04.01.2012
Das deutsche Staatsoberhaupt, Bundespräsident Christian Wulff, steht immer stärker in der Kritik. Der CDU-Politiker hat in seiner Zeit als Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen zu enge Verbindungen zu reichen Unternehmern gehabt und wichtige Informationen verschwiegen. So haben die Geschäftsleute Wulff viel Geld geliehen und er soll auch in ihren Privatvillen Urlaub gemacht haben. Der Zeitung, die darüber berichten wollte, drohte Wulff sogar mit einer Klage. Der Druck auf den Bundespräsidenten wächst und immer mehr Menschen fordern seinen Rücktritt.
Wulff wollte sich im Jahre 2008 ein neues Haus für 415.000 Euro kaufen und borgte sich deshalb eine halbe Million (500.000) Euro von der Ehefrau des Geschäftsmannes Egon Geerkens. Dieser soll Wulff bei der Auswahl der Immobilie unterstützt haben. Es heißt, dass Christian Wulff mit dem Ehepaar Egon und Edith Geerkens seit mehreren Jahren befreundet ist. Im Jahr 2010 sagte Wulff im Niedersächsischen Landtag auf eine Anfrage, dass er keine Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens habe.
Wenige Tage nach dieser Anfrage wollte sich Wulff von einer Bank Geld leihen, um die privat geliehene Geldsumme zurückzuzahlen. Er bekam einen Kredit über 500.000 Euro zu sehr günstigen Bedingungen von der BW-Bank in Baden Württemberg. Geerkens hatte bei dieser Bank für Christian Wulff ein gutes Wort eingelegt, damit Wulff den Kredit bekommt. Mit dem Geld zahlte er die privat geliehenen 500.000 Euro an Edith Geerkens zurück. Dem Vorwurf, den Landtag belogen zu haben, begegnete Wulff mit dem Argument, dass er nach Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens befragt wurde und nicht nach welchen zu dessen Frau. Für Kritiker ist das ein sehr fadenscheiniges Argument und in der Öffentlichkeit verlor Wulff in den vergangenen Wochen zunehmend an Glaubwürdigkeit.
Verstrickungen von Wirtschaft und Politik
Denn: Wenn man sich von jemandem viel Geld leiht, hat man ein besonderes Verhältnis zu dieser Person. So möchte man demjenigen möglichst keine Schwierigkeiten machen oder ist bereit, auch ihm einen Gefallen zu erweisen und eine Gegenleistung zu erbringen. Gerade als wichtiger Politiker wie ein Ministerpräsident hat man besonders viele Möglichkeiten, bestimmten Leuten Vorteile zu verschaffen und politische Entscheidungen zugunsten von Wirtschaftsunternehmen zu treffen.
Rechtswissenschaftler sprechen in solch einem Fall von einem "Interessenkonflikt". Das heißt: Einerseits soll eine Person wie ein Politiker das Interesse haben, Entscheidungen so zu treffen, dass niemand bevorzugt wird. Andererseits ist er geneigt, Freunden oder Personen, denen er etwas schuldet, auch Gefälligkeiten zu erweisen. Wenn ein Politiker gar eine Vereinbarung mit mächtigen Unternehmern trifft, von der beide Seiten einen Vorteil haben und die auch seine politische Arbeit betrifft, wäre das ein Fall von "Korruption", also Bestechlichkeit. Das ist in der Politik höchst bedenklich und widerspricht den Prinzipien einer Demokratie. Ein Politiker soll nämlich vernünftige Entscheidungen im Sinne des Allgemeinwohls treffen, anstatt reiche Geschäftsleute und mächtige Firmen zu unterstützen und sich dadurch eigene Vorteile zu verschaffen.
Enge Kontakte zu reichen Geschäftsleuten
Wulff war zudem unehrlich und wollte seine finanziellen Beziehungen zu der Familie Geerkens einfach verschweigen - denn er wusste wohl, dass man ihm dies zum Vorwurf machen könnte. Nach dem Bericht über den Privatkredit wurde außerdem bekannt, dass Wulff als Ministerpräsident einige Urlaubsaufenthalte in luxuriösen Häusern von reichen Unternehmern verbracht hatte.
Da die Kritik an ihm immer lauter wurde, veröffentlichte Wulff am 18. Dezember 2011 eine Liste mit insgesamt sechs Urlaubsreisen, die er von 2003 bis 2006 bei befreundeten Unternehmern verbrachte, darunter auch im Privathaus der Familie Geerkens. Wulff ließ durch einen Sprecher erklären, die Urlaube hätten keinen Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern gehabt. Am 19. Dezember 2011 wurde bekannt, dass ein weiterer befreundeter Unternehmer von Christian Wulff, der umstrittene Geschäftsmann Carsten Maschmeyer, Werbeanzeigen für ein Buch von Wulff bezahlt hatte. Wulff behauptete daraufhin, dass er von diesen Zahlungen nichts gewusst habe. Das halten aber nur wenige für glaubhaft - für Kritiker ist es hingegen naheliegend, dass Maschmeyer dem Politiker geholfen hat, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen.
Unehrlichkeit und Drohungen
Der Skandal um Wulff weitete sich aber immer weiter aus. Am 1. Januar berichteten zwei Zeitungen, dass Wulff den Pressebericht über seinen Privatkredit im Dezember unbedingt verhindern wollte. Er hat deshalb am 12. Dezember, dem Tag, bevor der Artikel erschien, beim Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, angerufen und ihm gedroht. So habe er auf den Anrufbeantworter gesprochen, er werde die Zeitung verklagen und den Kontakt zum Verlag komplett abbrechen, falls der Artikel über seinen Privatkredit erscheinen würde. Schließlich kam heraus, dass Wulff auch Mathias Döpfner, dem Chef des Zeitungsverlages "Springer", mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht hat, wenn ein Bericht über seinen Privatkredit erscheinen sollte. Darüber hinaus soll der Bundespräsident einen "Krieg" zwischen ihm und dem Verlag bis zum Ende seiner Amtszeit angekündigt haben.
Angriff auf die Pressefreiheit
In einem Fernsehinterview entschuldigte sich Wulff später für seinen Fehler und betonte, dass er den Bericht nicht komplett habe verhindern wollen, sondern es ihm nur um eine Verzögerung gegangen sei. Doch erneut wird Wulff nun Unehrlichkeit vorgeworfen, denn Bild-Chefredakteur Diekmann widersprach dieser Aussage und bleibt dabei, dass der Bundespräsident mit seinem Drohanruf verhindern wollte, dass Informationen über seinen Privatkredit überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Die Bild-Zeitung schlug vor, Wulffs Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu veröffentlichen, um für Klarheit zu sorgen, doch der Bundespräsident stimmte einer Veröffentlichung nicht zu. Deshalb wird ihm nun erneut Unglaubwürdigkeit vorgeworfen - denn wenn seine Behauptungen der Wahrheit entsprächen, dürfte er auch nichts dagegen haben, wenn seine Nachricht veröffentlicht wird.
Der Druck auf den Bundespräsidenten wächst
Doch scheint mit jedem neuen Tag die Unterstützung aus seiner eigenen Partei schwächer zu werden. Die erste CDU-Politikerin, die einen Rücktritt forderte, war Vera Lengsfeld. Sie sagte am 4. Januar in einem Interview mit dem "Handelsblatt", Wulff sei "endgültig zur Witzfigur" geworden. Die Mehrheit der Bevölkerung könne ihn nicht mehr ernst nehmen. Lengsfeld schlug auch gleich einen Nachfolger für Wulff vor. Der bei der Wahl des Bundespräsidenten gegen Wulff gescheiterte ehemalige Pfarrer Joachim Gauck könne dem Amt die Würde zurückgeben, die es verdient, glaubt Lengsfeld.
Bundespräsident Wulff hält bisher an seinem Amt fest. Es stellt sich jedoch die Frage, ob er dem Druck weiterhin standhalten kann. In den Medien häufen sich die Negativ-Berichte über Christian Wulff und immer mehr Menschen sind empört über das Verhalten des Bundespräsidenten. Denn wer dieses höchste politische Amt in Deutschland bekleidet, sollte eigentlich eine "Vorbildfunktion" haben, statt mit Skandalmeldungen und Unehrlichkeit auf sich aufmerksam zu machen - so die Kritiker. Deshalb fordern immer mehr Bürger den Rücktritt des mittlerweile stark umstrittenen Politikers.

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