von Sebastian Zender
Nicht nur Deutschland, auch einige anderen europäischen Länder sind wegen ihrer schrumpfenden Bevölkerung in Zukunft auf Zuwanderung angewiesen. Dennoch schotten sich Deutschland und Europa allgemein immer stärker gegen Flüchtlinge ab. Ziel ist es, die Zuwanderung so zu steuern, dass möglichst nur gut ausgebildete Menschen, die für die Wirtschaft von Nutzen sind, nach Europa kommen. Menschen, die aus wirtschaftlicher Not, vor Krieg oder Verfolgung flüchten, sind dagegen weniger willkommen. Deshalb kommen zahlreiche Flüchtlinge immer wieder als "Illegale", also "unerlaubte Einwanderer", in andere Länder. Sie nehmen dafür gefährliche Wege auf sich und leben als "Entrechtete" in der ständigen Angst, entdeckt zu werden.
Das deutsche Zuwanderungsgesetz von 2005 wurde 2007 von dem Regierungsbündnis aus CDU und SPD überarbeitet. Seitdem gelten für Flüchtlinge und Asylsuchende in Deutschland strengere Regeln. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte das Gesetzespaket als "zum Teil rechtsstaatswidriges Abschottungswerk". Im Jahr 2008 wurden nur 1,1 Prozent der Asylanträge, die aufgrund der gesetzlichen Hürden ohnehin auf eine Zahl von knapp 21.000 gesunken waren (1992 waren es noch über 400.000), anerkannt.
Bereits im Jahre 2004 riefen die Länder der Europäischen Union die gemeinsame Grenzschutzagentur "FRONTEX" ins Leben. Sie soll vor allem die Seegrenze zum Mittelmeer überwachen, über die immer mehr Flüchtlinge in kleinen Booten versuchen, von Afrika nach Europa zu gelangen. FRONTEX versucht, diese Boote schon auf hoher See abzufangen und die Flüchtlinge zurück in Länder wie Marokko, Tunesien oder Mauretanien zu bringen, mit denen entsprechende Abkommen bestehen. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen kritisieren dieses Vorgehen, da es nach der Rückführung der Flüchtlinge immer wieder zu Misshandlungen kommt oder die völlig hilflosen Menschen einfach ohne Verpflegung in der Wüste ausgesetzt werden. Kritiker sprechen angesichts der immer stärkeren Überwachung der Seewege nach Europa und der elektronisch hochgerüsteten osteuropäischen Grenze auf dem Land schon seit Jahren von der "Festung Europa".
Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks landeten alleine im Jahr 2008 etwa 70.000 Bootsflüchtlinge an den europäischen Küsten. Mindestens 1.500 Menschen starben beim Versuch, mit den oft völlig überladenen und kaum seetauglichen Booten nach Europa zu gelangen. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich wesentlich höher. Da die Flüchtlinge keinen anderen Weg sehen, um nach Europa einzuwandern, begeben sie sich in die Hände von kriminellen Schlepperbanden, die den Bootsverkehr organisieren, und müssen für die gefährliche Überfahrt oft auch noch sehr viel bezahlen. Den Schleppern ist es, sobald sie ihr Geld haben, meist ziemlich egal, was mit den Flüchtlingen passiert.
"Illegale" - Menschen in der rechtlichen Grauzone
Als Kehrseite der Abschottung Deutschlands und Europas gegen unerwünschte Zuwanderung haben sich neue Zuwanderungs- und Aufenthaltsformen herausgebildet. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Illegalität". "Legalität" bedeutet "Gesetzmäßigkeit". Das Gegenteil davon, also das "Gesetzwidrige", ist die "Illegalität". In Bezug auf Migration sind damit Formen der Zuwanderung und des Aufenthalts in einem Land gemeint, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen. Als "Illegale" bezeichnet man Menschen, die ohne Einreiserlaubnis und ohne sich bei den Behörden zu melden, in ein Land kommen oder solche, die sich weiter in einem Land aufhalten, nachdem ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist.
Obwohl in der Öffentlichkeit viel über das Thema diskutiert wird, gibt es keine verlässlichen Zahlen dazu, wie viele Menschen sich ohne gültige Papiere in Deutschland aufhalten. In den Statistiken tauchen schließlich nur die Fälle der Menschen auf, die bei der illegalen Einreise oder ohne Aufenthaltserlaubnis erwischt wurden. Entsprechend gehen die Schätzungen weit auseinander. Man geht aber davon aus, dass auch die Zahl der ohne Papiere in Deutschland lebenden Menschen in den vergangenen Jahren gesunken ist. Eine neuere Schätzung des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) spricht davon, dass im Jahr 2007 zwischen 200.000 und 460.000 Menschen illegal in Deutschland lebten.
Ein Leben in ständiger Angst
Es gibt unterschiedliche Wege in die Illegalität: Der Aufsehen erregendste ist die heimliche Zuwanderung oder der Grenzübertritt mit gefälschten Papieren. Er wird wie die Überfahrt nach Europa meist von kriminellen Schlepperbanden organisiert. In diesem Bereich gibt es daher oft auch fließende Grenzen zum organisierten Menschenhandel. So werden beispielsweise immer wieder Fälle bekannt, in denen Frauen mit der Aussicht auf eine reguläre Arbeit nach Deutschland gelockt und anschließend zur "Prostitution", also dazu, sich gegen Geld an Männer zu verkaufen, gezwungen werden.
Die weitaus häufigere Erscheinungsform der Illegalität beginnt jedoch meist mit der legalen Einreise von Männern und Frauen, zum Beispiel als Touristen, Saisonarbeiter, Asylsuchende oder Kriegsflüchtlinge. Zur Illegalisierung kommt es dann erst dadurch, dass diese Menschen ohne eine Arbeitserlaubnis einen Job annehmen oder ihre Aufenthaltsfrist überschreiten. Viele Menschen tauchen auch aus Angst vor "Abschiebung" ab. So bezeichnet man die Rückführung von Asylbewerbern, deren Antrag abgelehnt wurde, und von Flüchtlingen, die nicht länger geduldet werden, in ihre Herkunftsländer.
Da die wenigsten dieser Menschen freiwillig gehen wollen, werden sie oft ohne konkrete Vorwarnung mitten in der Nacht von der Polizei abgeholt, müssen in kürzester Zeit ihre Sachen Packen und werden, notfalls unter Einsatz von Gewalt, direkt zum Flughafen oder in eine "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" (umgangssprachlich auch "Abschiebegefängnis" genannt) gebracht. Dabei kommt es immer wieder zu menschlichen Dramen: Durch Abschiebungen werden nicht selten Familien und Freunde auseinander gerissen. In den Abschiebegefängnissen gibt es immer wieder Fälle von Selbstmord, weil viele verzweifelte Menschen nicht wissen, wie sie nach der Rückkehr in ihre Länder wieder ganz von vorne anfangen sollen oder dort Ausgrenzung, Gewalt und Verfolgung fürchten.
Rechtlosigkeit und Ausbeutung
Die Illegalität bringt für die Betroffenen eine Vielzahl von Problemen mit sich. Sie leben in ständiger Angst vor Entdeckung und müssen Tag und Nacht darauf bedacht sein, nicht aufzufallen. Ihre Kinder können nicht die Schule besuchen. Ohne gültige Papiere ist es nicht einmal möglich, zum Arzt oder in ein Krankenhaus zu gehen. Der Gang zur Polizei scheidet natürlich ebenfalls aus, selbst wenn einem Unrecht widerfahren ist. Da sie weder soziale Sicherungssysteme in Anspruch nehmen noch einer regulären Arbeit nachgehen können, müssen Illegale sich das zum Leben notwendige Geld mit so genannter "Schwarzarbeit" verdienen. "Schwarzarbeit" ist unangemeldete, illegale Arbeit, bei der keine Steuern an den Staat gezahlt werden.
Dieses Thema wird in der öffentlichen Diskussion oft mit dem Thema Illegalität vermischt. Dabei werden nicht selten Täter und Opfer verwechselt: Illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern ist natürlich nur dann möglich, wenn es im Inland Arbeitgeber gibt, die ebenso gesetzeswidrig handeln. Außerdem nehmen auch deutsche Arbeitnehmer Schwarzarbeit an. Einheimische Schwarzarbeiter und Arbeitgeber, die unerlaubt beschäftigen, handeln gewissermaßen im doppelten Sinne illegal: Sie betreiben nicht nur Steuerhinterziehung, sondern nutzen auch noch den Sozialstaat aus, der sie - im Unterschied zu illegal arbeitenden Ausländern - weiter unterstützt.
Viele Bereiche unserer Wirtschaft, vom Baugewerbe bis zur Altenpflege, würden ohne Schwarzarbeit wahrscheinlich gar nicht mehr funktionieren. Auch wenn viele davon nichts wissen wollen: Die meisten von uns haben über billige Preise für Dienstleistungen indirekt sogar einen Vorteil von illegaler Beschäftigung. Gerade deshalb sollten Maßnahmen dagegen ergriffen werden, dass die Arbeitskraft von Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis, die ohnehin für sehr niedrige Löhne arbeiten, ausgebeutet wird. So fordern Kritiker, dass die Menschen auch ohne Papiere die Möglichkeit haben sollten, gewisse Rechte in Anspruch zu nehmen - damit sie beispielsweise nicht einfach vom Arbeitgeber um ihren Lohn geprellt werden, weil dieser weiß, dass sie ohnehin nicht zur Polizei gehen können.
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