Der Waschbär kommt eigentlich aus Nordamerika. Von dort gelangte er durch Pelztierfarmen und Zoos nach Europa. Nachdem einige Tiere ausbüchsen konnten und andere ab 1934 ausgesetzt wurden, eroberte das kleine Raubtier auch die deutschen Wälder. Aus ein paar Tieren wurden mittlerweile über 250.000!
Noch vor 100 Jahren gab es Waschbären nur in Nord- und Mittelamerika - von Kanada über die USA bis nach Mexiko und Costa Rica. Sie lebten in Wäldern, vor allem in der Nähe von Sümpfen und Teichen. Menschen bekamen sie nur selten zu Gesicht, denn sie gingen nur nachts auf die Jagd und verschliefen den Tag in Baumhöhlen. Wenn es allzu kalt wird, halten Waschbären in Kanada und den USA außerdem Winterruhe.
Waschbären sind Allesfresser. Die Hälfte ihrer Nahrung besteht aus Beeren, Obst, Nüssen und Blättern, die andere Hälfte aus Kleintieren wie Insekten, Fischen, Mäusen und Küken. Dabei fressen Waschbären im Frühjahr besonders viele Vögel, im Sommer besonders viele Würmer, im Herbst hauptsächlich Pflanzen und im Winter vor allem kleine Säugetiere wie Ratten und Mäuse.
Da Waschbären nachts nicht besonders gut sehen können, ertasten sie ihre Nahrung genau, bevor sie sie essen. Da sie das sehr oft in der Nähe von Wasser machten, dachten die Menschen, sie würden ihre Nahrung waschen. So bekam der Waschbär seinen Namen. In Gefangenschaft bringen Waschbären ihre Nahrung sogar tatsächlich oft ins Wasser, bevor sie sie essen. Doch das wurde noch nie in freier Wildbahn beobachtet.
Aus 4 mach 250.000
Bei den Menschen in Amerika war der Waschbär schon lange sehr beliebt - vor allem als Pelzlieferant. Aus Waschbärenfell wurden Pelzmäntel und Mützen hergestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Waschbären dann auch an Pelzfarmer in Deutschland geliefert. Doch auch wenn immer mal wieder ein Tier ausbrach - die Waschbären konnten sich in Deutschland nicht halten.Das sollte sich im Frühling 1934 ändern: da wurden nämlich mit Genehmigung von Hermann Görings Jagdbehörde am hessischen Edersee zwei Waschbärpärchen ausgesetzt. Und diese vier Tiere vermehrten sich in der für sie wunderbar geeigneten Umgebung der hessischen Wälder. Es gab noch eine zweite Quelle für die Waschbären-Ausbreitung in Deutschland: etwa 20 Waschbären konnten 1945 nach einem Bombentreffer aus einem Waschbärengehege in Wolfshagen bei Strausberg in Brandenburg ausbrechen. 1956 gab es bereits 285 Tiere, 1970 schon 20.000 und im Jahr 2003 etwa 250.000 Waschbären. Sie sind fast alle Nachkommen der vier Waschbären vom Edersee, wie genetische Tests bewiesen. Mittlerweile haben sie sogar Österreich, Dänemarks und die Schweiz erreicht.
In Europa gibt es auch noch andere kleinere Gebiete, an denen Waschbären heimisch wurden - etwa in Nordfrankreich, im russischen Kaukasus und in Weißrussand. Doch es sind lange nicht so viele wie in Deutschland, wo der Waschbär mittlerweile zu den einheimischen Tieren gezählt wird.
Waschären erobern die Zivilisation
Seit 1950 haben die Waschbären einen neuen Lebensraum für sich erobert: die Städte der Menschen. Hier finden sie Nahrung im Überfluss - und reichlich Verstecke für den Tag. Das können Bäume vom Stadtpark sein, aber auch die Kanalisation oder Dachböden. Da Waschbären sehr gut klettern und springen können, kommen sie ohne Schwierigkeiten über das Fallrohr von Regenrinnen, über rankende Pflanzen oder angrenzende Bäume ins Dachgeschoss von Wohnhäusern und Scheunen. Dort verschlafen sie dann den Tag und durchwühlen nachts die Mülltonnen und Komposthaufen.
Waschbären können dabei ganz schön dreist werden. Bei einer Göttinger Katzenhalterin schlüpfte eines Abends ein Waschbär einfach durch die Katzenluke, stopfte sich vor ihren Augen mit Breckies voll und verdaute den Schmaus auf dem Wohnzimmerschrank.
Waschbären haben in der Nachbarschaft der Menschen einen neuen, fast idealen Lebensraum gefunden. In Kassel leben beispielsweise ungefähr ein Waschbär auf jedem Hektar der Stadt. Hier leben zehnmal mehr Waschbären nebeneinander als im Wald. Kein Problem, denn hier gibt es ja alles im Überfluss. Da braucht jeder Waschbär nur ein kleines Revier.
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