von Björn Pawlak
Die Todesstrafe praktizieren die Menschen, solange es die Staaten selbst gibt und weit darüber hinaus - von "Todesstrafe" spricht man, wenn die "Rache" der Gemeinschaft als "legitimiertes" (gesetzmäßiges) Recht auftritt. Zwar ist sie in Deutschland und in den europäischen Staaten heute abgeschafft, aber die vier bevölkerungsstärksten Länder (China, Indien, USA, Indonesien) und viele andere Staaten vor allem in Asien und Afrika wenden sie noch immer "rechtmäßig" an. Insgesamt lebt mehr als 60 Prozent aller Menschen in Ländern, die die Todesstrafe praktizieren.
Geändert haben sich im Laufe der Zeit vor allem die Methoden und die Umstände von Hinrichtungen. Während es in alten Zeiten völlig normal war, dass Menschen öffentlich und vor Publikum hingerichtet wurden, geschieht dies heute oft im Versteckten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aber auch dies ist nicht in allen Ländern so. Diskutiert werden muss auf jeden Fall, ob es überhaupt eine Rechtmäßigkeit für das Töten durch den Staat oder eine entsprechende Einrichtung geben kann.
"Legitimierung" der Todesstrafe bedeutet, dass eine Zentralgewalt die Tötung von Menschen als Strafe praktiziert und sich auch dazu befugt sieht. Zu diesem Zwecke muss zuvor ein "Gericht" das entsprechende Urteil fällen, und zwar nach den Maßstäben eines "Gesetzes".
Todesstrafe im Altertum
Die ältesten erhaltenen Gesetzessammlungen stammten aus dem "Zweistromland" Mesopotamien im heutigen Vorderasien, gelegen zwischen den beiden großen Flüssen Euphrat und Tigris. Hier siedelten die frühen Hochkulturen der Sumerer, Babylonier, Aramäer und Assyrer.
Berühmt sind der ältere sumerische "Codex Ur-Nammu" und der etwas jüngere babylonische "Codex Hammurabi", die beide um die 4.000 Jahre alt sind. Hier wurde erstmals schriftlich festgehalten, wer unter welchen Umständen und warum zum Tode zu verurteilen ist. Der "Codex Hammurabi" sah grausame Strafen wie die Pfählung (dabei wurde der Körper mit Pfählen durchbohrt), das Verbrennen und die Verstümmelung vor. Von den Sumerern stammt auch das älteste bekannte schriftliche Todesurteil aus dem Jahr 1850 vor Christus.
Auch das Alte Testament der Bibel enthält in den "fünf Büchern Mose" (auch "Tora" genannt) Regeln über die Anwendung der Todesstrafe. Schon bei der Anbetung von fremden Göttern drohte der Tod durch Hinrichtung, genauso wie bei Ehebruch und Gotteslästerung. Zur Feststellung der Schuld und des Strafmaßes gab es damals öffentliche Gerichtsprozesse.
Hinrichtungen als Massenspektakel
Auch im antiken Griechenland kannte man die Todesstrafe - der berühmte Philosoph Sokrates etwa wurde zum Tode verurteilt, da man ihm vorwarf, die Jugend zu verderben und die griechischen Götter zu missachten.
Im alten Rom machte man aus Hinrichtungen ein Schauspiel für die Menschenmenge - im berühmten "Kolosseum", einem riesigen Freilichttheater mit Platz für mehr als 50.000 Zuschauer, wurden zum Tode Verurteilte bei Gladiatorenkämpfen getötet oder von wilden Tieren zerfleischt.
Die wohl berühmteste Hinrichtung der Geschichte ist die Kreuzigung von Jesus Christus, den Pontius Pilatus, der römische Statthalter in Judäa, hinrichten ließ. Die Kreuzigung galt als besonders entehrend, da man dem Hingerichteten ein Begräbnis verweigerte. Der tote Körper blieb sichtbar am Kreuz hängen, bis er sich durch Witterung und Verwesung von selbst auflöste.
Mittelalter und frühe Neuzeit: Inquisition, Hexenverfolgung und Folter
Als "Inquisition" bezeichnet man solche Gerichtsverfahren im späten europäischen Mittelalter, bei denen im Auftrag der Kirche "Häretikern" und "Ketzern" (gemeint sind "Andersgläubige" oder "Glaubensabweichler") der Prozess gemacht wurde. Auch "Wucher" (also Geschäftemacherei mit Zinsen), Hexerei, Magie und Gotteslästerung waren Anklagepunkte der Inquisition. Um Geständnisse zu erpressen, wurde vielfach die Folter angewendet.
Wurde die Todesstrafe ausgesprochen, dann bedeutete das für die Verurteilten normalerweise, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden (man bezeichnete die Urteilsvollstreckung mit dem portugiesischen Wort "Autodafé", was soviel wie "Werk des Glaubens" heißt). Aber auch Köpfen, Hängen, Ertränken und Folterung bis zum Tode waren gängige Hinrichtungsarten im Mittelalter.
Die Hexenverfolgungen beruhten auf der Idee, dass manche Menschen - nämlich die Hexen oder Hexer - mit dem Teufel im Bunde seien und so Unheil über ihre Mitmenschen und Umwelt brächten. Frauen wurden viel häufiger der Hexerei verdächtigt als Männer, sogar Kinder und Tiere kamen als Angeklagte in Frage. Auch Hexen und Hexer kamen durch den Feuertod auf dem Scheiterhaufen um - in der lebendigen Verbrennung sah man einen Akt der Reinigung der Seele.
Als "Gnadenakt" wurde der Verurteilte in manchen Fällen bereits vor der Verbrennung getötet, meist durch Erdrosseln oder Enthaupten. Um die Hexenprozesse kümmerten sich sowohl die geistlichen Gerichte der Inquisition als auch die weltlichen Gerichte. Besonders zahlreich waren solche Prozesse in Mitteleuropa zur Zeit des "Dreißigjährigen Krieges" (1618 bis 1648). In Europa kam es im 18. Jahrhundert zu den letzten Hexenverfolgungen - jedoch gibt es sie noch heute in einigen Ländern Afrikas, Südostasiens und Lateinamerikas.
Aufklärung: Diskussion über die Abschaffung der Folter
Über die Abschaffung der Todesstrafe dachte man im Mittelalter kaum nach, auch wenn im 16. Jahrhundert unter Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, eine Gerichtsordnung erlassen wurde (genannt "Carolina", für "Constitutio Criminalis Carolina"), die eine gewisse Tendenz zur Einschränkung der Todesstrafe aufwies.
Im 18. Jahrhundert wurde das Thema bei den "Aufklärern" wieder aktuell. Grausame Hinrichtungen wie die von Robert-Francois Damiens, der einen Mordanschlag auf den französischen König Ludwig XV. verübt hatte, führten zur Diskussion um eine "humanere" (also "menschlichere") Vollstreckung des Todesurteils. Damiens wurde auf vielerlei Weisen gefoltert und anschließend mithilfe von festgebundenen Pferden gevierteilt - und das alles auch noch öffentlich.
Die Hinrichtung von Damiens wurde zum Sinnbild für die "alte" und grausame Form der Leibesmarter. Einflussreiche Theoretiker, die sich gegen die Folter aussprachen, waren der italienische Jurist Cesare Beccaria oder auch die Philosophen Voltaire und Jeremy Bentham.
Französische Revolution und die Erfindung der Guillotine
Mit der Französischen Revolution wird die Guillotine zum Sinnbild für die nun folgenden massenhaften Hinrichtungen. Der Name "Guillotine" geht übrigens auf den Arzt Joseph-Ignace Guillotin zurück, der die Einführung des Fallbeils als "humanere" Todesstrafe vorgeschlagen hatte. Die neue Tötungsmaschine war für kurze Zeit im Dauereinsatz. Doch vor welchem geschichtlichen Hintergrund konnte es zu einer solchen Flut von Hinrichtungen kommen?
Aufgrund der finanziellen Nöte und der Massenarmut im Land berief der König Ludwig XVI. im Jahr 1789 die "Generalstände", in denen das französische Volk auch zu Zeiten der absolutistischen Monarchie (zumindest theoretisch) ein gewisses Mitspracherecht besaß. (Der "Absolutismus" bezeichnet die damalige Staatsform, bei welcher der Herrscher die "absolute", also beinahe uneingeschränkte Macht und Kontrolle hatte.) 600 Abgeordnete des "Dritten Standes" - bestehend aus allen Bürgern, die weder zum Adel noch zur Kirche gehörten - formierten sich gegen den Widerstand des Königs zur "Nationalversammlung", und zwar mit dem Ziel, eine Erneuerung des französischen Staatswesens zu erzwingen. Gleichzeitig kam es im ganzen Land zu Unruhen und Aufbegehren der französischen Untertanen. Als der König seine Soldaten vorrücken ließ, bewaffnete sich auch das Volk und das Bürgertum stellte eigene "Bürgergarden" auf. Mit dem Sturm auf die "Bastille" (einem Gefängnis in Paris) am 14. Juli 1789 kam es zum ersten Blutbad der Revolution.
"Die Revolution frisst ihre Kinder"
Die Nationalversammlung erklärte danach die Rechte von Adel und Kirche für nichtig, am 10. August 1792 schließlich wurde die Monarchie ("Alleinherrschaft" des Königs) abgeschafft. Bis 1794 folgte die "Schreckensherrschaft" der Jakobiner unter Maximilien de Robespierre, Louis-Antoine de Saint-Just und Georges Auguste Couthon ("die großen Drei des Terrors"): Zehntausende von Menschen ließ man durch die Guillotine hinrichten. Auch der abgesetzte König Ludwig XVI. wurde als "Herr Capet" (so hieß er nun mit bürgerlichem Namen) zum Tode verurteilt, ebenso die abgesetzte Königin Marie Antoinette ("Witwe Capet"). Dann wurden zahlreiche "Girondisten" (das waren gemäßigtere Revolutionäre) des Verrats an der Revolution angeklagt und guillotiniert.
Mittlerweile wurden längst nicht mehr nur Adlige und Aristokraten hingerichtet - über 30 Prozent der durch die Guillotine Getöteten waren Bauern und Angehörige des Dritten Standes. Im Nationalkonvent kam es 1794 schließlich zur Bildung eines "Anti-Terror-Bündnisses" - das Ende von Robespierre, Saint-Just und Couthon. Die Hinrichtungswellen der Revolution ebbten jetzt ab, aber die Tötung durch das Gesetz hatte von nun an eine andere Gestalt: "industrielle" Tötung von Staatsfeinden durch die Guillotine als Form von moderner "Rechtsstaatlichkeit". Bis zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich im Jahr 1981 blieb die Guillotine dort in Betrieb, heutzutage spielt sie als Hinrichtungstechnik praktisch nirgendwo auf der Welt mehr eine Rolle.
In den nächsten Teilen erfährst du mehr über die Geschichte der Todesstrafe - und über die Situation heutzutage in den Ländern, in denen die Todesstrafe noch praktiziert wird. Wie denkst du über das Thema? Im unten verlinkten Forum kannst du dich mit anderen Lesern austauschen.
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