von Katharina Hahn
Bei einer Volkszählung ermittelt ein Staat verschiedene statistische Daten über die Bevölkerung, die in diesem Land lebt - zum Beispiel über ihr Alter, ihren Wohnort oder ihren Beruf. Manchmal wird dieser Vorgang auch "Zensus" genannt oder, im Gegensatz zum so genannten "Mikrozensus", bei dem nur einzelne oder regionale Daten erhoben werden, auch "Makrozensus". Denn das lateinische Wort "census" bedeutet "Schätzung" oder "Zählung" und das altgriechische Wort "makros" heißt übersetzt "groß" oder "weit". Da eine solche Volkszählung staatlich angeordnet wird, sind alle Bürger verpflichtet, die geforderten Angaben zu machen. Aber was ist der Sinn von Volkszählungen und warum sehen einige Menschen sie kritisch?
Volkszählungen sind schon aus der Antike bekannt, zum Beispiel im alten Ägypten, China und Römischen Reich wurden Zählungen, meist der männlichen, waffenfähigen Bevölkerung oder zur Steuerschätzung, durchgeführt. Auch im alten und neuen Testament der Bibel werden Volkszählungen erwähnt und beschrieben. Im Mittelalter gab es nur wenige, sehr unzuverlässige Bevölkerungszählungen. So versuchte die Stadt Nürnberg 1449 ihre Bevölkerung zu zählen. Oder man zählte die Anzahl der Feuerstellungen und schätze die Gesamtbevölkerung, indem man die Anzahl der durchschnittlichen Personen pro Feuerstelle mit deren Anzahl multiplizierte. Das wichtigste Mittel, um einen Überblick über die Bevölkerung im Mittelalter und der frühen Neuzeit zu erhalten, sind deshalb die Kirchenbücher, in denen die Priester über die "Seelen", also die geborenen und gestorbenen Menschen, und über Hochzeiten und Taufen in ihren Gemeinden Buch führten.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts begannen die meisten europäischen und nordamerikanischen Länder, regelmäßige Volkszählungen einzuführen. In den USA ist dies sogar laut Verfassung alle zehn Jahre vorgeschrieben. 1816 fand die erste allgemeine Volkszählung in Preußen statt. Zu Beginn führte der Deutsche Zollverein die Zählungen alle drei Jahre durch, um seine Einnahmen entsprechend der Bevölkerungszahlen gerecht unter den Mitgliedsländern zu verteilen. Im Deutschen Reich fanden alle fünf Jahre Zählungen statt. Während des Ersten Weltkriegs dienten zwei Zählungen, die jeweils im Dezember 1916 und 1917 stattfanden, der Lebensmittelverteilung, da Nahrungsmittel während des Krieges knapp waren. Während des Dritten Reichs wurden in Deutschland 1933 und 1939 sehr detaillierte Daten erhoben. Für Juden, so genannte "Mischlinge" und Ausländer gab es "Ergänzungskarten", die zusätzlich ausgefüllt werden mussten - sie dienten dazu, die spätere Deportation der Bevölkerungsgruppen, die von den Nazis verfolgt wurden, in Konzentrationslager zu organisieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der anschließenden Teilung Deutschlands fanden in beiden deutschen Staaten unregelmäßig Volkszählungen statt - die letzte in der DDR 1981 und in der BRD 1987.
Die Volkszählung 1987 war eigentlich schon für das Jahr 1981 geplant. Mehrere Volksinitiativen riefen aber zur Verweigerung der Volkszählung auf, da sie Bedenken gegen die detaillierten Fragebögen hatten und den Schutz der persönlichen Daten nicht gewährleistet sahen. So verbot das Bundesverfassungsgericht die Zählung und es mussten neue Befragungsbögen entworfen werden. Das Gericht formulierte in seinem Urteil das "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung" - das heißt, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, selbst darüber zu entscheiden, wer welche Informationen über ihn haben darf. Die Zählung konnte dann 1987 stattfinden, trotzdem wurde sie von größeren Gruppen der Bevölkerung verweigert oder die Befragten füllten die Bögen bewusst falsch aus. Nach der Wiedervereinigung 1990 fand die ein Jahr später geplante Volkszählung nicht statt - zum einen aus finanziellen Gründen, aber auch, weil weite Teile der Bevölkerung und viele Parteien und Politiker den Zählungen sehr skeptisch gegenüberstanden.
Doch in Zukunft sollen alle zehn Jahre europaweite Volkszählungen durchgeführt werden. Das erste Mal fand eine solch große Zählung, an der verschiedene europäische Länder beteiligt waren, 2000/2001 statt, an dieser nahm Deutschland jedoch nicht teil. Meist werden Volkszählungen mit Hilfe von Fragebögen durchgeführt. In der Schweiz wurden die Daten im Jahr 2000 erstmals über das Internet erhoben. In Skandinavien werden schon lange über Register statistische Daten erhoben, so dass es in diesen Ländern ausreicht, diese Register abzugleichen. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine Steuernummer für jeden Bürger, so dass nicht mehr alle Bürger einzeln befragt werden müssen und die Registerzählung eine gute Grundlage bildet.
2011 fand auf dieser Grundlage eine erste gesamtdeutsche Volkszählung statt - denn von der Europäischen Union wurde angeordnet, dass alle Mitgliedsstaaten eine solche Zählung durchführen sollten. In Deutschland wurden die Register aus den Gemeinden und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Diese Ämter haben nämlich bereits viele entscheidende Daten der Bürger dokumentiert - dem Einwohnermeldeamt liegen die Informationen über den Wohnort und das Alter aller Bürger vor und dem Arbeitsamt, ob jemand einer beruflichen Tätigkeit nachgeht oder arbeitslos ist. Auch Wohnungseigentümer wurden zu ihren Immobilien befragt. Nur zehn Prozent der Bevölkerung wurden persönlich interviewt. Zudem wurden bestimmte Einrichtungen wie Pflegeheime und Gefängnisse befragt. Diese Art der Datenerhebung ist kostengünstiger als die Befragung aller Bürger und trotzdem genau genug, um sie für Berechnungen zur Steuer und andere Zwecke zu nutzen. Sie können auch eine nützliche Grundlage sein, wenn es zum Beispiel um die Planung von neuen Straßen, Versorgungssystemen, Wohnbauten, Bildungseinrichtungen und Ähnlichem geht. Auch kann es sein, dass die aktuellen Zahlen zu neuen Einteilungen bei den Wahlkreisen für die Bundestagswahlen oder im Bundesrat führen. Sehr viele Zahlen und Berechnungen hängen von der genauen Einwohnerzahl ab.
Auch bei der Erhebung 2011 gab es Kritik - jedoch bei weitem nicht in dem Ausmaß wie noch in den 1980er Jahren. Wieder ist vor allem der Datenschutz der einzelnen Menschen ein Hauptangriffspunkt. Dass Daten von verschiedenen staatlichen Stellen in einer Kartei zusammengeführt werden, sorgte für Unmut - vor allem, dass mehr Daten erhoben wurden, als von der Europäischen Union verlangt wurde. So wurden zum Beispiel Fragen zur Religionszugehörigkeit gestellt, was zu erheblicher Kritik führte. Persönliche Daten werden in einem demokratischen Land wie Deutschland gesetzlich geschützt - das heißt, sie dürfen nicht einfach ohne Erlaubnis verwendet oder weitergegeben werden. Viele Menschen sehen es deshalb sehr problematisch, wenn ihre persönlichen Daten gespeichert werden und haben Angst, dass sie auch für andere Zwecke genutzt oder an Dritte herausgegeben werden könnten. Auch das Stehlen von Daten ist eine Gefahr. So könnten zum Beispiel digitale Speichersysteme gehackt werden und fremde Personen unerlaubt auf persönliche Daten zurückgreifen.
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