Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine

Teil 1 von 5

08.06.2012

In Polen und der Ukraine findet vom 8. Juni bis zum 1. Juli die Fußball-Europameisterschaft statt. Wie schon einige Turniere zuvor wird auch diese EM in zwei Ländern gleichzeitig abgehalten. Erstmals findet das Turnier im Osten von Europa statt. Wir dürfen gespannt sein, welche National-Teams weiterkommen und wer am Ende der neue Fußball-Europameister 2012 sein wird.

Viele Menschen sind schon im Fußball-Fieber und freuen sich auf die Spiele der EM 2012, die vom 8. Juni bis zum 1. Juli in Polen und der Ukraine abgehalten wird. (Quelle: Hans-Peter Reichartz/ pixelio.de)

Die deutsche Nationalmannschaft zählt neben den Teams aus Spanien und den Niederlanden zu den engsten Favoriten im Kampf um die EM-Krone. Nach dem guten Abschneiden bei der WM 2010 in Südafrika, bei der sich die Deutschen den 3. Platz sicherten, und der besten Qualifikation zu einer Fußball-EM aller Zeiten (in insgesamt zehn Spielen ging Deutschland zehn Mal als Sieger vom Platz), darf sich Trainer Joachim Löw zu Recht gute Chancen auf den Titel ausrechnen.

Insgesamt werden 16 Teams um den EM-Pokal "Coupe Henri Delaunay" kämpfen. Delaunay war ein französischer Fußballspieler und später Chef der UEFA, des europäischen Fußballverbandes. Schon im Jahre 1927 hatte er die Idee, eine Meisterschaft mit den besten Mannschaften Europas durchzuführen. Die erste Fußball-EM gab es aber erst 1957, drei Jahre nach dem Tod Delaunays. Ihm zu Ehren trägt der EM-Pokal noch heute seinen Namen.

Die 16 Nationalmannschaften sind in vier Gruppen mit jeweils vier Mannschaften eingeteilt. Deutschland startet in Gruppe B und muss sich in der so genannten Gruppenphase zuerst mit den Mannschaften aus den Niederlanden, Dänemark und Portugal messen. Die zwei besten aus jeder Gruppe kommen weiter und ziehen dann ins Viertelfinale ein. Von da ab wird im "KO-System" gespielt - das heißt, nur der Gewinner der jeweiligen Partie kommt weiter, der Verlierer scheidet aus. Das Finale des größten europäischen Sportereignisses findet dann am 1. Juli im Olympiastadion in Kiew statt (den kompletten Spielplan der EM 2012 findest du hier).

Die Gruppen:
Gruppe A:
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien
Gruppe B:
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal
Gruppe C:
Spanien
Italien
Irland
Kroatien
Gruppe D:
Frankreich
England
Ukraine
Schweden

Der Gastgeber Polen

Das Nationalstadion in Warschau bietet Plätze für 58.800 Zuschauer und wurde extra für die EM 2012 erbaut. Es verfügt über ein schließbares Zeltdach. (Quelle: Wikipedia, Urheber: Mateusz Wlodarczyk, Lizenz: Creative Commons-Lizenz 3.0 Deutschland, CC BY-SA 3.0)

Die EM-Städte in Polen sind Warschau, Gdansk, Poznan und Wroclaw. Die Stadien in der Hauptstadt Warschau und in Gdansk wurden neu erbaut, die zwei anderen Stadien wurden für das Turnier umgebaut. Polen ist sehr stolz, erstmals in seiner Geschichte eine Fußball-EM ausrichten zu dürfen. Dabei gehört der polnische Fußball gegenwärtig nicht gerade zur europäischen Spitze. In der Europa-Liga oder der Champions League sucht man polnische Spitzenteams vergeblich. Hier hat eindeutig Westeuropa das Sagen. Auch die polnische Nationalmannschaft war in den letzten Jahren bei großen Turnieren nicht sonderlich erfolgreich. Gehörten polnische Fußballer in den 70er oder 80er Jahren zu den besten in Europa, ist es in den letzten Jahren eher still um die Nationalelf geworden. In der Weltrangliste belegt Polen derzeit den 62. Platz.

Die besten polnischen Fußballer zieht es auch eher ins Ausland, weil man dort mehr Geld verdienen kann. In der Bundesliga gehören polnische Fußballer zu den besten Spielern. Allein beim Deutschen Meister Borussia Dortmund spielen mit Robert Lewandowski, Jakub Blaszczykowski und Lukasz Piszczek drei polnische Nationalspieler. Und auch in der deutschen Nationalmannschaft spielen Profi-Fußballer mit polnischen Wurzeln: Lukas Podolski und Miroslav Klose wurden beide in Polen geboren und kamen erst später nach Deutschland.

In der letzten Zeit geriet der polnische Fußball mehrfach in die negativen Schlagzeilen. Zum einen ging es um die polnischen Fußball-Rowdies, die durch ihre Gewaltbereitschaft Aufsehen erregten, und zum anderen sorgte eine große Korruptionsaffäre im polnischen Fußballverband für Empörung. Gewaltbereite Fußballfans, so genannte Hooligans, sind in allen Fußballstadien der Welt ein Problem. In Polen hat das Thema Gewalt im Stadion aber eine besondere Dimension. Bei Hooligan-Schlägereien am Rande von Spielen in der polnischen Liga gab es in den letzten Jahren sogar Tote. Inzwischen haben die Verantwortlichen dazugelernt. So wurden Fan-Partnerschaften zwischen verschiedenen Vereinen gegründet und die Zusammenarbeit mit der Polizei verbessert.

Der 27-jährige deutsche Fußballprofi Lukas Podolski ist in Polen geboren und spielte bereits bei der EM 2004 in Portugal für das deutsche Nationalteam. (Quelle: Steindy (talk), Wikimedia Commons)

Für die jetzige EM hat die polnische Polizei besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen. So sollen an den Grenzen Fußballfans besonders gründlich kontrolliert werden. Mit Hilfe von Computerdatenbänken sollen schon an der Grenze gefährliche Fans ausfindig gemacht werden können. Außerdem sorgen zusätzliche 10.000 Polizisten für mehr Sicherheit in und um die EM-Stadien. Sie werden dabei von etwa 150 ausländischen Sicherheitskräften unterstützt, die Erfahrungen mit gewalttätigen Fußballfans haben.

Viel Wirbel gab es auch um einen Bestechungsskandal im polnischen Fußballverband. Über Jahre gab es in den drei Profiligen Spielabsprachen. Für viel Geld einigte man sich heimlich vor Spielbeginn über das Endergebnis. Im Zuge der Ermittlungen wurden bisher über 200 Personen verurteilt, unter ihnen auch der Dortmund-Spieler Piszczek. Selbst Verbandspräsident Grzegorz Lato selbst steht unter Verdacht. Er soll für Baumaßnahmen Schmiergeld kassiert haben.

Steckbrief zu Polen

Größe: 312.683 km²
38,2 Mio. Einwohner
Hauptstadt: Warschau (1,7 Mio. Einwohner)
Bruttoinlandsprodukt 2010: 354 Mrd. Euro
Durchschnittseinkommen: 800 Euro

Nationalstadion Warschau: Neubau, 58.000 Plätze, Kosten: 375 Mio. Euro
Arena Gdansk: Neubau, 41.582 Plätze, 193 Mio. Euro
Städtisches Stadion Poznan: modernisiert, 53.090 Plätze, 147 Mio. Euro
Städtisches Stadion Wroclaw: Neubau, 42.771 Plätze, 211 Mio. Euro

Der Gastgeber Ukraine

Die Donbass Arena in Donezk ist eine der vier Austragungsorte in der Ukraine. Das Stadion bietet 51.500 Zuschauern Platz. (Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: gemeinfrei)

Auch die Ukraine ist im EM-Fieber. Die vier Spielorte sind Kiew, Lwiw, Charkow und Donezk. Die Ukraine ist nach Russland das zweitgrößte Land Europas und fast doppelt so groß wie Deutschland. Die Stadien in Lwiw und Donezk sind mit über 1.000 Kilometern am weitesten voneinander entfernt. Im europäischen Fußball spielt auch die Ukraine keine führende Rolle. Auf der FIFA-Weltrangliste rangiert die Nationalelf aber noch vor Polen und belegt den Platz 52. In der Champions League konnten sich die ukrainischen Spitzenteams Schachtjor Donetsk oder Dynamo Kiew nicht qualifizieren.

Die Ukraine gehört zu den armen Ländern Europas. Die meisten Ukrainer können sich keine Eintrittskarte für eines der Spiele leisten. Offiziell kosten die billigsten EM-Karten etwa 30 Euro. Auf dem Schwarzmarkt sind sie aber bis zu zehnmal teurer. Für viele Ukrainer, die im Durchschnitt 220 Euro im Monat zum Leben haben, bleibt daher nur der Fernseher. Trotzdem die Ukraine zu den eher armen europäischen Staaten gehört, wurde vor Beginn der Europameisterschaft viel Geld ausgegeben. Allein die Baumaßnahmen für die vier EM-Stadien verschlangen Millionen Euro. Viele Experten kritisieren, dass ein Großteil des Geldes der Steuerzahler dabei in private Taschen floss. So kostete der Umbau des Olympiastadions in Kiew fast 600 Millionen Euro. Das ist anderthalb Mal so viel, wie der Neubau der Münchner Arena für den FC-Bayern kostete. Insgesamt wird die EM das Land etwa 11,5 Milliarden Euro kosten.

Ein großes Problem in der Ukraine ist die Korruption, also die Zahlung von Bestechungsgeld, um bestimmte Ziele zu erreichen. Laut der Anti-Korruptions-Agentur "Transparency International" ist die Ukraine das korrupteste Land von ganz Europa. Zwanzig Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion ist die Ukraine fest in der Hand einiger weniger extrem reicher Leute. Sie bestimmen, was in der Politik, der Wirtschaft und nicht zuletzt im Sport passiert. Auch bei der Vergabe der EM an Polen und die Ukraine sollen diese so genannten "Oligarchen", also die wenigen Superreichen, ihre Hände im Spiel gehabt haben.

Kurz vor dem Turnier geriet die Ukraine politisch in den Blick der Öffentlichkeit. Die wegen Korruption verhaftete ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko nutzte die Aufmerksamkeit für die Ukraine im Vorfeld der Europameisterschaft, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Timoschenko wurde wegen Unterschlagung von staatlichen Geldern und Amtsmissbrauch zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Sie behauptet, ihr sei der Prozess gemacht worden, weil sie dem jetzigen Präsidenten Janukowitsch im Weg stehe. Viele ihrer Landsleute, die die Bestechung jeden Tag am eigenen Leib erfahren, glauben, dass Timoschenko zu Recht im Gefängnis sitzt.

Die ukrainische Politikerin Julia Timoschenko sitzt seit 2011 in Haft. Sie nutzte die öffentliche Aufmerksamkeit im Vorfeld der EM, um auf ihre Situation und die Haftbedingungen aufmerksam zu machen. (Quelle: http://maidan.org.ua, Wikimedia Commons)

Im Westen protestierten dagegen viele Politiker gegen das Urteil und sind der Ansicht, dass das Verfahren gegen Timoschenko nicht fair abgelaufen ist. Auch die Haftbedingungen im Gefängnis werden scharf kritisiert: So hat Timoschenko seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme und angemessene medizinische Behandlungen sollen ihr vorenthalten worden sein. Ende April 2012 trat Timoschenko aus Protest in einen Hungerstreik, den sie erst drei Wochen später beendete. Sie wurde in ein Krankenhaus in Charkiw gebracht und dort von einem deutschen Arzt behandelt.

Einige westliche Politiker erklärten, aus Protest nicht zu den Fußballspielen in der Ukraine zu fahren, manche forderten sogar einen Boykott der EM. Ein Boykott bedeutet, dass sich einzelne Staaten oder Mannschaften als Druckmittel entschließen, nicht an einer Veranstaltung teilzunehmen. Boykotts von Sportwettkämpfen gab es zuletzt während der Zeit des Kalten Krieges in den 80er Jahren. So nahmen an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau einige westliche Staaten nicht teil. Der Grund war der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan. Vier Jahre später boykottierten dann die Ostblock-Staaten die Olympischen Spiele in Los Angeles in den USA. Kritiker von Boykotten, wie der deutsche IOC-Chef Bach oder der Ex-DFB-Boss Zwanziger, sind der Ansicht, solche Maßnahmen hätten sich stets als sinn- und erfolglos erwiesen. Sport müsse "politisch neutral" sein, denn nur dann könne er dazu beitragen, dass nicht Mauern gebaut, sondern Brücken errichtet würden.

Steckbrief zur Ukraine

Größe: 603.700 km²
46,6 Mio. Einwohner (78 Prozent Ukrainer, 17 Prozent Russen)
Hauptstadt: Kiew (2,7 Mio. Einwohner)
Bruttoinlandsprodukt 2011: 118,4 Mrd. Euro
Durchschnittseinkommen: 220 Euro

Olympiastadion Kiew: modernisiert, 70.050 Plätze, Kosten 585 Mio. Euro
Arena Lwiw: Neubau, 34.915 Plätze, 220 Mio. Euro
Metalist Stadio Charkiw. modernisiert, 41.307 Plätze, 50 Mio. Euro
Donbass Arena Donezk: Neubau, 51.504 Plätze, 175 Mio. Euro

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letzte Aktualisierung: 08.06.2012

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