von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak - 16.01.2012
Vor 20 Jahren, am 16. Januar 1992, endete der seit 1980 andauernde Bürgerkrieg im mittelamerikanischen Land El Salvador. Rund 80.000 Menschen - unter ihnen sehr viele Zivilisten - fielen dem Krieg zum Opfer. Da es in der Folge zu radikalen Veränderungen der politischen Ordnung des Landes kam, sprechen viele von einer "revolutionären" Entwicklung nach dem Bürgerkrieg in El Salvador. Was ist damals geschehen und wie hat sich das Land seitdem entwickelt?
Am Ende des Bürgerkriegs in El Salvador konnte weder die politisch "rechtsgerichtete" und von den USA unterstützte Militärregierung noch die Bewegung der Untergrundkämpfer - die "linksgerichtete" Guerilla der "FMLN" ("Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional", übersetzt "Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí") - den Konflikt militärisch für sich entscheiden. In der Folge kam es schließlich zu Friedensverhandlungen.
Das Militär wurde entmachtet und die FMLN wurde als politische Partei zugelassen - heute stellt sie sogar die Regierung. Benannt ist die FMLN nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Farabundo Martí, der bei einem Volksaufstand im Jahr 1932 erschossen wurde.
Zwar wurden nach Ende des Bürgerkrieges demokratische Strukturen aufgebaut, aber die Gewalt im Land hat nicht nachgelassen, sondern sich in die Kriminalität verlagert. Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich kaum verändert.
Die Mordrate in El Salvador ist mit 62 Morden pro 100.000 Einwohner in einem Jahr eine der höchsten weltweit (Stand 2011), überall im Land sind die Menschen im Besitz von Waffen. Außerdem finden Jugendbanden, die so genannten "Maras", in El Salvador einen fruchtbaren Boden. Das Land ist nach wie vor durch eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich gespalten. Wie ist die Situation im Land 20 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs?
Wie kam es zum Bürgerkrieg?
Im Bürgerkrieg waren die damals rund fünf Millionen Menschen in El Salvador gezwungen, entweder für das Militär oder für die Guerilla, also die Untergrundkämpfer, Partei zu ergreifen - besonders die armen Schichten schlossen sich der Guerilla an, weil sie gegen die Ungleichheit und für mehr Gerechtigkeit kämpfen wollten.
Weder das Militär noch die Guerilla hatten letztlich aber ausreichend Rückhalt in der Bevölkerung, um den militärischen Konflikt für sich zu entscheiden. Also wurde durch den Friedensbeschluss ein Kompromiss geschlossen.
Anfang der 1980er Jahre, als der Bürgerkrieg begann, regierte eine kleine und sehr reiche Oberschicht das allgemein verarmte Land. Die Regierung schreckte nicht davor zurück, Wahlen zu fälschen und mit militärischer Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.
So wurden "Oppositionelle", also Gegner und Kritiker des politischen Systems, verschleppt und umgebracht. Im nahe gelegenen Nicaragua stürzte die Widerstandsbewegung der "Sandinisten" im Jahr 1979 die rechtsgerichtete "Somoza-Diktatur" - der ausbeuterische "Somoza-Clan" herrschte damals mit Zwang und Gewalt über das Land. Der Sturz der Diktatur in Nicaragua hatte nicht zuletzt einen Vorbildcharakter für die Aufständischen in El Salvador.
Als dann am 24. März 1980 der regierungskritische jesuitische Erzbischof Óscar Romero durch einen Schützen einer regierungsnahen Terroristen-Gruppe erschossen wurde, brach der offene Bürgerkrieg aus. Romero hatte sich für die Vermittlung zwischen der salvadorianischen Armee und der Guerilla stark gemacht. Das rechtsgerichtete Militär in El Salvador wurde von den USA, damals unter dem republikanischen US-Präsidenten Ronald Reagan, mit Waffen ausgerüstet und in Militäreinrichtungen der USA für den Kampf ausgebildet.
Land im Besitz von wenigen Reichen
In El Salvador herrscht eine kleine "Oligarchie" - das bedeutet "Herrschaft von wenigen" oder "Herrschaft der Reichen". Das Reichtum weniger Personen stützt sich auf riesigen Landbesitz über mehrere Generationen. Seit den 1930er Jahren sicherte das Militär die Macht dieser Oligarchie, notfalls auch mit Gewalt.
Im Jahr 1932 wurde eine aufständische Bewegung, die von der Kommunistischen Partei El Salvadors und der verarmten indianischen Bevölkerung getragen wurde, auf Befehl von Präsident Maximiliano Hernández Martínez blutig niederschlagen. 30.000 Menschen kamen innerhalb von wenigen Tagen zu Tode.
In den 1970er Jahren bildete sich die Aufstandsbewegung neu, wobei mehrere Gruppierungen eine Rolle spielten - so zum Beispiel die Kommunistische Partei und die Gewerkschaften. Im Jahr 1980 schlossen sich mehrere Widerstandsgruppen zur FMLN zusammen, um die Militärdiktatur zu stürzen.
Im Jahr 1981 scheiterte ein Angriff der FMLN - nicht zuletzt, weil die US-Regierung El Salvador stark unterstütze und somit nach Israel und Ägypten zum damals weltweit drittgrößten Empfänger von US-amerikanischer Militärhilfe machte. Erst im Jahr 1989 gelang der FMLN ein militärischer Erfolg, als Teile der Hauptstadt San Salvador durch die Guerilla kontrolliert wurden.
Was besagt der Friedensvertrag?
Mit Unterstützung aus der breiten Bevölkerung wäre nun ein Sieg der revolutionären Kämpfer möglich gewesen, aber das Volk blieb gespalten und es kam nicht zu einem Massenaufstand. Eine Rolle spielte auch der Zusammenbruch der einst mächtigen Sowjetunion, auf deren Unterstützung die FMLN zuvor gebaut hatte. Somit wurden die Weichen für Friedensverhandlungen gestellt.
In der Silvesternacht des Jahres 1991 wurde auf internationalen Druck hin in New York ein Abkommen zwischen den dafür angereisten Vertretern der gegnerischen Parteien des Bürgerkriegs beschlossen. Bis zum 16. Januar 1992 wurde ein Friedensvertrag ausgearbeitet, der dann an diesem Tag in der mexikanischen Hauptstadt Mexiko-Stadt unterzeichnet wurde.
Ergebnis des Abkommens war das Ende der Militärherrschaft in El Salvador, weshalb auch von einer "Revolution am Verhandlungstisch" die Rede war. Die Macht der Armee, deren Truppenstärke um die Hälfte verringert wurde, wurde stark eingeschränkt. Viele ehemalige Soldaten wurden aus dem Dienst entlassen und zwangspensioniert.
Die neue Aufgabe des Militärs sollte nun die Verteidigung der Landesgrenzen sein. In die innenpolitischen Angelegenheiten sollte sich die Armee - anders als zuvor - nicht mehr eigenmächtig einmischen können. Außerdem wurde eine neue nationale Polizei aufgebaut, in der zahlreiche ehemalige Guerilla-Kämpfer einen Posten einnahmen.
Wirtschaftliche Machtverhältnisse blieben bestehen
Ende des Jahres 1992 ließen die Vereinten Nationen die Waffen der Bürgerkriegsparteien zu einem großen Teil und auf freiwilliger Basis einsammeln. Die FMLN wurde als politische Partei zugelassen und streitet seitdem bei Wahlen um die politische Macht - man sagt ihr nach, sich rechten politischen Positionen immer weiter angenähert zu haben.
Keinen Umsturz - auch keinen vertraglichen am Verhandlungstisch - hat es hinsichtlich der Wirtschaftsordnung El Salvadors gegeben. Die alte Oligarchie El Salvadors blieb unverändert die eigentlich kontrollierende Macht im Staat. Gleichzeitig wurde das Land nach den Prinzipien der "freien Marktwirtschaft" umgebaut: Seit 2001 ist die gültige Währung in El Salvador der US-Dollar, das Land ist wirtschaftlich also stark abhängig von den USA.
Frühere Widerstandskämpfer an der Macht
Seit dem 1. Juni 2009 stellt die FMLN offiziell die Regierung - zum Staatspräsidenten wurde der ehemalige Journalist Carlos Mauricio Funes Cartagena gewählt. Die wirtschaftliche Ordnung ließ die Regierung aber unangetastet - einmal mehr hat sich die Macht der Oligarchie als stärker erwiesen als jede demokratische Einflussnahme.
Noch immer sind viele Verletzungen der Menschenrechte, die zur Zeit des Bürgerkriegs begangen wurden, nicht aufgeklärt oder strafrechtlich verfolgt worden, weil im Rahmen der Friedensverträge auch eine Straffreiheit ("Amnestie") verabredet wurde. Trotzdem beschäftigt sich eine von den Vereinten Nationen eingerichtete "Wahrheitskommission" mit diesem Thema - ähnlich wie im Nachbarland Guatemala, das ebenfalls auf einen gewaltsamen Bürgerkrieg zurückblickt und seine Vergangenheit aufarbeiten muss.
Das Hauptproblem El Salvadors ist aber nicht die Gewalt der Vergangenheit, sondern die der Gegenwart. Die Kriminalität im Land hat so sehr zugenommen, dass der Staat auch unter der Regierung der FMLN vermehrt wieder militärische Gewalt einsetzt, um die innere Ordnung zu gewährleisten. Auch 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs herrscht noch lange kein Frieden in El Salvador.
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