von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak
Die blau-weiß-blaue Flagge Nicaraguas trägt in ihrem Zentrum das nicaraguanische Staatswappen: ein Dreieck, in dem eine Landschaft zu sehen ist, umrahmt von den kreisförmig geschriebenen Worten "Republica de Nicaragua" und "America Central". Der weiße Mittelstreifen symbolisiert den mittelamerikanischen Landstreifen, der Nord- und Südamerika miteinander verbindet. Die beiden blauen Streifen stehen für die beiden Ozeane, die Nicaragua umgeben. |
Nicaragua ist ein Land in Mittelamerika, das im Jahr 1838 formell seine Unabhängigkeit erlangte. Wegen seiner außergewöhnlichen natürlichen Beschaffenheit nennt man es auch "Land der Seen und Vulkane" oder "Land der tausend Vulkane". Die Landessprache ist Spanisch, an der Karibikküste sind aber auch andere Sprachen verbreitet. Ein berühmtes Produkt aus Nicaragua ist der Kaffee.
In seiner komplizierten Geschichte hat das Land viel durchgemacht, ist von Bürgerkriegen gebeutelt worden und immer wieder durch äußere Einflussnahme (insbesondere durch die USA) in seiner Entwicklung gestört worden. Dazu ist das Land auch durch Naturkatastrophen wie Erdbeben und Hurrikane in Mitleidenschaft gezogen worden.
Heute ist Nicaragua eines der ärmsten Länder weltweit, in Mittelamerika ist nur Guatemala noch ärmer - rund 70 Prozent der Bevölkerung lebt von umgerechnet weniger als einem US-Dollar pro Tag und geschätzte 60 Prozent sind ohne eine feste Arbeit. Der Großteil der Nicaraguaner lebt im Westen des Landes, insbesondere im Einzugsgebiet der Hauptstadt Managua. Viele Nicaraguaner haben das Land auf der Suche nach bezahlter Arbeit ganz verlassen - allein im Nachbarland Costa Rica leben rund eine Million von ihnen und arbeiten dort, oftmals illegal.
Geschichte
Nicaragua hat in seiner jüngeren Geschichte schlimme Zeiten durchgemacht. 1979 hat es eine Revolution durch die politische Gruppierung der "Sandinistas" gegeben, wodurch die alte "Somoza-Diktatur" entmachtet wurde. Der "Somoza-Clan" hatte zuvor seit 1934 die Politik des Landes bestimmt und wurde bereits damals von den USA unterstützt. Bereits zwischen 1927 und 1934 hatte es einen Bürgerkrieg gegeben, als sich General Augusto César Sandino (nach ihm sind auch die späteren Revolutionäre benannt) gegen die nordamerikanische Besatzung und deren Verbündete erhob. Die USA bildeten damals eine nicaraguanische Armee aus, die dem Befehl von Anastasio Somoza García unterstand.
Nach der Revolution von 1979 schlitterte Nicaragua in den 1980er-Jahren in einen Bürgerkrieg, den so genannten "Contra-Krieg". Die "Contras" - das Wort bedeutet soviel wie "Gegenrevolutionäre" - wurden durch die USA (beziehungsweise vom US-amerikanischen Geheimdienst "CIA") unterstützt und sollten die alten Zustände in Nicaragua wieder herstellen. Sie operierten auch von den Nachbarländern Honduras und Costa Rica aus, wo sie durch US-Unterstützung militärisch ausgebildet und ausgerüstet wurden. Seit 1980 bremsten die USA mit einer Wirtschaftsblockade, an der sich auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligte, die Entwicklung Nicaraguas zusätzlich.
Aus Sicht der USA hatte man etwas dagegen, dass sich das in Abhängigkeit befindliche Land in seiner Entwicklung "verselbstständigte" und sich zudem mit dem kommunistischen Ostblock verbündete. Im Grunde kann man davon sprechen, dass es sich um einen von den USA verdeckt geführten Krieg gegen die Bevölkerung Nicaraguas handelte. Der den Vereinten Nationen unterstellte "Internationale Gerichtshof" verurteilte die USA deshalb auch zu Reparationszahlungen, diese erkannten das Urteil allerdings nicht an. Der Contra-Krieg zermürbte die Bevölkerung - 60.000 Menschen, hauptsächlich Zivilisten, fielen ihm zum Opfer. Außerdem wurde in den Kriegsjahren die Wirtschaft Nicaraguas ruiniert.
Regionen
Nicaragua hat nur zwei Nachbarstaaten - im Norden ist dies Honduras, im Süden Costa Rica. Die natürliche Grenze Nicaraguas ist das Meer - im Westen erstreckt sich der Pazifische Ozean, im Osten das zum Atlantischen Ozean gehörende Karibische Meer.
Nur die Hauptstadt Managua ist unter den nicaraguanischen Städten richtig groß, dort leben über eine Million Menschen. Das Land ist in folgende 15 Verwaltungseinheiten aufgeteilt: Boaco, Carazo, Chinandega, Chontales, Estelí, Granada, Jinotega, León, Madríz, Managua, Masaya, Matagalpa, Nueva Segovia, Río San Juan und Rivas.
Hinzu kommen zwei weitere Regionen mit einem Sonderstatus und einer eigenständigen Verwaltung - hier lebt ein Großteil der "indigenen" nicaraguanischen Bevölkerung, man spricht auch von den "Indigénas". (Als "indigen" wird der Bevölkerungsanteil bezeichnet, der von den "Ureinwohnern" abstammt - gemeint sind die Menschen, die schon vor der Ankunft der Europäer in Amerika dort lebten.) Die beiden Sonderzonen heißen "Región Autónoma Atlántico Norte" und "Región Autónoma Atlántico Sur" und liegen im Osten des Landes - der Ausdruck "región autónoma" ist Spanisch und bedeutet soviel wie "eigenständiges Gebiet".
Geographie
Nicaragua beherbergt als größtes Land Mittelamerikas hauptsächlich drei unterschiedliche Landschaftstypen: das Küstengebiet am Pazifik (dort befinden sich auch die beiden großen Binnenseen), das Bergland im Norden und die zentrale Tiefebene mit der Karibikküste. Etwa 40 Prozent der Landesfläche (20.000 Quadratkilometer) sind mit tropischem Regenwald bedeckt. Im Norden ist es kälter als im restlichen Land - es gibt hier über 2.000 Meter hohe Gebirgszüge vulkanischen Ursprungs und Hochebenen mit tiefen Schluchten.
Parallel zur flach ins Meer abfallenden Pazifischen Küste im Westen verläuft eine 240 Meter lange Gebirgskette mit rund 50 Vulkanen, von denen sechs ständig aktiv sind. Durch die Gebirgskette wird das Land auf natürliche Weise in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt. Obwohl sich westlich der Gebirgskette nur 15 Prozent der Fläche befindet, leben hier zwei Drittel der Bevölkerung. Auch die Landwirtschaft wird hauptsächlich in der fruchtbareren westlichen Hälfte Nicaraguas betrieben.
Im Südwesten liegen die beiden größten Binnenseen Mittelamerikas: der Lago de Managua (56 Kilometer lang und 24 Kilometer breit) und der Lago de Nicaragua, auch "Cocibolca" genannt (160 Kilometer lang und 75 Kilometer breit). Die Seen beherbergen auch zahlreiche Inseln - die größte unter ihnen ist die Vulkaninsel Ometepe. Der Lago de Nicaragua zählt sogar zu den zehn größten Binnenseen der Welt.
Im Ostens des Landes befindet sich die tropische Tiefebene - sie ist von dichten Regenwäldern bedeckt und mit nur neun Prozent der Gesamtbevölkerung am dünnsten besiedelt (flächenmäßig nimmt sie die Hälfte Nicaraguas ein). Mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als 30 Grad Celsius ist es hier am heißesten.
Bevölkerung
Die Anzahl der Einwohner in Nicaragua liegt bei ungefähr 5,7 Millionen (Stand 2009) - 90 Prozent von ihnen lebt im Einzugesgebiet der Hauptstadt Managua und an der Westküste. Mit einer Wachstumsrate von 1,8 Prozent zählt Nicaragua zu den Ländern, deren Bevölkerung besonders stark wächst. Trotzdem ist Nicaragua bezogen auf die Fläche das am schwächsten besiedelte Land in Mittelamerika.
Umgangssprachlich nennt man die Nicaraguaner auch "Nicas". Die meisten unter ihnen (rund 70 Prozent der Bevölkerung) sind sowohl Nachfahren der spanischen Eroberer als auch der "indianischen" Ureinwohner - man bezeichnet diesen Bevölkerungsanteil (wie im übrigen Lateinamerika auch) als "Mestizen".
Etwa 15 Prozent der Bevölkerung definiert sich selbst als "weiß" - dieser Bevölkerungsanteil hat vor allem spanische Wurzeln. Aber auch aus Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien sowie aus Asien sind immer wieder Menschen eingewandert. Im ausgehenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden insbesondere Deutsche und Franzosen ins Land gelockt, indem man ihnen kostenlos Land schenkte (dies betraf die Gegenden Estelí, Jinotega, Matagalpa, Managua-El Crucero, Nueva Segovia und Madríz).
An der Karibikküste leben zudem viele Schwarze, deren Vorfahren einst größtenteils als Sklaven nach Amerika kamen (etwa neun Prozent der Bevölkerung). Die Kultur der Schwarzen an der Karibikküste ist jamaikanisch geprägt - viele ehemalige Sklaven kamen von Jamaika nach Nicaragua. Man spricht hier neben dem Spanischen überwiegend "kreolisches Englisch", also eine Mischung aus Englisch und den alten afrikanischen Muttersprachen.
Drei Prozent der Nicaraguaner gehören zu den indigenen Gruppierungen - die größte unter ihnen ist das in Nicaragua rund 100.000 Menschen zählende Volk der "Miskito", kleinere Gruppierungen sind die "Sumo" und die "Rama". Die Miskito leben an der karibischen "Moskitoküste" ("Costa de los Mosquitos"), die sich von Nicaragua bis ins Nachbarland Honduras erstreckt - auch dort sind einige Tausend Miskito ansässig.
Jeder sechste Nicaraguaner lebt überhaupt nicht mehr regelmäßig im Land, sondern ist (zumeist aus Gründen der Arbeitssuche) ausgewandert - die Auswanderer leben besonders häufig in den USA, im Nachbarland Costa Rica und in Spanien.
Politik
1990 wurde die sandinistische Partei "FSLN" ("Frente Sandinista de Liberación Nacional") abgewählt, weil die Bevölkerung des Bürgerkrieges müde und überdrüssig wurde. Es folgten friedlichere und stabilere Jahre, dennoch erholte sich das Land und seine Bevölkerung nur schleppend. Die Regierungen, die auf die Revolution folgen, machten eine Politik, die den Handel des Landes zu Gunsten der Oberschicht organisierte. Gleichzeitig hatte das Land auf politischer Ebene in erheblichem Ausmaß mit der Korruption zu kämpfen - dies betrifft insbesondere den Ex-Präsidenten Arnoldo Alemán.
Seit 2006 sind die Sandinistas wieder an der Macht - der Präsident heißt (wie schon zwischen 1985 und 1990) Daniel Ortega Saavedra (Stand 2009). Seitdem orientiert sich das Land wieder eher an den "sozialistischen" Staaten Lateinamerikas, insbesondere an Venezuela. Schulbesuch und Gesundheitswesen sind für die Bevölkerung nun wieder kostenlos. Mit Programmen wie "Hambre Cero" ("Null Hunger") und "Usura Cero" ("Null Wucher") versucht man, die ärmeren Bevölkerungsschichten zu unterstützen. Seit 2007 gehört Nicaragua zum Staatenbündnis "ALBA" ("Alternativa Bolivariana para las Américas", zu Deutsch "Bolivarianische Alternative für die Amerikas") - von dort erhält das Land materielle Unterstützung zur Durchführung sozialer und wirtschaftlicher Programme.
Wirtschaft
In Nicaragua herrscht eine besonders hohe Arbeitslosigkeit, viele Menschen müssen sich mit "Gelegenheitsjobs" über Wasser halten - das reale Pro-Kopf-Einkommen der Menschen ist eines der niedrigsten überhaupt. Der größte wirtschaftliche Sektor ist der landwirtschaftliche - 60 Prozent aller nicaraguanischen Exporte besteht aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen. ("Export" nennt man den Verkauf von Ware ins Ausland - von dem Geld kann ein Land sich die Produkte aus dem Ausland kaufen, die man selbst nicht produziert.)
Nicaragua ist Anbaugebiet für Bananen, Kaffee, Baumwolle, Zuckerrohr, Kakao und Tabak, außerdem produziert und verkauft das Land große Mengen an Rindfleisch. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind Kaffee und Baumwolle - beides wird im mittleren Westteil des Landes nahe der Pazifikküste angebaut. Insbesondere mit der Baumwolle gab es zuletzt jedoch Probleme, weil die Böden teilweise ausgelaugt sind - seit 20 Jahren werden die Baumwollerträge stetig kleiner. Erwähnenswert ist auch das Geschäft mit Garnelen, die sowohl im Pazifik, als auch im Atlantik und neuerdings auch im Lago de Nicaragua gefangen werden - auch mit dieser Ware handelt Nicaragua auf den "Weltmärkten".
Die nicaraguanische Volkswirtschaft lebt auch von den Geldern, die von den im Ausland lebenden und arbeitenden Nicaraguanern - das trifft auf fast ein Sechstel der Menschen mit nicaraguanischem Pass zu - in ihr Heimatland überwiesen werden. Besonders im Umkreis der Städte und auf dem Land bauen viele Menschen die Nahrungsmittel, die sie zum täglichen Leben brauchen, selbst an - beliebt sind zum Beispiel Bohnen, Mais, Maniok und Zitrusfrüchte. Das selbst angebaute Obst und Gemüse wird natürlich auch auf den Straßen zum Kauf angeboten.
Neben der Landwirtschaft ist auch der Tourismus zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden - Nicaragua hat eine außergewöhnlich schöne Natur und ist somit auch ein attraktives Reiseziel. Ein Problem stellt immer noch das mangelhafte Verkehrsnetz dar - abgesehen von einer Straße, die die an der Karibikküste gelegene Stadt Bluefield mit der im Westen verlaufenden "Panamericana" verbindet, gibt es keine direkte Verbindung zwischen dem Westen und Osten des Landes. (Die Panamericana ist eine große Schnellstraße, die den ganzen amerikanischen Kontinent von Nord nach Süd durchläuft.) Zudem sind die Straßen oft in sehr schlechtem Zustand.
Traditionen und Küche
Nicaraguas einfache aber abwechslungsreiche Küche ist eine Mischung aus präkolumbianischen, kreolischen und spanischen Einflüssen. Die wohl wichtigste und häufigste Zutat ist der Mais. Er findet in vielen Gerichten Verwendung.
Das beliebte Gerichte "Nactamal" zum Beispiel ist Maisbrei, der mit anderen Zutaten vermischt eine Füllung ergibt, die in einem Bananenblatt eingewickelt gedämpft wird. Auch beliebte Getränke werden aus Mais hergestellt - zum Beispiel "Pinolillo" (geröstetes Maismehl mit Kakao) oder "Chicha" (ein aus vergorenem Mais hergestelltes alkoholisches Getränk).
Neben Mais verwendet die nicaraguanische Küche einheimisches Gemüse und einheimische Früchte, besonders Mangos, Papayas, Avocados, Maniok und Bananen. Durch die beiden Küsten am Atlantik und Pazifik gibt es reichlich Fisch und Meeresfrüchte, auch Rind- und Schweinefleisch sind sehr beliebt. "Vigorón" (Salat aus frittierter Schweinehaut, Maniok, Weißkohl und Tomaten) gilt als eine Spezialität und wird vielerorts auf der Straße verkauft.
Weitere typische nicaraguanische Gerichte sind "Gallo Pinto" (Reis mit Bohnen) und "Indio Viejo" (Eintopf aus Fleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Tortillas). Traditionell standen auch Schildkröten, Eidechsen, Gürteltiere und Schlangen auf dem Speiseplan - heutzutage jedoch nicht mehr, auch weil die meisten dieser Tierarten mittlerweile unter Artenschutz stehen. Berühmt ist Nicaragua auch für seinen Rum, insbesondere für die weltberühmte Sorte "Flor de Caña" (zu Deutsch "Blüte des Zuckerrohrs").
Der nicaraguanische Kalender ist voller Festtage - viele von ihnen haben vordergründig mit dem Katholizismus zu tun, den die spanischen Kolonialisten ins Land brachten. Hintergründig leben in diesen Festen aber auch die indigenen Ursprünge und die von den Vorfahren mündlich überlieferten Bräuche fort. Die auf offener Straße abgehaltenen Feste sind farbenprächtig und von Tanz, Gesang, Gebet, Essen und Musik begleitet.
Zwischen dem 17. und dem 19. Juli gedenkt man in Nicaragua mit Straßenumzügen der Revolution (am 17. Juli 1979 floh der Diktator Anastasio Somoza vor der Sandinistischen Volksrevolution). Offizieller Nationalfeiertag ist der 15. September - an diesem Tag im Jahr 1821 erklärte Nicaragua seine Unabhängigkeit von Spanien.
Größe des Landes 129.494 qkm |
||
Hauptstadt Managua |
||
Einwohner 5,7 Mio. (Stand 2010) |
||
Landessprachen
|
|
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.