23.04.2008
Viele tausende schwer kranker Menschen, darunter viele hundert Kinder, warten auf ein Organ, das sie vor dem Tod bewahrt oder sie zurück in ein normales Leben bringt. Die Medizin hat sehr große Fortschritte gemacht. Das Problem ist aber, dass es zu wenig Spenderorgane gibt. Für viele der Organe muss ein Mensch gestorben sein. Es bestehen auch ethische Bedenken über das Entnehmen von Organen Verstorbener. Schon länger debattieren Politik und Wissenschaft darüber, ob jeder automatisch Organspender sein soll, wenn er nicht ausdrücklich dagegen widerspricht. Das EU-Parlament plant neue Gesetze.
Mehr als zehntausend Menschen warten allein in Deutschland auf eine Organtransplantation. Eine Transplantation ist eine Verpflanzung von funktionstüchtigen Organen oder Geweben auf einen kranken Menschen. Die meisten Organe müssen dafür zuvor von einem Verstorbenen entnommen werden. Die Niere und Teile der Leber können auch von lebenden Menschen gespendet werden. Die verpflanzten Organe und Gewebe sollen Funktionen im Körper der Kranken übernehmen, die ausgefallen sind.
Die Organe Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Darm lassen sich heute gut transplantieren. Bei den Geweben sind es vor allem Gehörknöchelchen des Mittelohrs und die Hornhaut der Augen. Die Organe müssen körperlich aber immer zu dem Menschen passen, dem sie eingepflanzt werden. Es kann also nicht jedes benötigte Organ bei einem Menschen einfach ohne weiteres verwendet werden. Die Organe stammen von Menschen, die zu Lebzeiten erklärt haben, dass ihre Organe nach ihrem Tod für eine Transplantation verwendet werden dürfen. Das darf jeder bestimmen, der mindestens 16 Jahre alt ist.
Auch die Angehörigen können einer Organentnahme im Sinne des Verstorbenen zustimmen, wenn keine Erklärung vorliegt. Oft fällt den Angehörigen die Entscheidung aber sehr schwer, vor allem, wenn sie mit dem Verstorbenen nie über seine Einstellung gesprochen haben. Der Tod des Spenders muss von zwei unabhängigen Ärzten festgestellt werden. Als tot gilt der Mensch dann, wenn der "Hirntod" festgestellt wurde. Der Hirntod ist der endgültige, nicht mehr behebbare Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. Jede Möglichkeit, etwas bewusst wahrzunehmen, wie zum Beispiel Schmerzen und Denken, ist unwiederbringlich verloren, und das Bewusstsein wiederzuerlangen, ist ausgeschlossen. Das Gehirn ist von der Durchblutung abgekoppelt. Atmung und Herzschlag werden bei Spendern bis zur Entnahme der Organe aufrechterhalten.
Warten im Angesicht des Todes
Für alle transplantierbaren Organe gilt: Es werden mehr gebraucht, als zur Verfügung stehen. Im Jahr 2004 wurden 398 Herzen transplantiert. Damit konnten aber nur die Hälfte der Patienten versorgt werden, die dringend auf ein Spenderherz warten. Meistens geht es dabei um Leben und Tod. Kommt das Spenderherz zu spät, ist der Patient schon tot.
Auf eine Spenderniere warten circa 10.000 Patienten in Deutschland, nur 2.478 Nieren konnten im Jahr 2004 transplantiert werden. Vier bis fünf Jahre warten die Patienten im Durchschnitt auf ein Spenderorgan. Sie können solange meistens mit einer Dialyse versorgt werden. Das ist eine Blutwäsche durch ein Gerät im Krankenhaus. Mit der Dialyse ist das Leben der Patienten zwar gesichert, sie müssen aber mehrmals wöchentlich für mehrere Stunden die Prozedur über sich ergehen lassen, sodass sie kein normales Leben führen können.
Ist bald jeder Organspender?
Der nationale Ethikrat ist eine Gruppe von Wissenschaftlern und Kirchenvertretern, die die Bundesregierung und das Parlament bei umstrittenen Themen beraten. Mit Rücksicht auf seine Empfehlungen beschließen die Parlamentarier neue Gesetze. Vor einiger Zeit hat der Ethikrat empfohlen, dass jeder Verstorbene automatisch zum Spender werden soll, außer, wenn er zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat.
Dass es zu wenig Organe gibt, liegt für den Ethikrat nämlich vor allem daran, dass sich zu wenig Menschen ernsthaft Gedanken darüber machen, ob sie nach ihrem Tod ihre Organe anderen überlassen oder nicht. 70 Prozent der Deutschen bejahen nach einer Umfrage eine Organspende, aber nur ein Bruchteil hat tatsächlich einen Organspendeausweis. Das Thema verdrängen viele, weil sie sich mit dem eigenen Tod beschäftigen müssen.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt von der SPD hat sich dagegen ausgesprochen, das Transplantationsgesetz zu ändern. Ihrer Ansicht nach sollten Kliniken und Transplantationszentren besser zusammenarbeiten. Man müsse respektieren, dass sich nicht jeder Mensch mit dem Tod auseinandersetzen und zu einer festen Entscheidung gelangen kann oder will. In diesem Fall dürfe nicht einfach über ihn entschieden werden. Mitglieder der Ärztekammer stimmten dem Vorschlag des Ethikrates dagegen zu. Für sie ist die Debatte darüber längst nicht beendet. Auf diese Weise könnte viel an der problematischen Situation schwer kranker Menschen, die lange Zeit auf Spenderorgane warten, geändert werden.
In vielen anderen Ländern gilt bereits eine solche "Widerspruchs-Regelung", wie zum Beispiel in Österreich, Italien, Frankreich, Schweden, Luxemburg, Portugal, Spanien, Tschechien und Ungarn. Eine Sonderform gilt in Belgien, Finnland und Norwegen: Die Angehörigen haben das Recht, eine Organspende des Verstorbenen durch Einspruch zu verhindern.
Gegenseite: Viel Kritik zum Vorschlag des Ethikrats
Viele Menschen finden es ethisch dennoch bedenklich, Menschen automatisch zu Organspendern zu machen, obwohl diese dem nicht eindeutig zugestimmt haben. Der Körper sei immer noch "Eigentum" eines jeden Einzelnen, über das nicht einfach verfügt werden dürfe. Einige sind der Ansicht, dass stattdessen viel mehr Aufklärung betrieben, Informationen verbreitet und öffentliche Diskussionen zu dem Thema angeregt werden sollten, um die Menschen auf das wichtige Thema aufmerksam zu machen.
Ein solches Gesetz würde nämlich bedeuten, dass auch Menschen nach dem Tod Organe entnommen werden, die damit nicht einverstanden gewesen wären oder bis zu ihrem vielleicht überraschenden Tod noch nicht zu einer Entscheidung über dieses schwierige Thema gelangen konnten. Manche Menschen warnen auch davor, den menschlichen Körper wie eine Maschine zu betrachten, bei der einfach nach Bedarf Teile "ausgetauscht" werden. Einige von ihnen stehen der Organspende generell kritisch gegenüber und sehen darin einen erheblichen Eingriff in die menschliche Natur.
In einigen Ländern wird sogar ein illegaler (also verbotener) Handel mit Organen betrieben. Immer wieder kommt es vor, dass Menschen einfach Organe entnommen werden, um diese für viel Geld weiterzuverkaufen.
Ja zur Organspende?
Viele empfinden die Vorstellung, dass Organe von ihnen oder ihren Bekannten nach ihrem Tod in einem anderen Körper "weiterleben", sehr befremdlich - und könnten sich auch umgekehrt schwer vorstellen, Organe anderer in sich zu tragen. Man darf dabei aber nie vergessen, dass auf diese Weise Leben gerettet werden können. Menschen, die sich vorstellen können, Organe zu spenden, sind also dazu aufgerufen, zu einer Entscheidung zu kommen und sich dann möglicherweise einen Spendeausweis zuzulegen.
In der Frage, ob man Organspender werden möchte oder nicht, gibt es kein "Richtig" oder "Falsch". Die Frage kann nur jeder persönlich für sich beantworten. Wichtig ist es aber, sich damit auseinanderzusetzen und zu entscheiden. Denn schwer kranke Patienten warten auf Organe, die ihr Leben retten könnten.
Wer 16 Jahre alt ist, kann ohne Einverständnis der Eltern Organspender werden. Ab 14 Jahren kann man gegen eine Organspende widersprechen. Die Bereitschaft zur Organspende oder der Widerspruch dagegen werden im Organspendeausweis festgehalten, der wie ein Personalausweis immer mit sich geführt werden sollte. Einen solchen Ausweis bekommt man bei vielen Ärzten, Krankenkassen, Gesundheitsämtern und Apotheken. Bei einem Unfall kann dann viel Zeit gespart und die Spenderorgane können ohne lange Gespräche mit den Angehörigen entnommen werden.
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