Rassisten, Neonazis und rechtsextreme Parteien (2)

Teil 2 von 2

von Johannes Schäfer - 22.05.2006

Im ersten Teil hast du erfahren, welches gestörte Menschenbild Rassisten haben. Und du weißt jetzt, dass sie in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten zahlreiche brutale Verbrechen an Menschen verübt haben, nur weil diese eine andere Hautfarbe haben. Erfahre nun, wie es die NPD geschafft hat, aus der Bedeutungslosigkeit wieder zur wichtigsten rechtsextremen Partei aufzusteigen. Und warum es heute viel schwerer ist als noch vor einigen Jahren, einen Neonazi zu erkennen.


Die NPD betreibt sogar Jugendzentren. Mit kostenlosen Musik-CDs wollte die rechtsextreme Partei bei Schülern punkten.
Nachdem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Jahrzehntelang in der Bedeutungslosigkeit verschwunden war, hat sie ausgerechnet mit Hilfe der Bundesregierung, des Bundestags und des Bundesrats einen kräftigen Aufschwung erlebt. Nach einer Reihe ausländerfeindlicher Gewalttaten reichten diese drei Institutionen Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht gegen die Nationaldemokratische Partei ein. Das oberste Gericht sollte feststellen, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und sie anschließend verbieten.

Durch Hetz-Reden von hohen Partei-Mitgliedern sollte bewiesen werden, dass die NPD das Grundgesetz nicht anerkennt und die Bundesrepublik Deutschland am liebsten in eine Diktatur umwandeln würde. Im Laufe des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass einige der in den Verbotsanträgen zitierten NPD-Funktionäre als so genannte "V-Leute" für den Verfassungsschutz gearbeitet hatten. Das bedeutet, dass der Geheimdienst ihnen Geld dafür gegeben hatte, dass sie Informationen über ihre Partei preisgaben. Es ließ sich nun nicht mehr feststellen, ob sie die verfassungsfeindlichen Aussagen aus Überzeugung gemacht haben - oder ob sie vom Geheimdienst dazu beauftragt worden waren.

Der große Auftritt einer fast vergessenen Partei

"Die Menschheit wurde in Afrika geboren. Ausnahmslos alle Völker sind afrikanisch." Schild im Apartheids-Museum in Südafrika.
Laura Kennedy (Stock-Xchng)

Ohne den Vorwurf, dass die NPD die deutsche Verfassung nicht anerkenne, weiter zu prüfen, wurde das Verbots-Verfahren im Jahr 2003 beendet. Und das, obwohl Parteichef Udo Voigt - ein glühender Hitler-Verehrer - die Bundesrepublik Deutschland als "illegales (ungesetzliches) System" bezeichnet. Die Bundesregierung hatte sich bis auf die Knochen blamiert. Während des Verbots-Verfahrens stand die rechtsextremistische Partei zwei Jahre lang im Licht der Öffentlichkeit. Diese Zeit konnte sie nutzen, um massiv Werbung für sich zu machen. Die Folge war, dass die Nationaldemokraten ein Jahr später - 36 Jahre nach ihrem letzten großen Wahlerfolg - mit über neun Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag eingezogen sind. Heute gilt die NPD wieder als einflussreichste rechtsextremistische Partei in Deutschland.

Um wieder die Nummer eins unter den rechtsextremistischen Parteien zu werden, hat die NPD zudem ihre Taktik gewechselt. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin hat festgestellt, dass die Nationaldemokratische Partei besonders für Jugendliche interessanter geworden ist. "Die neue NPD ist keine Altherren Partei mehr, sondern sie hat sich seit Jahren stark verjüngt", sagte sie dem Hellen Köpfchen.

Die netten Neonazis von nebenan

Bianca Klose unterstützt mit ihrer mobilen Beratungsstelle alle, die in Berlin gegen Rechtsextremismus aktiv werden wollen.
http://www.mbr-berlin.de/

Die Rechtsaußen-Partei will Jugendliche an sich binden. NPD-Mitglieder sprechen junge Menschen gezielt an und versuchen, diese von ihrem rechtsextremistischen Gedankengut zu überzeugen. Zuvor stellen sie allerdings geschickt den Kontakt zu jungen Menschen her. Die NPD veranstaltet zum Beispiel Kinderfeste und Wochenend-Ausflüge für Jugendliche. Inzwischen betreibt sie sogar Jugendzentren. Auf diesem Weg will die NPD das Vertrauen der "Wähler von morgen" gewinnen.

Aufsehen erregt hat vor allem die so genannte "Schulhof-CD", die die NPD vor den Pausenhöfen verschenkt hat. Auf ihr finden sich Songs bekannter Nazi-Musikanten, darunter Titel wie "Frieden durch Krieg", " Das Mädel mit der Fahne" und "Wille zum Sieg". Als Abschluss darf die unter Neonazis beliebte erste Strophe der deutschen Nationalhymne "Deutschland, Deutschland über alles" natürlich nicht fehlen. Auf diese Weise hoffte die NPD, Schüler für sich begeistern zu können. Diese Strategie ging aber nicht auf, da die meisten Jugendlichen schlau genug waren und sich nicht täuschen ließen.

Die Weltmeisterschaft der Neonazis?

Rassistische WM-Planer der NPD. Wer nicht weiß ist, ist auch kein echter Deutscher, lautet die Botschaft.

Aus ihrer rassistischen Einstellung macht die NPD kein Geheimnis. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft machte sie massiv Stimmung gegen die dunkelhäutigen deutschen Nationalspieler Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela. Für ihren "Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Nationalmannschaft" verteilte die rechtsextremistische Partei WM-Planer mit der Aufschrift "Weiß - nicht nur eine Trikotfarbe. Für eine echte NATIONAL-Mannschaft". Darunter war das Foto von Owomoyela abgedruckt. Da der Spieler "in geradezu unerträglich rassistischer Art und Weise“ herabgesetzt werde, wurde dieser WM-Spielplan aus dem Verkehr gezogen und verboten.

Einige Experten vermuten, dass die rechtsextreme Szene das Großereignis Fußball-WM nutzen will, um ihre Weltanschauung und ihre rassistische Haltung zu verbreiten. Es wird befürchtet, dass rassistische Gruppierungen die internationale Aufmerksamkeit, die eine Weltmeisterschaft mit sich bringt, nutzen wollen, um durch Ausschreitungen, Aufmärsche und Demonstrationen von sich reden zu machen. Schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft würden rechtsradikale Parteien versuchen, Einfluss in der Hooligan-Szene zu gewinnen. Es gibt allerdings auch andere Experten, die davon überzeugt sind, dass derzeit viel zu viel Rummel um angebliche rechtsradikale Aktionen während der WM gemacht wird.

Rechtsextremisten kämpfen um die Straßen

Holger Apfel wollte aus den JN "Parteisoldaten" machen, deren Vorbild die Waffen-SS sein soll.
Pontus Edenberg (Stock-Xchng)

Nicht alle Rassisten und Rechtsradikale sind in politischen Parteien organisiert. Seit Anfang der 1990er Jahre gründen sich immer mehr so genannte "freie Kameradschaften". Ihre Mitglieder sind Rassisten und Antisemiten, die Juden zu ihren Feinden erklärt haben. Die "freien Kameraden" treffen sich meist in Gaststätten oder in ihren privaten Wohnungen, wo sie den "Kampf um die Straße" planen. In der Öffentlichkeit treten sie sehr aggressiv und gewalttätig auf. Sie versuchen, in ihren Wohnvierteln so genannte "national befreite Zonen zu schaffen". Darin soll nicht mehr die Polizei, sondern nur noch sie selbst das Sagen haben.

In einigen Stadtteilen - besonders in Ostdeutschland - haben solche Gruppen tatsächlich die Kontrolle übernommen. Für Schwarze und andere Menschen mit fremdländischem Aussehen ist es sehr gefährlich, durch so ein Viertel zu gehen. Aber auch politisch Andersdenkende, Homosexuelle und Behinderte können sich in den "national befreiten Zonen" nicht mehr sicher fühlen.

Die einzelnen Kameradschaften sind militärisch organisiert und untereinander vernetzt: Es gibt Führungspersonen und Befehlsempfänger. Seit einiger Zeit wird beobachtet, dass sich
die rechtsextremistische NPD und die extrem gewaltbereiten Kameradschaften aufeinander zubewegen. Auf diese Weise wird die Nationaldemokratische Partei noch radikaler. Besonders beliebt bei den Mitgliedern solcher Kameradschafts-Vereinigungen sind die "Jungen Nationalisten" (JN). Das ist die Jugendorganisation der NPD, die durch ihre hohe Gewaltbereitschaft auffällt. Ihr ehemaliger Vorsitzender, Holger Apfel, bezeichnete seine JN-Mitglieder als "politische Soldaten", deren Vorbild die Waffen-SS - also die Elite-Einheit Adolf Hitlers - sei.

Neonazis im Ché-Guevara-Shirt

Mimikry-Taktik der Neonazis: Wer hätte gedacht, dass es sich hier um einen NPD-Funktionär handelt?

Neonazis benutzten früher Symbole, mit denen sie ihre Gesinnung ausdrücken und sich gegenseitig erkennen konnten. Da Hakenkreuze und SS-Runen in Deutschland und Österreich verboten sind, verwendeten sie andere Zeichen, wie zum Beispiel kurz rasierte Haare, Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken. Inzwischen hat sich die Mode der Neonazis gewandelt. Zu den alten Symbolen sind neue hinzu gekommen, die für Außenstehende nicht mehr so leicht zu erkennen sind. Dazu zählen gewisse Kleidermarken sowie bestimmte Zahlen und Buchstaben-Kombinationen (mehr dazu erfährst du im Beitrag "Sind auch Anti-Nazi-Symbole strafbar?", der unten verlinkt ist).

Inzwischen gibt es eine ganz neue Entwicklung. Bianca Klose weist darauf hin, dass viele Rechtsradikale ihre politischen Ansichten heute überhaupt nicht mehr durch Kleidung und Symbole sichtbar machen. Die extreme Rechte übernimmt mehr und mehr den gängigen Modestil oder verwendet sogar Symbole von links eingestellten Jugendlichen. Der Neonazi von heute kann durchaus ein rotes Ché-Guevara-Shirt und einen Palästinenser-Schal tragen.

Neonazis verraten sich durch ihre Gedanken

Bianca Klose bezeichnet dies als "Mimikry-Strategie". Mimikry bedeutet, dass jemand seine Umwelt überlisten will, indem er irreführende Signale aussendet. Es handelt sich um ein Täuschungs- und Tarnverhalten. Die Gefahr liegt darin, dass man nicht mehr auf den ersten Blick weiß, wann man es mit einem Rechtsextremisten zu tun hat. Einige Neonazis sind auf Anhieb nicht als solche zu erkennen, sondern sehen wie normale Bürger aus.

Indem sie sich ihrer Umwelt anpassen, hoffen sie, die Menschen nicht mehr zu verschrecken, sondern mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie sollen überzeugt werden, bei der nächsten Wahl eine rassistische und rechtsextremistische Partei wie die NPD zu wählen. Die sei ja schließlich gar nicht so schlimm, wie die Medien immer behaupten. Dass die Zeitungen lügen, sehe man ja schon allein daran, dass die Parteimitglieder keine Nazi-Skins, sondern ganz normale Leute wie du und ich seien... Aber Vorsicht, lasse dich davon nicht täuschen. Seine menschenverachtenden Gedanken verraten einen Neonazi - nicht seine Kleidung.

Nicht alle Rassisten, die andere Menschen aufgrund deren Hautfarbe, Religion oder Herkunft angreifen, sind Mitglied einer politischen Partei. Trotzdem besteht eine enge Bindung zwischen den Verbrechern und vielen Politikern von der FPÖ, PNOS, DVU, NPD und den Reps. Erst durch die rassistischen Hetz-Reden der Partei-Funktionäre sehen sich die oftmals sehr jungen Täter zum kriminellen Handeln ermutigt und berechtigt.

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letzte Aktualisierung: 01.11.2009

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