Als die drittgrößte Weltreligion mit ungefähr 850 Millionen Anhängern ist der Hinduismus eine besondere Religion. Denn er bildet ein Dach für verschiedene Glaubensrichtungen innerhalb des Hinduismus. Die meisten Hindus glauben nicht nur an einen einzigen Gott, sondern an verschiedene Götter. In einigen Richtungen des Hinduismus gibt es sogar einen Hauptgott und Nebengötter. Alle Hindus glauben an die göttliche Kraft "Brahman", an die Wiedergeburt und an die Erlösung. Sie verehren und schützen die heilige Kuh und pilgern jedes Jahr zu den heiligen Stätten, um ihre Götter zu ehren.
Der Hinduismus ist nach dem Christentum und dem Islam die drittgrößte Weltreligion. Eine "Weltreligion" ist eine Religion, die sich weltweit verbreitet hat. Dazu zählen neben den drei genannten noch der Buddhismus und das Judentum. Der Hinduismus hat seinen Ursprung in Indien und gilt als eine der ältesten Religionen überhaupt. Ungefähr 900 Millionen Menschen auf der Welt sind von dieser Religion überzeugt.
Wann genau der Hinduismus entstand, ist noch nicht eindeutig bekannt, weil es keinen "Gründer" wie zum Beispiel Jesus im Christentum oder Mohammed im Islam gibt. Fest steht, dass es vor ungefähr 4.500 Jahren ein Volk gab, das entlang des Flusses Indus lebte. Der Indus verläuft durch Tibet, das Himalaya-Gebirge und Pakistan und ist der längste Fluss auf dem indischen Subkontinent. Von den Muslimen, die im 13. Jahrhundert nach Indien einwanderten, wurde das Volk später "Hindus" genannt, denn "Hindu" war der iranische Name für den Fluss Indus. Daher stammt auch der Begriff "Hinduismus".
Um 1750 vor Christus wanderten die "Arier" aus der Gegend des Urals in das Gebiet des heutigen Indiens ein. Die Arier dürft ihr euch nicht so vorstellen, wie es die Nationalsozialisten taten. Geschichtlich waren sie ein Nomadenvolk aus Zentralasien. Nomaden sind Menschen, die nicht sesshaft sind, sondern stets umherreisen und sich nur gelegentlich niederlassen. Die religiösen Ansichten beider Völker vermischten sich und daraus entstand der hinduistische Glaube. Auch das Kastensystem im Hinduismus soll von den Ariern eingeführt worden sein. Sie wollten sich höher stellen als die Ureinwohner, die damals der untersten Kaste zugeteilt wurden.
Hindus gibt es nicht nur in Indien
Die Anhänger des Hinduismus werden auch heute noch Hindus genannt. Die meisten Hindus leben in Indien, dort sind es etwa 80 Prozent der gesamten Bevölkerung. Ebenso in einigen Nachbarländern Indiens wie Nepal, Sri Lanka und Bangladesch besteht die Bevölkerung aber zum größten Teil aus Hindus. Auch in den USA oder England gehören immer mehr Menschen dieser Glaubensrichtung an.
Das liegt jedoch nicht daran, dass die Hindus missionieren - also dass sie durch die Welt reisen und andere Menschen von ihrem Glauben überzeugen wollen. Durch Einwanderung hat sich die hinduistische Religion in diesen Ländern weiter verbreitet. Allerdings glauben die Hindus, dass man nicht einfach so ein Angehöriger des Hinduismus werden kann - ein richtiger Hindu wird man nur durch Geburt.
In Deutschland leben Schätzungen zufolge mehr als 90.000 Hindus (ungefähr 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands). Der größte Teil davon sind Einwanderer aus Südostasien. Aber es gibt auch Deutsche, die sich zum Hinduismus bekennen, weil sie von dem, was hinter dieser Religion steckt, überzeugt sind. In einigen deutschen Städten gibt es Tempel, in denen die Hindus ihre Religion "leben" können.
Viele Götter, viele Schriften
Der Hinduismus ist eine besondere Religion, weil er verschiedene Glaubensrichtungen in sich vereint. Es ist also keine einheitliche Religion, sondern nur ein Rahmen, der nicht über bestimmte Regeln und Rituale verfügt, die für alle gelten. Für die meisten Hindus ist der Hinduismus eine Weltanschauung und Lebensart, die Einfluss auf das tägliche Leben hat - zum Beispiel bei der Nahrungszubereitung, auf der Arbeit oder auch in der Schule. Sie bezeichnen ihre Religion als "Sanatana Dharma", was so viel bedeutet wie "Ewige Ordnung" oder "Ewige Religion".
Die meisten Hindus glauben nicht an einen einzigen Gott, sondern an mehrere Gottheiten. Deswegen wird der Hinduismus oft als "Polytheismus", also die Anerkennung und Verehrung mehrerer Götter, bezeichnet. Unter den Hindus gibt es aber auch einige, die nur einen Gott als den wahren ansehen. Die wichtigste Gottheit der Hinduisten ist "Brahma". Brahma ist kein Gott, wie wir ihn uns vorstellen, sondern eine "göttliche Kraft", die alles lebendig macht. Sie hat keine richtige Gestalt, ist weder männlich noch weiblich, weder Tier noch Mensch, sondern einfach alles. Die Hauptgötter sind "Vishnu" (Gott der Güte, der in Tier- oder Menschgestalt das Unheil abwendet), "Shiva" (Gott der Gegensätze, der das Alte zerstört, damit Neues auf der Welt entstehen kann) und "Krishna" (Gott mit der Flöte, der bei den Hirten aufwuchs). Die Hindus veranstalten unzählige Feste zu Ehren der einzelnen Götter und deren Geburt. Dies sind sogar Nationalfeiertage.
Auch gibt es im Hinduismus kein verbindliches heiliges Buch wie die Bibel im Christentum. Es existieren zahlreiche verschiedene Schriften, nach denen sich unterschiedliche Hindu-Gruppen richten. Die ältesten, wichtigsten und heiligsten Schriften des Hinduismus sind jedoch die "Veden". Übersetzt bedeutet das (heiliges) Wissen. Die Veden sind verschiedene uralte Texte über Götter, magische Beschwörungen und Lieder, die seit Jahrtausenden verbreitet werden. Jede Veda besteht aus grundlegenden Texten für Gesänge, aus Anweisungen zur Durchführung von Ritualen, aus Sprüchen und aus verschiedenen Ratschlägen.
Die ewige Wiedergeburt
Aufgrund dieser Götter- und Glaubensvielfalt sagen manche, dass der Hinduismus gar keine einzelne Religion sei. Es gibt jedoch auch Merkmale, die in allen Ausrichtungen des Hinduismus zu finden sind. So glauben zum Beispiel alle Hindus an die Wiedergeburt ("Reinkarnation") eines jeden Menschen. Sie sind davon überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.
Demnach ist die Seele eines Menschen unsterblich und lebt in einer neuen Form weiter. Hinduisten sprechen von einem Kreislauf aus Geburt, Tod und Wiedergeburt. Dieser ewige Kreislauf heißt "Samsara". Als was man wiedergeboren wird, hängt nach hinduistischem Glauben damit zusammen, ob man in seinem Leben Gutes oder Schlechtes getan hat. Es geht also um das so genannte "Kharma", die Gesamtheit der guten und schlechten Taten im Leben eines Hindus. Sie entscheidet über das Schicksal eines Menschen.
Es heißt, wer Gutes tut, werde glücklich, wer Schlechtes tut, dagegen unglücklich. Durch gute Taten könne man zur Einheit mit Gott werden. Es ist also nach der hinduistischen Religion möglich, den Kreislauf verlassen. Das heißt dann "Erlösung" oder "Moksha". Dies ist das höchste Ziel eines Hindus. Deswegen versuchen Hinduisten stets, ein gutes Leben zu führen. Sie richten ihr Leben nach einer Art Verhaltenskodex, dem so genannten "Dharma". Das heißt, sie müssen ihre Pflichten gegenüber der Familie und den Freunden erfüllen, den Nachbarn helfen, freundlich zu anderen sein und die Wahrheit sagen. Dabei helfen ihnen die "Zehn Lebensregeln": sich rein halten, zufrieden sein, freundlich und geduldig sein, sich bilden, sich ganz nach den Göttern richten, nicht zerstören und verletzen, nicht lügen, nicht stehlen, andere nicht beneiden, nicht unbeherrscht und gierig sein.
Die heilige Kuh und heilige Orte
Hinduisten glauben daran, dass man als Mensch, als Tier oder sogar als Stein wiedergeboren werden kann. Viele Hindus essen kein Fleisch. Sie schonen alles Lebendige, schlachten keine Tiere und sind zum größten Teil strenge Vegetarier. Die Kuh wird besonders verehrt und geschützt. Ihr indischer Name "aghnya" bedeutet übersetzt "die Unantastbare".
Die Kuh wird als "Mutter" bezeichnet, weil sie den Menschen alles Wichtige zum Leben schenkt, sie ist sozusagen die "Ernährerin". Sie gibt Milch zum Herstellen von Lebensmitteln wie Käse und Joghurt, wird als Zugtier eingesetzt und ihr Kot ("Dung") wird zum Hausbau, als Heizmaterial und auch als Desinfektionsmittel verwendet. In Indien laufen die Kühe sogar frei auf der Straße herum. Weil der Gott Krishna zum Schutz in einer Hirtenfamilie und mit Kühen aufwuchs, gilt die Kuh auch als heilig.
Ein wichtiger Bestandteil der hinduistischen Religion ist die Pilgerfahrt. Eine Pilgerfahrt, auch Wallfahrt genannt, ist eine traditionelle, religiös begründete Reise zu einem bestimmten Ort mit wichtiger religiöser Bedeutung. Glaubensanhänger reisen dorthin, um ein heiliges Gebot zu erfüllen oder Götter zu verehren. Dafür reisen einige Menschen oft wochenlang und legen viele Kilometer zu Fuß zurück. Die Hindus haben viele Orte, die für sie als heilig gelten. So pilgern sie zum Beispiel zu dem großen Fluss Ganges, weil sie daran glauben, dass sie sich im Wasser dieses Flusses von ihrer Schuld "reinwaschen" können. Es heißt, mindestens einmal im Leben soll ein Hindu dort gewesen sein. Nicht nur zum Ganges, sondern auch nach Varanasi pilgern jedes Jahr viele Millionen Menschen. Dies ist die heiligste Stadt der Hinduisten. Dort befreit man sich durch Waschungen nicht nur von seinen Sünden, sondern es heißt auch, dass die Kranken und Sterbenden, die sich dort waschen, nach ihrem Tod den Kreislauf der Wiedergeburt verlassen und erlöst werden.
Das dritte Auge
Sicher habt ihr schon indische Frauen oder auch Männer mit einem Punkt auf der Mitte der Stirn zwischen den Augen gesehen. In verschiedenen hinduistischen Strömungen wird Männern und Frauen zwischen den Augen ein "Tilaka" - ein Segenszeichen - aufgemalt. Dieser Punkt wird auch "Ajna Chakra" - "Geistiges Auge" oder "Drittes Auge" - genannt und symbolisiert Erleuchtung. Dort soll das Hauptnervenzentrum des Körpers sein. Ein roter Punkt auf der Stirn heißt bei hinduistischen Frauen auch "Bindi" und galt früher als Symbol für eine verheiratete Frau.
Die Hochzeit bei Hinduisten ist ein riesengroßes Fest, das mehrere Tage dauert und mit der ganzen Familie gefeiert wird. Das können auch mehr als 100 Personen sein. Während der Hochzeitszeremonie übergibt der Brautvater formell seine Tochter an den Ehemann. Später müssen Braut und Bräutigam sieben Mal um das heilige Feuer herumlaufen. Traditionell wird der Bindi der Frauen während der Hochzeitszeremonie vom Mann aufgetupft und soll das Hochzeitspaar und ihr Haus schützen. Unverheiratete Frauen tragen häufig einen schwarzen Punkt. Heutzutage ist der Bindi aber auch Modeschmuck und wird schon von jungen Mädchen getragen.
"Ich beuge mich vor dem Göttlichen in dir"
Die Hindus begrüßen sich mit "Namaste", das heißt übersetzt "verbeugen" und bedeutet: "Ich beuge mich vor dem Göttlichen in dir." Bei dieser Geste werden die Handflächen in der Nähe des Herzens zusammengepresst und der Kopf leicht nach vorn gebeugt. Das Wort "Namaste" wird in Indien nicht dazu gesprochen, nur in einigen westlichen Ländern. Die beiden Hände symbolisieren die positiven und negativen Kräfte, die durch das Zusammenbringen aufgehoben werden und somit Ausgeglichenheit verdeutlichen. Mit diesem Gruß drücken die Hindus gegenseitig höchsten Respekt aus.
Sicher habt ihr schon einmal die Silbe "OM" gehört, das wird "AUM" ausgesprochen, ein sehr lang gezogenes Wort. Dies ist das Symbol des Hinduismus. Die Buchstaben symbolisieren die drei Lebensstadien Geburt, Leben und Tod. Für die Hindus ist das eine heilige Silbe, sozusagen der Grundlaut der Welt. Es bedeutet so viel wie alles. Hindus sprechen die heilige Silbe jeden Tag viele Male. Das OM-Zeichen ist ein so genanntes "Mantra", ein "Spruch", der immer wieder gesprochen oder gesummt wird. Dabei soll man sich nur auf sich selbst, die eigenen Gedanken und diesen Spruch konzentrieren. Manche Menschen vergleichen es mit dem christlichen Wort "Amen", das am Ende eines Gebetes gesprochen wird.
Die Kaste beeinflusst das ganze Leben
Zu den Merkmalen des Hinduismus zählt das Kasten-System. Dies ist eine Art Gliederung der Gesellschaft, also eine soziale Struktur. Die Hindus glauben, dass jeder Mensch in eine Kaste geboren, also einer bestimmten Schicht zugeteilt wird. Es gibt vier Haupt-Kasten, aus denen sich wiederum andere Kasten entwickelt haben.
Diese vier sind die "Brahmanen" (Priester), die "Kshatriyas" (Krieger, Adlige und Beamte), die "Vaishyas" (reiche Bauern, Handwerker und Händler - die Arbeiterschicht) und die "Shudras" (arme Bauern, Knechte, Diener und Untergebene - das "gemeine Volk"). Zusätzlich gibt es noch die "Parias" oder "Unberührbaren", die Unterdrückten, die zur Entfernung toter Tiere und weiteren "unreinen Tätigkeiten" gezwungen wurden. Die Hindus glauben, dass abhängig davon, wie viele Gutes oder Schlechtes ein Mensch in seinem vorherigen Leben getan hat, er in eine bestimmte Kaste hineingeboren wurde.
Die Kaste beeinflusst das ganze Leben eines Hindus, zum Beispiel den beruflichen Weg, das Ansehen in der Gesellschaft oder die Wahl des Ehepartners. Der Kontakt zu Mitgliedern einer niedrigeren Kaste war früher verboten, die Heirat mit solchen ebenso. Ein Wechsel der Kaste ist nicht möglich. Lange Zeit hieß es, dass man durch Nahrung, die von Angehörigen der unteren Kaste zubereitet wurde, verunreinigt wird.
Ausgrenzung und Unterdrückung trotz gleicher Rechte
Heutzutage gibt es diese Kastenordnung zwar so nicht mehr, sie wurde offiziell abgeschafft. Viele Menschen handeln dennoch weiter danach, weil sie es für richtig halten und daran glauben. Mahatma Gandhi, der für die Unabhängigkeit Indiens kämpfte, war gegen das Kastensystem, weil er es als ungerecht empfand und der Meinung war, dass auch die unteren Kasten ein Recht auf ein gutes Leben ohne Armut hätten. Da die Hindus an die Wiedergeburt glauben, sind sie aber auch davon überzeugt, dass sie in ihrem nächsten Leben in eine höhere Kaste hineingeboren werden können. Viele Hinduisten kämpfen deshalb gar nicht für ihre Rechte, sondern fügen sich ihrem Schicksal.
Frauen und Mädchen stehen laut dem hinduistischen Glauben unter den Männern und haben nicht dieselben Rechte. Im Hinduismus gelten Frauen noch als "weit entfernt" von der Erlösung und müssen erst als Männer wiedergeboren werden, um dorthin zu gelangen. Durch diese Geringschätzung kommt es oft zur starken Unterdrückung von Frauen. Zwar gibt es in Ländern wie Indien immer mehr Frauen, die studieren und politische Ämter besetzen. Dennoch sind dort Morde an Frauen, Abtreibungen von Mädchen und Hexenverurteilungen weiterhin sehr verbreitet. Grund für die hohe Abtreibungsrate bei weiblichen Embryonen ist auch die Tatsache, dass Familien bei der Heirat ihrer Töchter eine Mitgift zahlen müssen. Ärmere Familien können sich diese kaum leisten.
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