von Sebastian Zender - aktualisiert - 01.10.2021
Am 26. September 2021 waren ungefähr 60,4 Millionen Wahlberechtigte dazu aufgerufen, den 20. Deutschen Bundestag zu wählen. Eine Wahl dieser Größenordnung will erst mal organisiert sein. Was passiert eigentlich genau am Wahltag? Wer kontrolliert, dass die Grundsätze der Wahl auch eingehalten und die Stimmen korrekt ausgezählt werden? Wann steht das Ergebnis der Wahl fest, und wie geht es danach überhaupt weiter?
Am Wahltag entscheiden die Wählerinnen und Wähler sich für einen Kandidaten oder eine Kandidatin sowie für eine Partei. Niemand kann dazu gezwungen werden, zur Wahl zu gehen. Für das Funktionieren der Demokratie ist es aber wichtig, dass sich möglichst viele Menschen an der Wahl beteiligen.
Deshalb muss der Wahltag immer ein Sonntag oder ein Feiertag sein, denn an diesen Tagen müssen die meisten Bürger nicht arbeiten. So haben sie Zeit, ihre Stimmen abzugeben. Dazu begeben sie sich in ein "Wahllokal". Ein Wahllokal ist ein öffentlicher Ort, an dem eine Wahl durchgeführt wird. Die 299 Wahlkreise, die es in Deutschland gibt, werden für die Durchführung der Wahl noch einmal in etwa 80.000 Wahlbezirke unterteilt. In jedem dieser Wahlbezirke, die jeweils nicht mehr als 2.500 Einwohner umfassen sollen, gibt es ein Wahllokal. Die Wahllokale werden meist in Schulen, Rathäusern oder Gemeinderäumen eingerichtet und haben am Wahltag von acht bis 18 Uhr geöffnet.
Alle Wahlberechtigten werden in ein "Wählerverzeichnis" eingetragen. Auf der Grundlage des Wählerverzeichnisses werden ungefähr drei Wochen vor der Wahl die "Wahlbenachrichtigungen" verschickt. In ihnen werden der Wahltermin und die Adresse des jeweiligen Wahllokals mitgeteilt. Mithilfe der Wahlbenachrichtigung kann man außerdem auch die so genannte "Briefwahl" beantragen. Sie dient dazu, auch Wahlberechtigten, die am Tag der Wahl nicht in ein Wahllokal kommen können, die Stimmabgabe zu ermöglichen. Wer die Briefwahl beantragt, bekommt per Post einen Wahlschein zugeschickt und kann ihn nach dem Ausfüllen wieder an die Gemeindeverwaltung zurücksenden. Normalerweise erfolgt die Stimmabgabe jedoch im Wahllokal. Dort bekommen die Wahlberechtigten gegen Vorlage ihres Personalausweises den Stimmzettel ausgehändigt. Zum Ausfüllen können sie sich dann in eine der bereitgestellten Wahlkabinen zurückziehen. Danach werden die gefalteten Stimmzettel in eine Wahlurne geworfen, wo sie bis zur Stimmauszählung aufbewahrt werden.
Kontrolle der Wahl und Stimmauszählung
Der vom Bundesinnenminister ernannte "Bundeswahlleiter" übernimmt bei der Bundestagswahl die Rolle des Oberschiedsrichters. Bei ihm laufen alle Informationen zusammen. Er ist der Vorsitzende des "Bundeswahlausschusses". Dessen acht Mitglieder werden von ihm auf Vorschlag der Parteien ernannt. Neben dem Bundeswahlausschuss stehen dem Bundeswahlleiter bei der Überwachung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Wahl auch noch die Landes- und Kreiswahlleiter, die von den Landesregierungen ernannt werden, sowie die Wahlvorsteher der einzelnen Wahlbezirke zur Seite. Die Wahl wird außerdem von rund 650.000 ehrenamtlichen "Wahlhelfern" betreut. Sie organisieren den Ablauf in den Wahllokalen und helfen bei der Auszählung der Stimmen.
Die Stimmauszählung beginnt, sobald die Wahllokale um 18 Uhr schließen. Trotz der vielen Helfer dauert es eine ganze Weile, bis alle Wahlscheine ausgezählt sind: Zu den Wahlen im September durften ungefähr 60,4 Millionen Wahlberechtigte teilnehmen. Selbst wenn nicht alle Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, kommen also sehr viele Stimmzettel zusammen. Daher steht das endgültige Wahlergebnis erst rund 14 Tage nach der Wahl fest. Die Stimmen der deutschen Wähler werden nach einem bestimmten Verfahren ausgezählt, seit 2009 nach dem so genannten "Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren". Es wurde von Experten entwickelt, um bei der Auszählung der Stimmen möglichst genau und stimmig zu verfahren und beispielsweise kleinere Parteien so wenig wie möglich zu benachteiligen.
Das vorläufig veröffentlichte Wahlergebnis kurz nach der Wahl weicht meist nur geringfügig von dem so genannten "vorläufigen amtlichen Endergebnis" ab. Doch auch dieses kann der Bundeswahlleiter häufig erst spät in der Nacht des Wahltages verkünden. Dabei stützt er sich auf "Hochrechnungen", die es ermöglichen, vom bereits ausgezählten Teil der Stimmen auf das Gesamtergebnis zu schließen.
Nach der Wahl: Die Gründung des neuen Bundestages
An den Tagen nach der Wahl kommen Vertreter der Parteien, die den Einzug in den Bundestag geschafft haben, zu Sondersitzungen zusammen, um den Wahlausgang zu bewerten und über mögliche Bündnisse mit anderen Parteien ("Koalitionen") zu beraten. Es müssen schnell Entscheidungen getroffen werden: Laut Grundgesetz hat der neu gewählte Bundestag nach der Wahl 30 Tage Zeit, um sich zu "konstituieren" - das Wort "konstituieren" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie "gründen" oder "ins Leben rufen".
In der so genannten "konstituierenden Sitzung des Bundestages", bei der die neu gewählten Abgeordneten zum ersten Mal im Plenarsaal zusammenkommen, wird das "Präsidium" des Bundestages - also der "Bundestagspräsident" und seine Stellvertreter - gewählt. Der Bundestagspräsident leitet die Sitzungen des Bundestages, vertritt das Parlament nach außen und steht an der Spitze der Bundestagsverwaltung. Es ist üblich, dass dieses Amt der stärksten "Fraktion" im neuen Bundestag zufällt. Zu einer Fraktion können sich Abgeordnete zusammenschließen, die mindestens fünf Prozent des Bundestages ausmachen und derselben (oder wie im Falle von CDU und CSU einer verschwisterten) Partei angehören. Im 18. Deutschen Bundestag gab es zum Beispiel vier Fraktionen: CDU/CSU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke. Jede Fraktion ist mit mindestens einem "Vizepräsidenten" im Präsidium vertreten.
Kanzlerwahl und Regierungsbildung
Die Wahl einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers zählt neben der Gesetzgebung und der Kontrolle der Regierungsarbeit zu den wichtigsten Aufgaben des Parlaments. Die Kanzlerwahl muss jedoch nicht in der ersten Sitzung des Bundestages erfolgen. Meist lassen sich die Abgeordneten damit noch drei bis vier Wochen Zeit. Das hängt damit zusammen, dass der Kanzler mit "absoluter Mehrheit" der Stimmen gewählt werden muss. Dafür muss über die Hälfte aller Bundestagsmitglieder für ihn stimmen, bei 598 Abgeordneten also mindestens 300. Und durch die Überhang- und Ausgleichsmandate (siehe auch Teil 1 des Artikels) ist die tatsächliche Anzahl der Bundestagsabgeordneten noch deutlich höher. Meistens kann keine Fraktion alleine die absolute Mehrheit der Stimmen erreichen. Dann müssen sich mehrere Fraktionen zu einem "Koalitionsbündnis" zusammenschließen, um den Kanzler zu wählen.
Nach der Wahl wird die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler vom Bundespräsidenten ernannt und vor dem Bundestag vereidigt. Der Amtseid lautet: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." Der Eid kann allerdings auch ohne das am Schluss stehende religiöse Bekenntnis abgelegt werden.
Ist die Kanzlerin oder der Kanzler erst einmal vereidigt, fehlen nur noch die übrigen Mitglieder der Bundesregierung, die "Bundesminister". Sie werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt. Die Bundesminister können, müssen aber keine Mitglieder des Bundestages sein. Meist werden sie von dem Koalitionsbündnis gestellt, das sich für die Kanzlerwahl zusammengefunden hat. Deshalb nennt man die daran beteiligten Fraktionen auch eine "Regierungskoalition". Die übrigen Fraktionen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, bezeichnet man hingegen als "Opposition". Dieses Wort stammt vom lateinischen "opponere". Das heißt so viel wie "entgegenstellen". Gerade weil die politischen Ziele der oppositionellen Parteien denen der Regierung häufig entgegenstehen, kommt ihnen eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Regierungsarbeit zu. Natürlich dürfen sie aber nicht nur an der Arbeit der Regierung herummeckern, sondern müssen zum Beispiel durch eigene Gesetzesvorschläge versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass sie die besseren Ideen haben - vielleicht reicht es ja dann bei den nächsten Wahlen für eine Regierungsbeteiligung.
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