltschaft, die Polizei oder das Finanzamt. Finanzämter sorgen zum Beispiel dafür, dass ordnungsgemäß Steuern gezahlt und verwaltet werden und Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen mutmaßlicher Verbrechen. Die Judikative besteht aus unabhängigen Richtern, die in Gerichtsverfahren über Gesetzesübertretungen entscheiden. Diese "Gewaltenteilung" soll die Macht des Staates begrenzen und dazu beitragen, dass die Freiheit und Gleichheit der Bürger geschützt wird.
Dass es die deutsche Verfassung nun schon seit 60 Jahren gibt, heißt nicht, dass sie sich während dieser Zeit nicht verändert hat. Artikel werden geändert, entfernt oder ganz neu hinzugefügt. Dies war mitunter sehr umstritten - so zum Beispiel die Notstandsgesetze 1968, die Änderung des Asylrechts und der "Lauschangriff" 1998. Was hat sich verändert und wie ist die Zukunft der deutschen Verfassung?
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