von Sebastian Zender - 20.11.2009
Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die "UN-Konvention über die Rechte des Kindes". In diesem Übereinkommen wurden erstmals weltweit gültige Grundwerte für den Umgang mit Kindern formuliert. Es fordert eine neue Sicht auf Heranwachsende als eigenständige Persönlichkeiten. Wie ist es zu diesem Vertrag zwischen den Staaten gekommen und was steht darin? Wie ist es heute, 20 Jahre nach Verabschiedung der Konvention, um die Rechte von Kindern bestellt?
Alle Menschen auf der Welt haben Rechte. Zum Beispiel das Recht zu sagen, was man denkt, das Recht, nicht unmenschlich behandelt oder gequält zu werden und das Recht, an das zu glauben, was man für richtig hält. Nachzulesen sind diese Rechte in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte", die 1948 von den Vereinten Nationen (englisch: "United Nations", kurz UN) verabschiedet wurde.
Die Vereinten Nationen sind ein Zusammenschluss von inzwischen 192 Staaten. Sie wurden 1945, also direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, gegründet. Zu ihren wichtigsten Aufgaben zählen die Sicherung des Weltfriedens und der Schutz der Menschenrechte. Zu diesen und vielen anderen Fragen werden immer wieder zwischenstaatliche Verträge ausgehandelt und dann in der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen. Zusammen bilden diese vertraglichen Regelungen, die für alle Mitgliedsstaaten gelten, das so genannte "Völkerrecht".
Vorkämpferinnen der Kinderrechte
Obwohl die Menschenrechte natürlich auch für Kinder gelten, wurde man sich bei den Vereinten Nationen im Laufe der Jahre bewusst, dass Kinder darüber hinaus besonderen Schutz und deshalb auch besondere Rechte brauchen. Diese Idee war nicht neu: Schon 1902 forderte die schwedische Journalistin Ella Key in ihrem Buch "Das Jahrhundert des Kindes", die Erwachsenen müssten endlich begreifen, "dass es die Zukunft ist, die in Gestalt des Kindes in ihren Armen schlummert, die Geschichte, die zu ihren Füßen spielt".
Eine weitere wichtige Vorkämpferin der Kinderrechte war die britische Lehrerin Eglantyne Jebb. Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs gründete sie die Kinderhilfsorganisation "Safe the Children" ("Rettet die Kinder"). Ihrer Initiative war es außerdem zu verdanken, dass der "Völkerbund", eine 50 Staaten umfassende Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, 1924 einer "Erklärung der Kinderrechte" zustimmte. Diese Erklärung wurde jedoch kaum umgesetzt und mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brach vieles, das man bis dahin in Bezug auf Menschen- und Kinderrechte erreicht hatte, in sich zusammen.
Um diese frühen Bemühungen angemessen zu würdigen, muss man sich klarmachen, dass die Forderung nach Rechten für Kinder anfänglich regelrecht eine Provokation war: Bis mindestens ins 18. Jahrhundert hinein galten Mädchen und Jungen als das Eigentum ihrer Eltern. Es kümmerte niemanden, wenn diese sie verprügelten, missbrauchten, aussetzten oder für sich schuften ließen. In Deutschland mussten Eltern erst ab 1896 mit Strafen rechnen, wenn sie sich nicht ausreichend um ihren Nachwuchs kümmerten. Erste internationale Abkommen zum Verbot der Arbeit von Kindern unter 14 Jahren gab es erst ab 1919.
Von der Erklärung zur Konvention
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete 1959, wie zuvor schon der Völkerbund, eine "Erklärung der Rechte des Kindes". Das Problem bei einer solchen Erklärung ist aber, dass darin nur Absichten festgehalten werden. Das bedeutet, dass sich die einzelnen Staaten zwar daran halten können, aber eben nicht unbedingt müssen. Deshalb schlug die polnische Regierung 1979 vor, aus dieser Erklärung ein völkerrechtlich bindendes Übereinkommen zu machen.
Jedes Land, das ein solches Übereinkommen unterschreibt, ist dazu verpflichtet, sich an die darin aufgeschriebenen Rechte zu halten. Bei den vielen unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gab es daher natürlich viel Diskussionsbedarf. Einige hielten dies, andere jenes für wichtiger. Schließlich musste man dabei an alle Kinder der Welt denken. So dauerte es weitere zehn Jahre, bis 1989 die "Konvention über die Rechte des Kindes" (Konvention bedeutet "Übereinkunft") angenommen wurde.
Der Text, auf den man sich schließlich geeinigt hat, umfasst eine "Präambel", also eine Einleitung, und 54 Artikel. In der Präambel stehen all die Gedanken, die man nicht gut in einen Artikel fassen konnte. So erzählt sie zum Beispiel von der Geschichte der Kinderrechte und erklärt, dass Kinder mehr Schutz und Hilfe brauchen, damit sie glücklich und geborgen aufwachsen können. Sie weist auch darauf hin, dass man besonders an die Kinder denken muss, die ohne Eltern aufwachsen müssen oder von Hunger und Kriegen bedroht sind. Als Kind gilt in der Konvention jeder, der noch nicht 18 Jahre alt ist.
Die vier Grundsätze der Kinderrechtskonvention
Die 54 Artikel, in denen die genauen Rechte der Kinder aufgeschrieben sind, beruhen auf vier Grundsätzen:
1. Das Recht auf Gleichbehandlung: Kein Kind darf benachteiligt werden - sei es wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Staatsbürgerschaft, seiner Sprache, Religion oder Hautfarbe, einer Behinderung oder wegen seiner politischen Ansichten.
2. Das Wohl des Kindes hat Vorrang: Wann immer Entscheidungen getroffen werden, die sich auf Kinder auswirken können, muss das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt werden - dies gilt in der Familie genauso wie für staatliches Handeln.
3. Das Recht auf Leben und Entwicklung: Jedes Land verpflichtet sich, in größtmöglichem Umfang die Entwicklung der Kinder zu sichern - zum Beispiel durch Zugang zu medizinischer Hilfe, Bildung und Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch.
4. Die Achtung vor der Meinung des Kindes: Alle Kinder sollen als Personen ernst genommen und respektiert sowie ihrem Alter und ihrer Reife gemäß in Entscheidungen einbezogen werden.
Aus diesen Grundsätzen lässt sich beispielsweise das Recht auf ausreichende Ernährung, auf Schutz vor Gewalt oder auf freie Meinungsäußerung ableiten. Falls du dich noch genauer für den Inhalt der Konvention interessiert, findest du am Ende des Artikels einen Link auf die Seite von UNICEF, dem Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (englisch: "United Nations International Children’s Emergency Fund"). Dort findest du eine kinderfreundlich geschriebenen Version der Kinderrechtskonvention, die alle 54 Artikel anhand leicht verständlicher Beispielen erklärt, und viele weitere Informationen zum 20. Jahrestag.
Kinderrechte heute - (k)ein Grund zum Feiern?
Obwohl die Kinderrechtskonvention schon am 20. November von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde, trat sie erst am 2. September 1990 in Kraft. Dazu musste sie nämlich zunächst von mindestens 20 Staaten "ratifiziert" werden. "Ratifizieren" bedeutet, dass ein Staat einen völkerrechtlichen Vertrag durch sein Staatsoberhaupt unterschreiben lässt und sich damit dazu verpflichtet, sein Bestes zu tun, um alle darin getroffenen Vereinbarungen einzuhalten. Inzwischen haben alle Staaten, außer den USA und Somalia, die Kinderrechtskonvention ratifiziert - so viele wie bei keiner anderen UN-Konvention. Diese hohe Akzeptanz zeugt davon, dass sich hinsichtlich des Bewusstseins über die Notwendigkeit von Kinderrechten weltweit Einiges getan hat. Aber wie sieht es mit ihrer Verwirklichung aus?
Einen Tag vor dem 20. Jubiläum hat das Kinderhilfswerk UNICEF in Berlin einen Sonderbericht vorgestellt, aus dem hervorgeht, dass es immer noch jedem zweiten der rund 2,2 Milliarden Kinder an Nahrung, frischem Wasser, medizinischer Hilfe, einem Dach über dem Kopf oder Bildung fehlt. Das ist ein ziemlich niederschmetternder Befund, der verdeutlicht, dass noch einige Anstrengungen nötig sind, um die Rechte auf dem Papier auch wirklich für alle Kinder zugänglich zu machen. Einen Lichtblick hingegen gibt es bei der Kindersterblichkeit: Während 1990 noch 13 Millionen Kinder ihren fünften Geburtstag nicht erlebten, sind es heute "nur noch" knapp neun Millionen.
Auch in Deutschland könnte sich demnächst in Sachen Kinderrechte etwas bewegen. Die Bundesrepublik hat die Kinderrechtskonvention nämlich 1992 nur unter einem Vorbehalt ratifiziert. Die damalige Regierung unter Kanzler Kohl bestand darauf, dass sie dadurch nicht verpflichtet werden könne, ausländischen Kindern, die ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben, alle darin festgeschriebenen Rechte zu gewähren. Schätzungen zufolge schlagen sich jährlich rund 1.000 Kinder aus Krisengebieten auf abenteuerlichen Wegen nach Deutschland durch. Doch hier erwarten sie statt Schutz und Fürsorge häufig Schikane und schlecht gelaunte Ausländerbehörden. Der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) hat nun angedeutet, diesen Vorbehalt, der von Kinderrechtlern schon lange als Skandal angeprangert wird, zurückzunehmen. Dass die Kinderrechte auch ins Grundgesetz aufgenommen werden, wie es von UNICEF gefordert wird, lehnte er allerdings ab.
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