Pöbelnde Neonazis auch in der Schweiz

18.08.2005

In einigen deutschen und österreichischen Städten hat man sich schon fast daran gewöhnt, dass Neonazis (bedeutet "Neu-Nazis") immer wieder ihre Gesinnung auf der Straße zeigen. Am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, haben 700 Neonazis mit lauten Pöbeleien die traditionelle Rütli-Feier gestört. Die Schweizer reagierten entsetzt.

700 Schweizer Neonazis haben das Fest zum Nationalfeiertag verdorben.

Es gab an diesem Tag keine Gewalt rechter Schlägertruppen, es brannten keine Asylantenheime und zum Glück wurde auch kein einziger Ausländer durch die Straßen gejagt. Im Vergleich zu den schlimmen Ereignissen, die in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland passiert sind, war es harmlos, was sich am 1. August in der Schweiz ereignet hat. Und doch sind die Schweizer aufgeschreckt. Denn erstmals meldeten sich organisierte Rechtsradikalengruppen auch bei ihnen lautstark zu Wort.

Am Nationalfeiertag schrien sie ihre primitiven Hassparolen dem Schweizer Bundespräsidenten Samuel Schmid entgegen und störten das Volksfest auf der Rütliwiese am Vierwaldstätter See. Dort wird jedes Jahr am 1. August feierlich an die Gründung der Schweizer Eidgenossenschaft im Jahr 1291 erinnert.

Aufmarsch der Rechten

Seit zehn Jahren tauchten dabei auch einige Neonazis auf und zeigen ihre Gesinnung unter anderem mit Hakenkreuz-Fahnen. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist es in der Schweiz nicht verboten, solche Nazi-Symbole in der Öffentlichkeit zu zeigen. Bisher hat die Schweizer Bevölkerung die wenigen "rechten Spinner" mit Missachtung gestraft.

Seit den Pöbeleien auf dem Rütlifest hat sich das geändert. Denn dass 700 Schweizer Rechtsextremisten gleichzeitig an einem Ort aufmarschiert sind, hat es bisher noch nicht gegeben. Die Polizei ging bislang davon aus, dass insgesamt maximal 1.000 Schweizer zur rechtsextremistischen Szene gehören.

Hass auf Andersdenkende, Andersgläubige und Ausländer

Dieser Rechtsradikale hat sich ein SS-Zeichen ins Haar rasiert.

Neonazis haben ein völlig verzerrtes Weltbild. Sie teilen Menschen in "Rassen" und Kategorien ein. Wer genauso ist wie sie, der gehört zur wertvollen "Herrenrasse". Wer anders aussieht oder anders denkt, der ist in ihren Augen minderwertig. Viele Neonazis haben keinen Schulabschluss und keinen Beruf, sie leben also am Rand der Gesellschaft. Sie trösten sich damit, wenigstens "besser" als "die anderen" zu sein. Natürlich machen sie sich damit nur selber etwas vor.

Und so nehmen sich viele Rechtsradikale das Recht heraus, die Welt mit Gewalt so zu ordnen, wie sie ihrer Meinung nach sein sollte. Ausländer, Andersdenkende und Angehörige anderer Religionen (wie Juden oder Muslime) haben in ihrem Weltbild keinen Platz. Am liebsten hätten sie es, wenn ihr Land nur noch von ihresgleichen bewohnt werden würde. Deutschland den Deutschen, Österreich den Österreichern und die Schweiz den Schweizern. So denken sie. Für alles Fremde soll kein Platz mehr sein.

Adolf Hitler stürzte mit solchen verrückten wie menschenverachtenden Ideen schon einmal Deutschland und ganz Europa ins Unglück. Millionen von Menschen mussten schrecklich leiden oder sogar sterben, nur weil sie anders aussahen, einen anderen Glauben oder eine andere Einstellung hatten. Eigentlich müsste jeder aus der Geschichte gelernt haben. Doch viele junge Menschen interessiert es gar nicht mehr, was damals geschehen ist. Sie bewundern Hitler und dessen geisteskranke Ideologie, obwohl sie kaum etwas über die Zeit wissen, in der er gelebt hat.

Vielfalt hat in der Schweiz Tradition

Eigentlich passt Fremdenhass überhaupt nicht zur Schweiz. Denn dort hat weltoffenes Denken eine lange Tradition. Es leben Menschen in einem Staat zusammen, die nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Ein Teil der Bevölkerung spricht deutsch, ein anderer französisch, ein dritter rätoromanisch und eine große Gruppe unterhält sich in italienischer Sprache. Die Vielfalt ist ein entscheidender Teil der Schweizer Identität. Für das Gedankengut der Nazis sollte da eigentlich kein Platz sein.

Doch der 1. August hat gezeigt, dass sich auch hier verblendete Rassisten zusammen rotten. Die Schweizer Bevölkerung ist nun gewarnt und wird künftig hoffentlich nicht mehr einfach weghören und wegsehen. Denn eins ist sicher: Von ganz alleine werden die Rechtsradikalen sicher nicht wieder verschwinden.

Deutschland trauriger Spitzenreiter

Heute lassen sich viele Neonazis nicht mehr so leicht an ihrer Frisur oder Kleidung erkennen. Und nicht alle Skinheads sind Rechtsradikale.

Wie viel Gewalt Rechtsextremisten auch heute noch verbreiten können, sieht man am Beispiel Deutschland. Dort gibt es laut Verfassungsschutz über 40.000 Rechtsextremisten, von denen etwa 10.000 gewaltbereit sind. Im Jahr 2004 haben sie mindestens 12.000 Straftaten (in Österreich waren es 229 und in der Schweiz 110) begangen. Darunter waren 37 Brandstiftungen, 640 schwere Körperverletzungen und sechs versuchte Tötungen.

Opfer waren vor allem Nicht-Sesshafte, von Neonazis gerne "Penner" genannt, und dunkelhäutige Ausländer. Rechte Straftäter sind in Deutschland nicht mehr so leicht zu erkennen wie früher. Denn an die Stelle von Springerstiefel- und Bomberjacken tragenden Glatzköpfchen sind "normal" aussehende Täter getreten. Die meisten von ihnen sind Jugendliche und junge Männer.

Sag deine Meinung

Was kannst du gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus tun? Wenn jemand aus deiner Klasse rassistische Parolen schwingt, dann solltest du ihm zu verstehen geben, dass du damit überhaupt nicht einverstanden bist. Du solltest auch - ohne deinen Mitschüler gleich zu verpetzen - deinen Lehrer ansprechen, damit er das Thema einmal im Unterricht behandelt.

Manchmal ist es wichtig, dass du sofort etwas unternimmst. Doch es gibt auch Situationen, in denen du alleine ein zu hohes Risiko eingehen würdest, wenn du eingreifst. Dann lass' dir von Erwachsenen helfen. Wenn zum Beispiel Neonazis Flugblätter und rechte Musik vor oder in deinem Schulhof verteilen, dann solltest du schnell einem Lehrer Bescheid sagen.

Nachtrag: Auch in Zukunft wird es Nationalfeiern auf dem Rütli geben. Die Rütli-Kommission möchte nun nach Möglichkeiten suchen, wie Störungen durch Neonazis künftig verhindert werden können.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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