von Britta Pawlak und Andreas Fischer - 15.03.2007
In Deutschland und Österreich ist das Tragen von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit verboten. In den vergangenen Monaten ist in Deutschland eine heftige Diskussion darüber entbrannt, ob Anti-Nazi-Zeichen - wie das durchgestrichene Hakenkreuz - ebenfalls strafbar sind. Die Debatte wurde ausgelöst, als ein Händler vergangenes Jahr durch das Landesgericht Stuttgart zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde, weil er Anti-Nazi-Symbole auf T-Shirts und Buttons verkauft hatte. Heute hob der Bundesgerichtshof das Urteil gegen den Händler auf und sprach ihn frei.
Wegen des Verkaufs von Anti-Nazi-Zeichen wurde der Versandhändler Jürgen Kamm aus Winnenden im September vergangenen Jahres zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt. Der vorsitzende Richter war der Ansicht, dass der Verkäufer Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen verwendet habe. Hier dürfe keine Ausnahme gemacht werden, weil dadurch die "Gefahr der Gewöhnung" entstehe. Dies hätte mehr Gewicht als die Meinungs- und Gewerbefreiheit des Händlers.
Der Händler legte nach dem Urteilsspruch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Widerspruch ein. Er ist der Meinung, mit dem Verkauf von durchgestrichenen Hakenkreuzen und Slogans wie "Nazis raus" den Nationalsozialismus auf keinen Fall zu fördern. Seine Beschwerde hatte Erfolg: Nun hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil auf.
"Gutes Signal gegen das Wegschauen"
In der Begründung heißt es, dass die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze nicht strafbar ist, wenn die Distanzierung (Abgrenzung) zum Nationalsozialismus eindeutig ist. Alle Artikel, die der Händler verkauft hatte, seien "gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischer Bestrebungen gerichtet." Dies sei "eindeutig und offenkundig zum Ausdruck gebracht worden", sagte der Vorsitzende Richter.
Vor allem Politiker der Grünen und der SPD, die das ursprüngliche Urteil des Landgerichtes kritisiert hatten, zeigten sich erfreut über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil sei eine Ermutigung für die Bürger sich weiterhin "aktiv und öffentlich gegen den Rechtsextremismus zu engagieren", äußerte sich Niels Annen von der SPD. Auch die Grünen sprachen von einem "guten Signal gegen das Wegschauen". Claudia Roth von der Partei Bündnis 90 die Grünen meinte, das Urteil sei eine "Motivation für das entschlossene Eintreten gegen den Rechtsextremismus". Sie und einige andere Politiker hatten im vergangenen Jahr sogar Selbstanzeige erstattet, weil auch sie Anti-Nazi-Symbole auf T-Shirts und Buttons getragen haben.
Der Ursprung des Hakenkreuzes
Das Hakenkreuz verbinden wir sofort mit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945. Hitlers Partei, die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), wählte dieses Zeichen als ihr Erkennungsmerkmal. Doch eigentlich reicht die Geschichte des Sonnenkreuzes (auch Swastika genannt) weit in die Vergangenheit zurück. Man schätzt das Alter dieses ursprünglich religiösen Motivs auf 14.000 Jahre. Es symbolisierte damals Glück und Erfolg. Auch heute hat das Sonnenkreuz in bestimmten Kulturen Süd- und Ostasiens eine völlig andere Bedeutung. In Indien findet man das als "Rad des Lebens" bezeichnete Kreuz an vielen Tempeln und Götterfiguren - es gilt als Glücksbringer. Die Bedeutung des Hakenkreuzes in der westlichen Welt ist der südasiatischen Bevölkerung weitgehend unbekannt.
In der Form unterscheidet sich das indische "Glücksrad" im Allgemeinen vom NS-Hakenkreuz, da letzteres schräg auf der Kante steht. Manchmal zeigt das hinduistische Sonnenkreuz auch in die entgegengesetzte Richtung, die Haken deuten also nach links. Da man die Symbole aber nicht eindeutig unterscheiden kann, ist die Verwendung aller hakenkreuzförmigen Darstellungen in Deutschland und Österreich strafbar. Es werden Ausnahmen gemacht, wenn klar ist, dass das Zeichen mit einem religiös-kulturellen Hintergrund verwendet wird. So kann zum Beispiel auf Räucherstäbchen-Packungen, die man in einem indischen Laden erhält, das Symbol des Sonnenkreuzes abgebildet sein. Es hat in dem Fall keinen politischen Hintergrund und kann nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden. In einigen Ländern ist das Tragen von Hakenkreuzen und anderen NS-Zeichen generell nicht verboten.
Neo-Nazis fühlen sich oft nur in der Gemeinschaft stark
Neo-Nazis (bedeutet "Neu-Nazis") haben eine ähnlich menschen- und vor allem fremdenfeindliche Gesinnung wie die Nationalsozialisten im früheren Nazi-Deutschland. Die schlimme Zwangsherrschaft unter Adolf Hitler haben sie allerdings niemals selbst miterlebt. Einige dieser jungen Menschen wissen nicht einmal, an welcher stumpfsinnigen Weltsicht sie sich eigentlich orientieren.
Menschen mit einer rechtsradikalen Einstellung sind oft Außenseiter, die sich über das Zugehörigkeitsgefühl der Gruppe identifizieren. Sie versuchen, ihre eigenen Probleme und Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden, indem sie sich über andere erheben. Sie suchen also Menschen, die in ihren Augen "unter ihnen stehen", nur weil diese beispielsweise einer Minderheit angehören. Denn es ist sehr simpel, sich auf Menschen "einzuschießen", die in der Unterzahl oder einfach anders sind. Nur deshalb werden Ausländer oder auch Homosexuelle sowie viele andere Menschen von Neo-Nazis angefeindet. Dabei sind sie es eigentlich, die eine gesellschaftliche Randgruppe darstellen.
Früher hat man der Mode der Neo-Nazis NS-Symbole wie das Hakenkreuz und die Reichsflagge sowie Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln zugeordnet. Nach und nach verwendeten viele Jugendliche ganz andere Zeichen, um auszudrücken, dass sie mit den Nationalsozialisten und Adolf Hitler sympathisieren. Es handelt sich dabei oft um geheime Symbole, mit denen sie sich nicht strafbar machen können. Neo-Nazis suchen Gleichgesinnte, denn sie fühlen sich meist nur in der Gruppe stark. Mit diesen Zeichen können sie sich gegenseitig erkennen, während Nicht-Eingeweihte häufig keine Ahnung davon haben, was die Motive und Zahlen in der rechtsradikalen Szene bedeuten.
Gibt es "Neo-Nazi-Marken"?
Die Geheimzeichen werden auch "Dresscodes" (heißt etwa "verschlüsselte Kleidung") genannt. Neben diesen Codes gibt es einige Kleider-Marken, die mit der rechten Szene in Verbindung gebracht und von vielen Neo-Nazis getragen werden. Die bekanntesten darunter sind Thor Steinar, Fred Perry, Pit Bull und Lonsdale. Allerdings wehren sich einige der Hersteller heftig dagegen, als "Neo-Nazi-Firmen" abgestempelt zu werden.
Lonsdale-Kleidung ist bei vielen Jugendlichen aber gerade deshalb angesagt, weil die Buchstabenfolge "NSDA" an die Hitler-Partei erinnert. Auch die Marke Consdaple wird von vielen der rechtsextremen Gruppierung zugeordnet. Menschen, die ein Consdaple-Shirt tragen, könnten also dadurch ihre ausländerfeindliche Gesinnung zum Ausdruck bringen wollen. Einige Neo-Nazis tragen eine Jacke über dem Hemd mit dem aufgedruckten Markennamen. Dadurch werden die ersten und letzten beiden Buchstaben verdeckt und man erkennt nur die Zeichen "NSDAP".
Es wäre aber ein Fehler, jeden sofort zu verurteilen, der diese Marken trägt. Viele Menschen wissen sicherlich nicht, dass die Firmen mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden und wollen nur die Marken-Kleider anziehen, die ihnen gefallen, die sie als "cool" empfinden oder mit denen andere herumlaufen.
Geheime Symbole der Neo-Nazis
Folgende Zahlen gelten auch als Geheimzeichen der Nazis:
Die Zahl 14 steht für die "14 words" (englisch: "We must secure the existence of our people and a future for white children", bedeutet: "Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern"). Diese Bezeichnung wurde ursprünglich von US-amerikanischen Rassisten verwendet.
Die Zahl 18: Der erste Buchstabe im Alphabet ist das "A", der achte das "H". Wer ein solches T-Shirt trägt, könnte auf diese Weise ausdrücken, dass er mit Adolf Hitler sympathisiert.
Auch hinter der Zahl 28 könnte sich ein geheimer Code verbergen. Der achte Buchstabe des Alphabets ist das "H", die Zwei entspricht dem "B". "B und H" ist die Abkürzung für den englischen Begriff "Blood and Honour", übersetzt heißt dies "Blut und Ehre". Die Bezeichnung hat eindeutig einen rechtsradikalen Hintergrund. In der Hitler-Jugend verwendete man sie als Grußformel.
Die Zahl 88: Wer es nicht weiß, würde zunächst denken, es handelt sich hierbei um die Trikot-Nummer eines Sportlers. Möglicherweise könnte die Zahl 8 aber auch für den achten Buchstaben im Alphabet stehen, also das "H". 88 ist in der Neo-Nazi-Szene die Abkürzung für "Heil Hitler".
Tendenz: Viele Rechte "outen" sich nicht durch ihr Äußeres
Auch hier kann man aber längst nicht jeden als Rassisten abstempeln, der diese Zahlen trägt. Es gibt außerdem immer mehr Jugendliche, die ihr ausländerfeindliches Gedankengut nicht durch ihre äußere Erscheinung zum Ausdruck bringen. So können Neo-Nazis natürlich auch völlig unauffällig aussehen und - wie viele andere junge Menschen - Klamotten im gängigen Modestil tragen.
Außerdem gibt es noch eine neue Tendenz: Zunehmend mehr Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung tragen sogar gerade die Mode, die man eigentlich eher den "links eingestellten" Jugendlichen zuordnet - zum Beispiel Palästinenser-Schals oder Shirts mit dem Motiv von Ché Guevara. Dies nennt man auch "Mimikry-Strategie".
Der Begriff "Mimikry" bezeichnet in der Biologie eine Täuschungs-Strategie bestimmter Tiere, die einer anderen Art zum Verwechseln ähnlich sehen und sich dadurch Vorteile verschaffen. So ist zum Beispiel die Schwebfliege besser vor Fressfeinden geschützt, weil sie durch ihre gelb-schwarze Zeichnung einer Wespe ähnelt. Anders als diese besitzt sie aber keinen Stachel und ist harmlos. Tarnen sich Neo-Nazis sogar als links eingestellte Menschen, würde kaum einer ihre eigentliche Gesinnung vermuten. Auf diese Art können sie sich ganz anders in der Öffentlichkeit verhalten, an andere herantreten und nach und nach bestimmte Ziele verfolgen und ihre Ideen verbreiten, ohne sofort abschreckend auf viele zu wirken.
Wie sinnvoll sind Verbote?
Einige deutsche Schulen haben Kleidung und Symbole verboten, die im Verdacht stehen, Erkennungszeichen der Neo-Nazis zu sein. Wenn auch in deiner Schule jemand offene oder versteckte Nazi-Symbole trägt, solltest du einen Lehrer darauf ansprechen oder deinen Eltern davon berichten. Es ist umstritten, wie viel Verbote bewirken können. Bekanntlich macht für einige der Jugendlichen gerade dies den "Reiz" einer Sache aus.
Wichtig sind auf jeden Fall intensive Diskussionen zum Thema Nationalsozialismus und Fremdenfeindlichkeit, um aufzuklären. Vielen Neo-Nazis ist nicht bewusst, dass sie eine solch hasserfüllte Einstellung haben, weil sie unfähig sind, ihre eigenen Probleme zu lösen. Einige von ihnen können in ihrem Leben keinen Halt finden und versuchen, durch ein primitives Gruppengefühl ihrer sozialen Isolation - also ihrem Mangel an gesellschaftlichen Kontakten - oder ihrem Außenseiter-Gefühl zu entkommen.
Einige Politiker sprechen sich auch weiterhin für ein Verbot von Anti-Nazi-Symbolen aus. Ihre Begründung lautet, dass unter dem Hakenkreuz zu schreckliche Dinge geschehen seien, als dass man es nun durchgestrichen als "modisches Accessoire" verwenden könne. Die meisten sehen in einem Verbot allerdings eine extreme Einschränkung im öffentlichen Kampf gegen Rechtsextremismus. Die rechtsradikale Szene unter jungen Leuten ist groß, und es kommt immer wieder zu rassistischen Gewalttaten.
Die meisten Menschen, darunter auch viele Politiker, sind sich darüber einig, dass man den wichtigen Kampf gegen Ausländerhass und Diskriminierung - also die Benachteiligung von Menschen, weil sie einer bestimmten Nationalität, Kultur, Religion oder anderem angehören - durch ein Verbot behindern würde. Denn dabei ist entscheidend, dass eine breite Öffentlichkeit Stellung bezieht und gegen Neo-Nazis und Rassismus vorgeht. Die Aufhebung des Urteils gegen Jürgen Kamm, welches im vergangenen Jahr auf heftige Kritik stieß, wurde daher von einer großen Mehrheit begrüßt.
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