von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak
Im Jahr 1961 gründeten Carlos Fonseca, Tomás Borge und Silvio Mayorga gemeinsam die revolutionäre Gruppierung "Frente Sandinista de Liberación Nacional" ("FSLN", auf Deutsch "Sandinistische Nationale Befreiungsfront"). Die FSLN setzte sich an die Spitze einer breiten revolutionären Bewegung - Ziel war die Beseitigung der Somoza-Diktatur. Unter den Studenten, innerhalb der Arbeiterklasse und bei der bäuerlichen Landbevölkerung hatte die FSLN großen Rückhalt.
Die revolutionäre Bewegung bedrohte US-Interessen in Nicaragua. Also begann man seitens der USA, gegenrevolutionäre Streitkräfte - die so genannten "Contras" - aufzubauen. Zwischen 1977 und 1979 starben rund 10.000 Menschen bei Zusammenstößen zwischen den revolutionären Kräften und der Nationalgarde. 1979 gelang der FSLN die Machtübernahme ("Nicaraguanische Revolution"). Nach der Revolution verharrte Nicaragua in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand - besonders von Honduras, aber auch von Costa Rica aus unterstützen die USA die Contras finanziell, geheimdienstlich und militärisch.
Das Geld zur Unterstützung der Contras beschaffte sich die US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan aus dunklen Kanälen - so wurde später bekannt, dass es geheime US-Waffenverkäufe in den Iran ("Iran-Contra-Affäre") gab. Das Geld aus diesen Geschäften floss anschließend an die Contras. Außerdem war der US-Geheimdienst CIA in den internationalen Drogenhandel verwickelt - Gewinne aus dem illegalen Kokain-Verkauf in den USA dienten der Finanzierung von Waffen und Ausrüstung für die Contras.
Die USA wurden vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufgrund von militärischen und paramilitärischen Aktivitäten in und gegen Nicaragua schuldig gesprochen. Die Contras (von US-Präsident Reagan als "Freiheitskämpfer" bezeichnet) waren für terroristische Überfälle auf die Landbevölkerung, für die Verteilung von Landminen, für die Zerstörung von Ernten und ähnliches verantwortlich - Ziel war es, der FSLN das Regieren unmöglich zu machen und sie letztlich zu stürzen.
Nach der Machtübernahme der FSLN war die aus den Somoza-Jahren stammende Verfassung für ungültig erklärt worden. Die FSLN bestimmte einen fünfköpfigen Rat, der das Land regieren sollte - diesem gehörte auch der heute amtierende Präsident Daniel Ortega Saavedra an (Stand 2010). Das Programm der FSLN sah eine breit angelegte Bildungskampagne zur Bekämpfung des Analphabetismus und den Aufbau eines Gesundheitswesens mit Krankenstationen im ganzen Land vor. Mittelfristig sollte die Armut und Ungleichheit bekämpft und durch eine Bodenreform Nicaraguas Besitztümer gerechter verteilt werden. Die FSLN kam allerdings nicht richtig voran, weil sie den bürgerkriegsähnlichen Zustand nicht überwinden konnte.
Bürgerkrieg in den 1980er Jahren
Der Bürgerkrieg in den 1980er Jahren forderte zahlreiche Tote - auch Frauen und Kinder waren in die Kämpfe verwickelt. Der Kampf zwischen den Sandinisten und den Contras sorgte außerdem dafür, dass Nicaragua sich wirtschaftlich nicht erholte. Die FSLN musste einen Großteil der ihnen zur Verfügung stehenden Gelder für den Krieg ausgeben - gleichzeitig stiegen im ganzen Land die Preise, Lebensmittel und andere lebenswichtige Produkte wurden knapp.
Im Jahr 1984 gab es Wahlen, die der Präsidentschaftskandidat der Sandinisten - Daniel Ortega Saavedra - klar für sich entscheiden konnte. 1985 verhängten die USA eine Wirtschaftsblockade über Nicaragua, um die FSLN in die Knie zu zwingen. Einige Zeit später erfuhr die US-Öffentlichkeit von den mit der Situation in Nicaragua in Zusammenhang stehenden Machenschaften der CIA (Contra-Affäre, Drogenhandel) - der US-amerikanische Kongress lehnte weitere Militärhilfen für die Contras unter diesen Umständen ab.
1988 einigten sich die Sandinisten und die Contras auf einen Waffenstillstand - man handelte einen Friedensplan aus und plante für das Jahr 1990 freie Wahlen. Die Contras, die sich teilweise außerhalb Nicaraguas aufhielten, kehrten nun geschlossen ins Land zurück. Bei den Wahlen setzten sich die Sandinisten überraschend nicht durch - stattdessen siegte das von den USA unterstützte Parteienbündnis "Unión Nacional Opositora" ("UNO"). An die Spitze des Staates wurde eine Frau gewählt: Violeta Barrios de Chamorro.
1990er Jahre: Regierungen Chamorro und Alemán
Trotz der Beilegung des bewaffneten Konflikts blieb Nicaragua auch nach der Wahl von Violeta Chamorro ein gefährliches Pflaster - nach Jahren des Krieges waren viele Waffen im Land, vereinzelt bekämpften sich Sandinisten und Contras noch immer. Die Sandinistische Armee, die zum Ende des Bürgerkriegs aus 100.000 Kämpfern bestand, wurde nach dem Regierungswechsel auf 10.000 Soldaten reduziert.
Die Regierung Chamorro führte die Landreform der Sandinisten ein Stück weit fort - die entwaffneten Kämpfer der Sandinisten und der Contras sollten gesellschaftlich wiedereingegliedert werden, indem man ihnen ein Stück Land zur Verfügung stellte. Gleichzeitig betrieb die UNO gegen den Widerstand der sandinistischen Gewerkschaften eine "neoliberale" Politik, so wurden zahlreiche Staatsbetriebe wieder privatisiert.
1996 gab es erneut Wahlen - an die Macht kam Arnoldo Alemán von der "Partido Liberal Constitucionalista" ("PLN"), der danach bis 2002 Präsident blieb. Alemán betrieb den konsequenten Rückbau aller sandinistischen Reformen, sogar das öffentliche Gesundheits- und Schulwesen wurde nun privatisiert. Auch die Landreform wurde umgekehrt, so dass Großgrundbesitzer und Spekulanten Landflächen wieder billig aufkaufen konnten. Ähnlich wie einst die Somoza-Familie bereicherte sich Alemán als Präsident auch selbst, so dass man ihm schließlich zu Recht Amtsmissbrauch vorwarf.
1998 wurde das Land auch noch durch den Hurrikan "Mitch" gebeutelt, der in Nicaragua mehrere Tausend Menschen tötete. Viele Menschen verloren ihre Häuser, Tiere und Ernten - also alles, was sie zum Überleben benötigten. Es gab eine politische Mitschuld: Die nicaraguanischen Behörden hatten es versäumt, die Risikogebiete rechtzeitig zu "evakuieren" - eine "Evakuierung" ("evacuare" ist Lateinisch und bedeutet "ausleeren") ist die Räumung eines Gebietes von Menschen. Nach der Katastrophe setzte eine Landflucht ein, wodurch die Armut in den größeren Städten weiter zunahm.
Nicaragua heute: Die Sandinisten sind zurück an der Macht
2002 wurde Enrique Bolaños Geyer von der Partei "Alianza por la República" ("APRE") zum Nachfolger Alemáns gewählt. Alemán selbst wurde später wegen Veruntreuung von 100 Millionen US-Dollar zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Der neue Präsident versprach, die Korruption mit aller Härte zu bekämpfen. Politisch ging er dabei teilweise ein Bündnis mit der FSLN ein.
2006 gelang es der FSLN schließlich doch, die Regierung wieder zu übernehmen - Präsident wurde erneut Daniel Ortega. Allerdings haben sich viele ehemalige Sandinisten längst von dieser Partei abgewandt, weil sie nicht denken, dass sie noch glaubwürdig die Revolution verkörpert. Ortega wird mittlerweile von vielen für einen "Opportunisten" gehalten, dem Machterhalt wichtiger ist als die alten Ideen des Wandels und der Gerechtigkeit. Trotzdem öffnete die FSLN das Bildungs- und Gesundheitssystem wieder für alle Nicaraguaner. Im Rahmen des "Null Hunger-Programms" wird gewährleistet, dass Schulkinder jeden Tag kostenlos eine Mahlzeit bekommen.
Außenpolitisch sucht Ortega ein Bündnis mit Venezuela, wo Hugo Chávez erfolgreich die "Bolivarianische Revolution" verkörpert. (Simón Bolívar war ein im 18. Jahrhundert geborener südamerikanischer Unabhängigkeitskämpfer, der noch heute in ganz Lateinamerika ein Volksheld ist.) Venezuela beliefert Nicaragua zu günstigen Bedingungen mit Erdöl, was die nicaraguanische "Energiekrise" deutlich gemildert hat.
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