von Britta Pawlak - 06.05.2011
Am 7. Mai 2011 wäre der weltbekannte schottische Philosoph David Hume 300 Jahre alt geworden. Sein Denken ist vom Zeitalter der Aufklärung geprägt: Vorurteilen und dem Glauben an übernatürliche Phänomene wird zunehmend die menschliche Vernunft entgegengestellt. Hume befasst sich vor allem mit der Frage, was wir über die Welt sagen und wissen können. Er rückt die Erkenntnis, die wir aus Beobachtungen und Erfahrungen gewinnen, in den Mittelpunkt seiner Philosophie.
David Hume wurde am 7. Mai 1711 als jüngstes von drei Kindern einer adeligen, aber nicht besonders wohlhabenden Familie in Edinburgh geboren und wuchs in dem schottischen Ort Ninewells auf. Der kleine David wurde nach den Vorstellungen des "Calvinismus" erzogen - das ist eine auf Johannes Calvin zurückgehende christliche Bewegung, die die Heiligkeit Gottes betont: Vom Menschen wird gefordert, seine Sünden stets aufs Neue auszumachen und zu bekämpfen.
Im Alter von 15 Jahren begann er auf Drängen seiner Familie ein Studium der Rechtswissenschaften in Edinburgh, sein Interesse galt allerdings viel mehr der Philosophie und Literatur. David entwickelte eine Vorliebe für Schriftsteller und Denker des Altertums - so beschäftigte er sich mit dem antiken Ideal der Gelassenheit und Seelenruhe, das insbesondere die alte Philosophieschule der Stoiker in den Mittelpunkt stellte. Doch weder in der calvinistischen Lehre eines strengen und enthaltsamen Lebens noch im stoischen Gleichmut fand Hume die Antwort auf seine Fragen, Selbstzweifel und seelischen Probleme - immer wieder litt er an Depressionen, Unausgeglichenheit und körperlichen Beschwerden. Hume brach sein Studium im Jahr 1729 ab und kehrte in seine Heimat Ninewells zurück, um sich verstärkt philosophischen Fragen zu widmen.
Insbesondere befasste er sich mit den britischen Philosophen Francis Bacon und Isaac Newton, die als Vorreiter der modernen Naturwissenschaften gelten, sowie mit John Locke und George Berkeley, die zu den wichtigen Vertretern der Aufklärung zählen. Er setzte sich mit der wissenschaftlichen Methode auseinander, die ihre Schlüsse über die Welt mittels Experimenten und Beobachtungen zieht. Im Gegensatz zur calvinistischen Überzeugung sehen die britischen Aufklärer den Menschen nicht einfach als sündhaftes Wesen, das im ständigen Kampf mit dem Bösen steht, sondern er ist für sie mit einem moralischen Sinn ausgestattet.
Was können wir über die Welt wissen?
Schon seit einiger Zeit plante David Hume, eine umfassende philosophische Schrift zu verfassen. Die Zeit zwischen 1735 und 1737 verbrachte er in Frankreich in Reims und La Flèche, wo er sein erstes großes Werk mit dem Namen "Ein Traktat über die menschliche Natur" schrieb. Die strengen Glaubensregeln des Calvinismus sah Hume immer kritischer und fragte sich, ob es richtig ist, das natürliche Wesen und die Neigungen des Menschen, die vom christlichen Glauben als lasterhaft und schlecht angesehen werden, grundsätzlich zu verdrängen und zu verleugnen.
In seinem Werk legt er dar, dass man sich auf Erkenntnisse aus Beobachtungen stützen sollte, anstatt sich mit "metaphysischen" - das bedeutet, für die menschlichen Sinne nicht fassbaren - Vermutungen zu befassen. Damit widerspricht er den Vertretern des so genannten "Rationalismus" (vom lateinischen Wort "ratio", das "Vernunft" bedeutet), die daran glauben, dass es Wahrheiten gibt, die der Vernunft unmittelbar zugänglich sind - das heißt, ohne dass diese auf einer Erfahrung beruhen. Damit meinen sie zum Beispiel, dass die Existenz Gottes oder die Unsterblichkeit der Seele unbestreitbar sind, obwohl wir uns hierbei nicht auf Erfahrungswissen stützen können. Das Denken Humes steht dagegen in der Tradition des britischen "Empirismus" (vom lateinischen Wort "empiricus", was so viel wie "der Erfahrung folgend" bedeutet): Mit reiner Vernunft können keine gesicherten Aussagen über die Welt getroffen werden. All unsere Erkenntnis kann sich nur auf solches Wissen gründen, das wir aus der Erfahrung durch unsere Sinne beziehen, sagen die Empiristen.
Doch auch die Erkenntnis durch Erfahrung hat nach Hume ihre Grenzen: So warnt der Philosoph beispielsweise davor, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen, nur weil wir wiederholt beobachten, dass zwei bestimmte Phänomene aufeinanderfolgen. Damit wendet sich David Hume vom reinen Empirismus ab und dem "Skeptizismus" (vom altgriechischen "sképsis", das etwa "kritische Untersuchung" bedeutet) zu - das heißt, er zweifelt an, dass es überhaupt sichere Erkenntnisse über die Welt geben kann. Sein erstes Werk fand jedoch wenig Beachtung. Auch Humes Bestrebungen, einen Lehrstuhl an der Universität von Edinburgh zu erlangen, scheiterten.
Neuanfang und die letzten Jahre
Der Philosoph fasste den Entschluss, seine bisherigen geistigen Forschungen grundlegend zu überarbeiten und ein neues Werk zu schreiben. Ab 1746 arbeitete David Hume zwei Jahre lang als Sekretär für den britischen General St. Clair, den er auch auf militärische und diplomatische Missionen an die französische Küste, nach Wien und Turin begleitete. Diese Tätigkeit verhalf ihm dazu, ein gewisses Vermögen anzusparen, um sich für einige Jahre aus dem Berufsleben zurückziehen und wieder seinen philosophischen Arbeiten nachgehen zu können.
Hume zog erneut nach Ninewells zurück und beendete bereits im Jahr 1748 ein weiteres philosophisches Werk, das später unter dem Titel "Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" berühmt werden sollte. Im Zentrum steht auch hier die Frage nach Erkenntnis, außerdem setzt Hume sich ausführlich und kritisch mit der Religion auseinander. Er plädiert für die Ausrichtung am gesunden Menschenverstand - auf die Vorstellung einer letztgültigen Sicherheit und Erkenntnis müsse allerdings verzichtet werden.
Ab 1752 war der Philosoph für fünf Jahre als Bibliothekar in Edinburgh tätig und begann mit der Ausarbeitung eines sechsbändigen Werks über die Geschichte Großbritanniens. Diese historische Schrift war für Hume der Durchbruch und verhalf ihm zu einem gewissen Ruhm und Reichtum. Im Jahr 1763 kam David Hume als Sekretär des Grafen von Hertford nach Paris und lernte den bekannten Genfer Philosophen und Naturforscher Jean-Jacques Rousseau kennen. Dieser begleitete ihn nach England, doch die Freundschaft war zunehmend von Misstrauen geprägt und ging bald auseinander. Hume wurde im Jahr 1767 Unterstaatssekretär, zog sich aber schon nach zwei Jahren aus dem Berufsleben zurück. Nach einer längeren Krankheit starb der große Denker am 25. August 1776 in Edinburgh.
Die menschliche Erkenntnis und ihre Grenzen
Da all unsere Erkenntnis auf sinnlicher Wahrnehmung beruht, ist Hume der Ansicht, dass man keine wirklichen Aussagen über die Dinge der "Außenwelt" - wie die Gegenstände, die wir um uns herum sehen - treffen können. Auch Gott könne mit unserer Vernunft nicht erfasst und sein Dasein und Wirken nicht bewiesen werden.
Hume unterscheidet zwischen verschiedenen Arten des Wahrnehmens: Zum einen direkte "Eindrücke" (englisch "impressions") und zum anderen "Vorstellungen" (englisch "ideas") als Eindrücke, die unser Gedächtnis bereits gespeichert hat - diesen liegen auch Sinneserfahrungen zugrunde, die wir allerdings mittels unserer Einbildungskraft neu formen und bewerten. So können wir wiederum eine Verbindung zwischen verschiedenen Vorstellungen herstellen, und zwar durch drei Arten von "Assoziationen": durch Ähnlichkeit, räumliche und zeitliche Nähe und eine Ursache-Wirkung-Beziehung.
Sehen wir zum Beispiel einen Menschen auf der Straße, denken wir vielleicht an einen Bekannten, der ihm ähnlich sieht. Besuchen wir einen Ort, an dem wir schon einmal waren, fallen uns automatisch vergangene Ereignisse ein, die wir dort erlebt haben. Und ein Beispiel für die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung: Setzt sich ein Gegenstand - wie eine Billardkugel - in Bewegung, weil er durch einen anderen angestoßen wird, folgern wir daraus, dass die Bewegung (als Wirkung) durch den Stoß (als Ursache) hervorgerufen wurde. Doch die Annahme von einer solchen Verbindung ist nach Hume nichts weiter als eine Deutung unsererseits, zu der wir aus Gewohnheit gelangen, und kann noch lange nicht bewiesen werden. Laut David Hume kann also eine ursächliche Verbindung (aus A folgt B) weder aus der Vernunft noch aus der Erfahrung hergeleitet werden.
Dieser kritische Standpunkt Humes ist entscheidend, denn er stellt auch die wissenschaftliche Methode in Frage, nach welcher Beobachtung und Erfahrung als Grundlage für gesichertes Wissen herangezogen werden. Gefühl und menschlicher Instinkt werden von David Hume nicht zugunsten der Vernunft abgewertet, sondern haben durchaus ihre Berechtigung und Bedeutung. So können und müssen wir in vielen Fällen auf unser Gefühl, das von Eingebungen und Gewohnheiten bestimmt wird, hören und beispielsweise darauf vertrauen, dass die Sonne - wie bisher jeden Morgen - stets aufs Neue am Himmel aufgeht. Eine sichere Erkenntnis können wir aus solchen Beobachtungen jedoch nicht herleiten, sagt der schottische Philosoph.
Gibt es einen freien Willen und existiert Gott?
David Hume glaubt zwar nicht daran, dass der Mensch einen freien Willen besitzt, jedoch ist er davon überzeugt, dass wir einen Handlungsspielraum haben. So können wir nach Hume durchaus entscheiden, ob wir bestimmten Wünschen und Neigungen auch nachgehen und einen Entschluss wirklich in die Tat umsetzen. Deshalb glaubt der schottische Philosoph auch, dass der Mensch moralisch handeln und Verantwortung für seine Taten übernehmen kann.
Die Religionskritik nimmt einen wichtigen Stellenwert in Humes Schriften ein - sie schlug hohe Wellen und brachte den Philosophen in Konflikt mit der Kirche. So stellt Hume Fragen, die das Glaubensverständnis vieler religiöser Menschen erschütterten: Inwiefern können Aussagen der Religion von unserer Erfahrung bestätigt werden? Können durch den Glauben die Welt und die menschliche Existenz erklärt werden?
Der schottische Denker beschäftigt sich auch mit der Frage, was es mit "Wundern" auf sich hat - also Ereignissen, die den gewohnten Abläufen der Natur widersprechen. Für Hume gibt es weder Beweise dafür, dass solche Wunder stattgefunden haben oder stattfinden, noch können Wahrscheinlichkeiten für wundersame Ereignisse hergeleitet werden. Wir können uns lediglich auf die Aussagen von Zeugen verlassen, die aber stets fragwürdig bleiben. Weiterhin stellt sich Hume der Frage, wie die Vorstellung von einem allmächtigen und gütigen Gott sich mit der Erfahrung des Bösen vereinbaren lässt: Gott steht für Vollkommenheit und das Gute - wie kann man also glauben, dass die Welt von Gott geschaffen wurde und seiner Ordnung folgt, wenn es so viel Chaos, Elend und Schlechtigkeit gibt? In der Philosophie bezeichnet man dies als "Theodizee-Problem" ("Theodizee" stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie "Rechtfertigung Gottes").
Große Wirkung eines wichtigen Denkers
David Hume hebt zwar die Grenzen der menschlichen Erkenntnis hervor, betrachtet dies jedoch nicht als tiefe Krise und verfällt nicht in Verzweiflung, sondern ermahnt den Menschen vielmehr, alles, was er sieht, erlebt und empfindet, kritisch zu prüfen: Widersprüchliche und nicht auf sinnlicher Erfahrung beruhende Annahmen sollten verworfen werden. Aber auch alle anderen Aussagen über die Welt stehen stets unter Vorbehalt und können niemals endgültig bewiesen werden.
Die große Wirkung des Denkers und Historikers hält bis heute an: Sein Hauptwerk "Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" gilt als eines der wichtigsten philosophischen Schriften der Aufklärung. Maßgeblich prägte es unter anderem das Denken des berühmten deutschen Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) und inspirierte ihn zu seinem bedeutenden Werk "Die Kritik der reinen Vernunft". Weiterhin nahm die Philosophie Humes Einfluss auf den modernen Empirismus - seine Schriften wurden zur Erneuerung dieser philosophischen Denkrichtung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts herangezogen. Ebenso moderne Sprachphilosophen wie Ludwig Wittgenstein (1889-1951) und Vertreter der Wissenschaftstheorie wie Karl R. Popper (1902-1994) beziehen sich auf David Hume.
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