von Britta Pawlak - 15.08.2007
Indien und das Nachbarland Pakistan feiern in diesen Tagen ihre Unabhängigkeit. Vor 60 Jahren, am 15. August 1947, endete die britische Kolonialherrschaft. Fast 200 Jahre lang hatten die Briten das Land beherrscht. Doch nach der erkämpften Freiheit kam es im Süden Asiens zur Teilung, die mit blutigen Vertreibungen verbunden war. Viele Menschen zogen über die Grenzen, um ins muslimische Pakistan oder hinduistische Indien einzuwandern. Bis heute ist das Verhältnis zwischen den beiden Staaten angespannt.
Während Pakistan jedes Jahr bereits am 14. August seinen Unabhängigkeitstag feiert, finden die Feiern in Indien erst einen Tag später statt. In der Nacht zum 15. August 1947 verkündete der indische Staatsgründer Jawaharlal Nehru die Unabhängigkeit von den Briten.
Immer mehr Menschen hatten gegen die lange währende Fremdherrschaft Großbritanniens und für ihre Freiheit gekämpft. Die Bewegung des gewaltfreien Widerstandes, angeführt vom indischen Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi, hatte den Weg in die Unabhängigkeit bereitet. Der Traum Gandhis war ein großer Staat, der alle verschiedenen Religionen, Volks- und Gesellschaftsgruppen friedlich vereint.
Muslime und Hindus sowie religiöse Minderheiten wie Sikhs, Buddhisten und Christen hatten gemeinsam gegen die britische Besatzung gekämpft. Die unterschiedlichen Religionen führten aber zu Konflikten. Die Muslime gründeten im Westen ein eigenes Land: Pakistan. Im südöstlichen Gebiet entstand der Staat Indien. Gandhi sprach damals von einer "monströsen Zerteilung" des Landes.
Blutige Teilung nach der Unabhängigkeit
Eine riesige Massenwanderung mit blutigen Vertreibungen fand statt: Zwischen April und November 1947 zogen nahezu 15 Millionen Menschen über die Grenzen. Die Muslime wanderten Richtung Nordwesten nach Pakistan und Osten ins heutige Bangladesch, Angehörige des Hinduismus Richtung Süden nach Indien. Es kam zu grausamen Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen, bei denen fast eine Million Menschen getötet wurden.
Drei Kriege fochten die Länder nach ihrer Unabhängigkeit miteinander aus, im Jahr 2004 kam es endlich zu Friedensverhandlungen. Vor allem die Region Kaschmir zwischen Indien und Pakistan sorgte immer wieder für Konflikte. Nachdem die Staaten Indien und Pakistan gegründet wurden, war Kaschmir zunächst ein eigenes Land.
Pakistanische Kämpfer wollten jedoch die Herrschaft übernehmen. Daraufhin beschloss der Fürst von Kaschmir, dass das Land indisches Staatsgebiet sein sollte. Die beiden Staaten führten einen Krieg, der viele Tausend Opfer forderte. 1949 wurde die Region zwischen Indien und Pakistan aufgeteilt. Seitdem kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen und Terroranschlägen. Vor allem auf politischer Ebene herrscht weiterhin ein tiefes Misstrauen zwischen den Bruderstaaten. Immer wieder drohten militärische Konflikte. Sowohl Indien als auch Pakistan sind im Besitz von Kernwaffen.
Zwei Länder gehen unterschiedliche Wege
Ganz unterschiedlich verliefen die Entwicklungen der beiden Staaten. Während Indien heute nicht nur als größte, sondern auch als "erstaunlichste Demokratie der Welt" bezeichnet wird, gilt Pakistan als eher rückschrittlich. Die politischen Spannungen sind groß: Radikale Muslime verüben immer wieder Anschläge. Pakistan ist Nachbarland von Afghanistan und diente islamistischen Taliban-Kämpfern stets als Rückzugsgebiet. Seit einem unblutigen Putsch im Oktober 1999 ist General Pervez Musharraf pakistanischer Staatschef. Im "internationalen Kampf gegen den Terror" gilt er als Verbündeter der USA.
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass die Situation in Pakistan von Beginn an instabil war und sich keine wirkliche Demokratie entwickeln konnte. Anders als in Indien starb der pakistanische Staatsgründer Muhammad Ali Jinnah bereits kurz nach der erlangten Unabhängigkeit. In den 50er-Jahren kam es das erste Mal zum Putsch - also zum militärischen Sturz der Regierung. Während das indische Militär der gewählten Regierung untergeordnet ist, hat sich das Militär in Pakistan als eigene politische Kraft herausgebildet.
Spaltung Pakistans und Gründung Bangladeschs
Auch die Spaltung zwischen dem Osten und Westen Pakistans hat für eine tiefe Krise des Landes gesorgt. Zwischen den Menschen in West-Pakistan und den Ost-Pakistanern - den Bengalen - kam es zu Spannungen. Politisch und wirtschaftlich dominierte der Westen, während in Ost-Pakistan aber die Mehrheit der Bevölkerung lebte.
Die politischen Kräfte fürchteten, dass sich bei einem demokratischen Staat die Macht umverteilen würde und die Ost-Pakistaner das Sagen hätten. Die Bengalen kämpften gegen ihre Unterdrückung. 1971 erlangte der Osten seine Unabhängigkeit - und von nun an existierte der eigenständige Staat Bangladesch.
Pakistan kämpft weiterhin mit großen gesellschaftlichen Problemen. Das Wirtschaftswachstum kommt den armen Menschen bisher nicht zugute. Weite Bevölkerungsschichten Pakistans leben unterhalb der Armutsgrenze. Die medizinische Versorgung ist ungenügend, es mangelt an sauberem Trinkwasser, und die Lebenserwartung vieler Menschen ist niedrig. Viele junge Pakistaner haben schlechte Bildungschancen, die Arbeitslosigkeit ist vielerorts hoch. Die Ungleichheit zwischen den gesellschaftlichen Schichten ist groß. Hinzu kommt, dass Frauen in der pakistanischen Gesellschaft weiterhin stark unterdrückt werden.
Indien: Hightech-Land mit Elendsvierteln
Vor allem in Indien ist der Aufschwung erstaunlich. Neben dem Wirtschafts-Boom und der relativ stabilen Demokratie gibt es allerdings viele Schattenseiten. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Neben einigen extrem fortschrittlichen und modernen Städten herrscht vor allem in ländlichen Gebieten bittere Armut. Aber auch innerhalb der Stadtbezirke ist die Kluft groß: In den Millionenstädten lebt fast ein Drittel der Bevölkerung in Elendsvierteln.
Noch immer können etwa 40 Prozent der Inder nicht lesen und schreiben. Es fehlen Bildungseinrichtungen, und Kinderarbeit ist weit verbreitet. Viele Frauen in Indien haben sich durch die demokratische Entwicklung nach und nach ein Mitspracherecht erkämpfen können. Auch hier sind die Gegensätze allerdings groß: Durch kulturelle und religiöse Traditionen leben viele Inderinnen immer noch in Unterdrückung. Zwar gibt es viele Frauen, die an Universitäten studieren und politische Ämter besetzen. Auf der anderen Seite sind Morde an Frauen, Abtreibungen von Mädchen und Hexenverurteilungen weiterhin sehr verbreitet.
Gleich per Gesetz, rechtlos durch den Glauben
Obwohl die Menschen vor dem Gesetz die gleichen Rechte haben, herrscht in vielen Regionen Indiens gesellschaftlich immer noch eine starke Ungleichheit. Eine große Rolle spielt dabei die religiöse Weltanschauung. Das Kastensystem der Hindus teilt die Menschen in vier Kasten und die so genannten "Unberührbaren" ein. Diese werden von Kasten-Zugehörigen gemieden. Sie verrichten die niederste Arbeit und haben kaum Rechte.
Die Brahmanen dagegen - Priester und Gelehrte - gehören der höchsten Kaste an und haben das größte Ansehen. Hinduisten glauben an die Wiedergeburt und damit die Möglichkeit, in einen höheren Rang hineingeboren zu werden. Deshalb kämpfen viele Gläubige nicht für ihre Rechte, sondern fügen sich ihrem Schicksal, das sie als ihre Bestimmung ansehen.
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