Miep Gies, die Helferin Anne Franks, ist gestorben

12.01.2010

Miep Gies starb am Montag (10. Januar) im Alter von 100 Jahren. Die mutige Frau half jüdischen Familien zur Zeit des Nationalsozialismus und riskierte damit ihr Leben. Unter ihnen war die Familie Anne Franks: In ihrem Versteck vor den Nazis versorgten Miep Gies und weitere Helfer sie mit Lebensmitteln und Zeitschriften. Doch die jüdische Familie wurde verraten, am 4. August 1944 verhaftet und von den Nazis in Konzentrationslager verschleppt. Gies rettete die heute weltberühmten Tagebücher Anne Franks. Sie übergab die Aufzeichnungen Annes Vater, der als einziges Familienmitglied überlebte und die Tagebücher nach dem Krieg veröffentlichte.


Miep Gies 1989: Die mutige Frau half der Familie Anne Franks sowie einer weiteren jüdischen Familie zur Zeit des Nationalsozialismus. (Quelle: Karl-Heinz Schindler (Bundesarchiv))

Miep Gies wurde am 15. Februar 1909 als Hermine Santrouschitz in Wien geboren. Sie wuchs in Armut auf und lebte seit 1920 bei einer Gastfamilie in der holländischen Stadt Leiden - dort erhielt Hermine auch den Spitznamen Miep, den sie später beibehalten hat. Zwei Jahre darauf zog sie mit ihrer Gastfamilie in die niederländische Hauptstadt Amsterdam.

Im Jahr 1933 bewarb sich Hermine "Miep" Santrouschitz als Sekretärin in der Filiale des Gewürzhandelsunternehmers Otto Frank, Vater von Anne Frank. Kurz zuvor, nur wenige Monate nachdem Hitler in Deutschland die Macht ergriffen hatte, war die jüdische Familie Frank aus Angst vor den Nazis von Frankfurt am Main nach Amsterdam gezogen. Anne war zu diesem Zeitpunkt erst vier Jahre alt, ihre Schwester Margot war damals sieben.

Gefahr durch die Nationalsozialisten

Anne Frank wurde nur 15 Jahre alt. Sie starb in einem KZ.

Von Beginn an hatte Miep Santrouschitz ein gutes Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber und seiner Familie - seiner Frau Edith und den beiden Töchtern. Die Familie lebte sich gut in den Niederlanden ein und Anne erlebte in den darauf folgenden Jahren eine sorgenfreie Schulzeit. Doch dann begann der Zweite Weltkrieg, und Hitlers Soldaten marschierten im Jahr 1940 auch in die Niederlande ein.

Schnell verschlechterte sich die Situation für die Familie Frank in Amsterdam. Immer neue "Judengesetze" nahmen ihnen mehr und mehr ihre Rechte. Juden durften zum Beispiel die Straßenbahn nicht mehr benutzen, mussten ihre Fahrräder abgeben und durften auch kein Auto mehr fahren. Es war ihnen auch verboten, ins Kino oder ins Theater zu gehen oder an Sportveranstaltungen teilzunehmen.

Miep war von Anfang an eine Gegnerin der Nationalsozialisten und lehnte es ab, in eine holländische Nazi-Partei einzutreten. Daraufhin drohte ihr die Ausweisung aus den Niederlanden, da ihr österreichischer Personalausweis für "ungültig" erklärt wurde. Miep heiratete im Jahr 1941 Jan Gies, woraufhin sie die niederländische Staatsbürgerschaft erhielt.

Zwei Jahre im Versteck

Hinter diesem Regal verbarg sich die Tür, die zum Versteck im Hinterhaus führte.

Als im Jahr 1942 Annes ältere Schwester Margot in ein Arbeitslager gebracht werden sollte, beschloss die Familie, sich zu verstecken. Denn bei den so genannten "Arbeitslagern" handelte es sich in Wahrheit um Konzentrationslager, in denen die Opfer der Nazis gefangen gehalten, gequält und umgebracht wurden.

Otto Frank weihte Miep Gies in seine Pläne ein, vor den Nationalsozialisten unterzutauchen, und sie bat sofort ihre Hilfe an. Die Franks quartierten sich in einem Hinterhaus ein, später kamen auch noch die ebenfalls bedrohte Familie van Pels und der Zahnarzt Fritz Pfeffer hinzu.

Das Hinterhaus gehörte der Firma Opekta, die Annes Vater als Direktor geleitet hatte. Er übergab seinen Betrieb notgedrungen an einige seiner Mitarbeiter, welche die Geschäfte weiter führten und die Familie mit allem Lebensnotwendigen versorgten - unter ihnen Miep Gies, die den Familien Gemüse, Fleisch und Zeitschriften brachte und ihnen in dieser schlimmen Zeit immer wieder Halt und Zuspruch gab, soweit ihr das möglich war. Miep Gies und die anderen Helfer Johannes Kleiman, Bep Voskuijl und Victor Kugler brachten sich dabei selbst in Lebensgefahr und durften mit niemandem darüber sprechen - aus Angst, verraten zu werden.

"Kitty", die beste Freundin Anne Franks

Während der Zeit im Versteck wurde das Tagebuch zu Annes bester Freundin.

In den folgenden Jahren durften die Versteckten keinerlei Aufmerksamkeit erregen und das Gebäude nicht verlassen. Die Tür, die vom Lager der Firma zum Hinterhaus führte, war hinter einem drehbaren Bücherschrank verborgen. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt waren Miep Gies und die anderen Helfer sowie das Radio, über das sie die Nachrichten verfolgten.

Einen Monat, bevor die Familie untertauchen musste, hatte Anne zu ihrem 13. Geburtstag ihr erstes Tagebuch geschenkt bekommen. In diesem Tagebuch, das sie liebevoll "Kitty" nannte, hielt Anne den Alltag im Versteck, ihre Gefühle und Gedanken fest. Das Tagebuch wurde zu ihrer besten und einzigen Freundin, der sie regelmäßig alle ihre Geheimnisse anvertraute. Sie schrieb nieder, wenn sie sich über ihre Eltern ärgerte oder es Zoff gab. Da so viele Menschen auf engstem Raum zusammen leben mussten, war Streit oft unvermeidbar. Außerdem wissen wir aus dem Tagebuch, dass Anne sich wünschte, später einmal eine bekannte Journalistin oder Schriftstellerin zu werden.

Verrat und Verschleppung ins Konzentrationslager

Im Konzentrationslager brachen aufgrund der schlechten Bedingungen Krankheiten und Seuchen aus.

Trotz der schlimmen Umstände gab Anne die Hoffnung nie auf, dass sich alles zum Guten wenden würde. Doch am 4. August 1944 wurde das Hinterhaus, in dem sich die acht Flüchtlinge versteckten, von Polizisten gestürmt. Bis heute ist nicht geklärt, woher die Polizei von dem Versteck wusste. Vermutlich wurden die Untergetauchten verraten.

Am Tag der Verhaftung der beiden jüdischen Familien kam Miep Gies nur durch Glück ungestraft davon. Sie erzählte dem Kommissar Karl-Josef Silberbauer, dass sie aus Wien komme - so wie er. Der SS-Mann ließ sie gehen - "aus persönlicher Sympathie", wie er gesagt haben soll. Nur so war es Miep Gies möglich, am selben Tag noch einmal in das Hinterhaus zurückzukehren und die persönlichen Sachen der verschleppten Familien zu holen. Auch die Tagebuchaufzeichnungen Annes waren darunter - Miep Gies versteckte sie, in der Hoffnung, sie dem Mädchen eines Tages wiedergeben zu können. Die mutige Frau gab nicht auf und versuchte, den österreichischen SS-Kommissar mit gesammeltem Geld zu bestechen, die Familien freizulassen. Doch ihr gewagter Versuch scheiterte - und Miep Gies entging erneut nur mit Glück einer Bestrafung.

Den verhafteten jüdischen Familien sollte es schlimm ergehen. Alle Flüchtlinge wurden zunächst ins Durchgangslager "Westerbork" in den Niederlanden gebracht. Von dort aus wurden sie dann in das berüchtigte Vernichtungslager Auschwitz in Polen deportiert. Männer und Frauen wurden bei der Ankunft am Bahnhof voneinander getrennt. Otto Frank, Annes Vater, sah seine Töchter und seine Frau dort zum letzten Mal. Einen Monat später wurden Anne und ihre ältere Schwester Margot in das Lager Bergen-Belsen bei Celle verlegt, wo sie schwere körperliche Arbeit verrichten mussten. Die Mutter, zu schwach für diese Arbeit, musste in Auschwitz zurückbleiben. Sie wurde krank und starb im Januar 1945.

Ein Tagebuch erlangt Weltruhm

Anne mit ihrer älteren Schwester Margot und ihren Eltern, kurz bevor sie untertauchen mussten. Nur Vater Otto überlebte.

Im letzten Kriegswinter verschlimmerte sich die Lage im KZ Bergen-Belsen zusehends. Die Menschen litten ständig unter Hunger, Durst, Kälte und Erschöpfung. Seuchen brachen aus. Im März 1945, wenige Wochen, bevor die Menschen aus den Konzentrationslagern befreit wurden, erkrankten Anne und Margot an Typhus, einer gefährlichen Infektionskrankheit. Zuerst starb Margot, einen Tag später endete auch das Leben der damals erst 15-jährigen Anne.

Annes Vater Otto überlebte als Einziger der Familie die Judenverfolgung. Nach seiner Befreiung händigte Miep Gies ihm Annes Tagebücher aus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte Otto Frank die Aufzeichnungen seiner Tochter. "Das Tagebuch der Anne Frank" wurde in 67 Sprachen übersetzt und ist heute eines der meistgelesenen Bücher der Welt. Es erinnert an die Verbrechen der Nazis und ist zum Symbol für das Leid aller unschuldig Verfolgten geworden.

Von Anna Schäfer und Britta Pawlak

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letzte Aktualisierung: 24.02.2010

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