05.06.2012
In Deutschland macht eine neue Partei immer mehr Schlagzeilen. Wie aus dem Nichts ist die Piratenpartei entstanden und hat in Umfragen mittlerweile sogar mehr Zustimmung als die Grünen oder die Linke. Wie ist diese Partei entstanden und warum finden sie so viele Leute gut? Was sagen die Kritiker zu den Zielen der "Piraten"?
Die Piratenpartei gibt es nicht nur in Deutschland. Entstanden ist sie ursprünglich in Schweden. Dort wurde sie unter dem Namen "Piratpartiet" am 1. Januar 2006 von Rickard Falkvinge gegründet. In den Jahren danach gründeten sich auch in anderen Ländern Piratenparteien nach dem schwedischen Vorbild. In Deutschland gibt es die Partei, die sich auch kurz "Piraten" nennt, seit dem 10. September 2006.
Den Namen Piraten hat sich die Partei als Anspielung auf all die Menschen gegeben, die im Internet nach der Meinung anderer gegen Urheberrechte verstoßen, indem sie Daten miteinander austauschen. Musik- und Filmindustrie benutzen den Begriff "Pirat" oder "Piraterie" laut der Partei nur dafür, um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in eine kriminelle Ecke zu stellen. Die Partei hat deshalb diesen Namen absichtlich verwendet, um zu einer neuen Bewertung des Wortes anzuregen.
Wie ist die Piratenpartei entstanden?
Die Debatten um das Urheberrecht waren auch der Grund, weshalb sich die Partei überhaupt gründete. Allgemein ist das Urheberrecht das Recht des Schöpfers oder Urhebers, über die Ergebnisse seiner eigenen Arbeit zu bestimmen. Das können genauso Produkte wie Staubsauger oder Kaffeetassen sein wie auch Musik, Filme, Bilder oder Texte und Bücher. In Schweden hatten bedeutende internationale Medien-Unternehmen eine Organisation gegründet, die etwas gegen das Kopieren von Musik und Videos im Internet unternehmen wollte. Die Organisation mit dem Namen "Antipiratbyrån" - auf Deutsch "Antipirateriebüro" - wurde von solch mächtigen Konzernen wie Disney, Sony Pictures, Viacom, Fox, Universal und Warner ins Leben gerufen. Sie wollten die so genannte "Internet-Piraterie", also das Kopieren und Weitergeben von urheberrechtlich geschützten Inhalten, stärker verfolgen und das Urheberrecht verschärfen. Das Büro konnte auch bald nach seiner Gründung Erfolge vorweisen. So wurde eine Polizeidurchsuchung bei einem schwedischen Internetanbieter durchgeführt und viele Dateien wurden beschlagnahmt. Außerdem erreichte die Organisation, dass das Urheberrecht in Schweden zugunsten der Eigentümer von Inhalten verschärft wurde.
Die Polizeiaktion führte aber zu großen Protesten in der schwedischen Öffentlichkeit und die "Piratpartiet" sorgte für Schlagzeilen. Durch die Proteste bekam die Partei eine sehr große Aufmerksamkeit und viele Schweden traten in die Partei ein. In dieser Zeit hielt der Parteivorsitzende Rickard Falkvinge eine öffentliche Rede. Darin erläuterte er die wichtigsten Ziele der Piraten: Bürgerrechte, freier und offener kultureller Austausch und eine Reform (also Erneuerung) des Urheberrechts. Diese grundlegenden Ziele verfolgen die Piratenparteien in allen Ländern. In Deutschland hat die Partei bisher den Einzug in die Landtage von Berlin und dem Saarland geschafft. Laut aktuellen Umfragen haben die Piraten gute Chancen, auch bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in die Landesparlamente zu kommen.
Was sind die Ziele der Piraten?
Über die Ziele der Piratenpartei kann man sich auf ihrer Internetseite informieren. Dort heißt es: "Die Piratenpartei Deutschland verfolgt das Ziel, künstliche Monopole abzubauen und den gläsernen Staat statt des gläsernen Bürgers zu schaffen." Das bedeutet, die Partei will nicht, dass einer alles beherrscht, wie es bei einem so genannten "Monopol" der Fall ist. Außerdem soll der Staat durchschaubarer werden, das heißt, der Bürger soll sich genau über das Handeln seines Staates informieren können. Der Staat dagegen soll über das Privatleben der Bürger nur so viel erfahren, wie unbedingt nötig ist. Deshalb sind für die Partei laut eigener Aussage Themen wie das Urheberrecht, das Patentrecht und der Datenschutz und die Privatsphäre besonders wichtig.
Als Ziel ihrer Politik gibt die Piratenpartei eine "moderne und freie Informations- und Wissensgesellschaft für Deutschland und ganz Europa" an. Die Piraten befürchten nämlich nach eigenen Aussagen eine "totale und totalitäre, globale Überwachungsgesellschaft". Die Piraten glauben, dass unsere Gesellschaft vor einem großen Umbruch steht. Die Ursache dafür sei die Globalisierung nicht nur der Wirtschaft, sondern auch des Wissens und der Kultur der Menschheit durch weltweite Digitalisierung und Vernetzung. Dadurch, dass die Menschen in allen Teilen der Welt durch das Internet miteinander verbunden seien, verbreite sich Wissen und Kultur viel schneller als früher auf der ganzen Erde. In der heutigen Zeit sei daher ein freier Zugang zu Wissen und Kultur und der Schutz der Privatsphäre besonders wichtig.
Schluss mit Patenten
Besonders beim Urheberrecht fordern die Piraten eine Neuregelung. So ist die Partei gegen so genannte "Patente" auf Leben, Geschäftsmodelle und Software. Mit Patenten schützen Forscher oder Unternehmen ihre Erfindungen davor, dass andere sie ohne Bezahlung nutzen oder nachmachen. Wenn ein anderer ein Patent, also eine neue Erfindung, nutzen will, muss er an den Erfinder Geld zahlen.
So arbeiten zum Beispiel beim US-Softwarekonzern Microsoft tausende Forscher an Computerprogrammen. Diese Programme verkauft Microsoft auf der ganzen Welt und mit einem Teil des Geldes werden die Mitarbeiter bezahlt. Das restliche Geld ist der Gewinn des Unternehmens. Wenn jemand die Programme nachmacht wird er von Microsoft verklagt und muss eine Strafe bezahlen.
Die Piraten wollen diese Patente abschaffen, weil sie nach Ansicht der Partei die Forschung behindern - denn Patente veralten schnell, weil sie wegen der Genehmigungen und Nachforschungen, ob Patente verbotenerweise genutzt werden, sehr teuer sind. Diese Kosten muss der Verbraucher bezahlen. Außerdem zwingen teure Patente kleine Unternehmen dazu, billige und meist schlechte Software zu verwenden. Somit helfen solche Regelungen den großen Konzernen und schaffen Monopole.
Musik und Filme legal kopieren
Aber nicht nur in der Industrie wollen die Piraten das Urheberrecht ändern oder abschaffen. Auch beim so genannten "geistigen Eigentum" an künstlerischen Produkten wie Musik, Filmen, Bildern oder Texten wollen die Piraten Änderungen. So will die Partei, dass das Kopieren von CDs und DVDs nicht mehr strafbar ist. Der Kopierschutz soll deshalb abgeschafft werden, denn er diene nur der Industrie. Diese wirtschaftlichen Interessen halten die Piraten für unmoralisch. Außerdem habe sich gezeigt, dass der Kopierschutz umgangen werden könne und Verbote daran nichts ändern könnten. Das sollten die Musik- und Filmkonzerne einsehen und den Kopierschutz beenden. Vielmehr sollten die Chancen der allgemeinen Verfügbarkeit von Werken wie Filmen und Musik erkannt und genutzt werden. Daher fordern die Piraten, das nicht-kommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu erlauben, sondern es im Gegenteil zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern. Nur so könne unsere Gesellschaft sozial, technisch und wirtschaftlich weiterentwickelt werden. Auch bei Büchern wollen die Piraten Änderungen. So sollen nach zehn Jahren die Autoren keine Lizenzgebühren mehr für ihre Werke erhalten. Bisher ist die Frist 70 Jahre nach dem Tod des Autors.
Die Piraten setzen sich weiterhin für die Einführung eines so genannten "bedingungslosen Grundeinkommens" in Deutschland ein. Dieses Einkommen soll jeder Bürger bekommen, ohne dass daran irgendwelche Bedingungen oder eine berufliche Tätigkeit geknüpft sind. Über die Höhe hat die Partei noch keinen Beschluss gefasst. Die Partei will dafür extra eine Kommission im Bundestag einrichten - gemeint ist eine Gruppe von sachverständigen Leuten, die darüber beraten sollen, wie dieser Vorschlag tatsächlich umgesetzt werden kann. Außerdem sind die Piraten für einen gesetzlichen Mindestlohn und die Einschränkung der Leiharbeit. Dadurch soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer ausgebeutet werden und sehr wenig Geld für ihre Arbeit erhalten. Im Bildungsbereich lehnt die Partei Studiengebühren ab, so dass jeder unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten ein kostenloses Studium beginnen kann. Zu vielen Themen haben die Piraten hingegen noch gar keine Position. Sie sagen, dass sie darüber erst beraten müssten.
Sind die Piraten rechts oder links?
Viele Leute stellen sich die Frage, wie man die Piraten in der "Parteienlandschaft" eigentlich einordnen soll. Sind die Piraten eine linke oder eine rechte Partei - oder weder noch? Wenn man die Ziele der Partei anschaut, dann findet man Inhalte aus beinahe allen Parteien. Im Ergebnis haben die Piraten aber immer noch die meisten Gemeinsamkeiten mit den Grünen und der Linken. Die Piraten selbst finden diese Frage nicht mehr zeitgemäß und sagen, dass sie weder links noch rechts seien. Dazu passt dann auch die Aussage, dass sie im Parlament (also der Volksvertretung, wo die abgeordneten Politiker sitzen) nur nach Sachfragen abstimmen wollen und nicht nach politischer Richtung. So könnten sich die Piraten vorstellen, sowohl einem Gesetzentwurf der CDU zuzustimmen als auch Forderungen der Linkspartei zu unterstützen.
Kritik an den Piraten
Die Partei hat, obwohl sie so jung ist, auch schon eine Menge Kritik einstecken müssen. So werfen ihr manche Leute vor, dass sie gar kein richtiges Programm habe und allen alles verspreche. Außerdem konzentriere sich die Partei auf einseitige Themen, die meist mit dem Internet und zu wenig mit dem "wirklichen Leben" zu tun hätten. Zu vielen sehr wichtigen Themen in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft, Armut, Menschenrechte und Völkerkonflikte hätten die Piraten überhaupt keine Lösungsvorschläge - etwa für die Banken- und Euro-Krise, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr oder das Betreuungsgeld, so die Kritiker.
Hinzu kamen in den letzten Monaten einige Äußerungen von führenden "Piraten", die als rechtsextremistisch ausgelegt wurden. So hatte ein Mitglied der Piratenpartei in einem Internetforum geschrieben, dass er das Buch eines verurteilten Antisemiten über den Holocaust, also den Judenmord der Nationalsozialisten, gut fände. Das warf die Frage auf, ob es bei den Piraten Neonazis gibt. Für weitere Empörung sorgte das Piraten-Mitglied Martin Delius, der den Erfolg der Piraten mit dem der Nazipartei NSDAP verglichen hatte. Delius sagte: "Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933." Danach entschuldigte sich Delius für diese Aussage und zog seine Kandidatur für den Posten des politischen Geschäftsführers der Partei zurück. Um die Diskussionen um rechtsradikale Aussagen einzelner Mitglieder zu beenden, haben die Piraten sich nochmals beim Parteitag im April 2012 gegen jegliche rechtsradikale Tendenzen ausgesprochen.
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