Vorwurf: Totenschändung durch deutsche Soldaten in Afghanistan

26.10.2006

Der Skandal um die "Totenschändung" durch deutsche Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ist in diesen Tagen des Hauptthema in den Nachrichten. Am Mittwoch wurden Fotos in der Boulevard-Zeitung "Bild" veröffentlicht, auf denen deutsche Soldaten beim Posieren mit einem Totenschädel zu sehen sind. Die Öffentlichkeit reagiert schockiert auf die Fotos - es wird aber auch zunehmend Kritik an der Berichterstattung der Medien laut.


Die Isaf soll die afghanische Regierung beim Wiederaufbau des Landes unterstützen.
Bundeswehr
Die Internationale Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) soll die afghanische Regierung beim Wiederaufbau des Landes unterstützen. Ihre Aufgabe besteht darin, das Land zu beaufsichtigen, Projekte zum Wiederaufbau des Landes zu leiten und die afghanische Armee und Polizei auszubilden.

Nach Veröffentlichung der Fotos ist die Bundeswehr von einem noch nicht absehbaren Skandal betroffen, heißt es. Den deutschen Soldaten wird vorgeworfen, Totenschändung begangen zu haben. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2003 und sollen bei einer Kontrollfahrt durch das Land entstanden sein. Eine solche "Totenschändung" verstößt gegen die Menschenwürde und wird strafrechtlich verfolgt. Im Falle einer Verurteilung droht den Soldaten eine mehrjährige Haftstrafe.

Die Öffentlichkeit reagiert schockiert

Eines der Fotos zeigt einen Bundeswehrsoldaten der Isaf, der triumphierend mit einem Totenschädel posiert.
Helles Köpfchen (abfotografiert)

Die Bilder der in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten, die in schamlosen Gesten mit einem Totenkopf posieren, haben in der Politik und innerhalb der Bevölkerung Empörung hervorgerufen - sowohl in Afghanistan als auch in Deutschland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Fotos abscheulich. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kündigte harte dienstliche und möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen an, falls sich die Vorwürfe bestätigen sollten. "Wer sich so verhält, hat in der Bundeswehr keinen Platz", sagte Jung gegenüber den Medien.

Noch ist nicht eindeutig geklärt, woher die menschlichen Überreste auf den Fotos kommen. Es wird vermutet, dass der Schädel aus einem Massengrab stammt. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass die Soldaten den Totenkopf auf einem freigelegten afghanischen Friedhof südlich von Kabul gefunden haben. Bei den sterblichen Überresten könnte es sich sowohl um die eines Afghanen als auch um die eines russischen Soldaten handeln, der möglicherweise während der sowjetischen Besatzungszeit von 1980 bis 1989 gefallen ist.

In einem Interview hat sich jetzt einer der Soldaten zu den Vorwürfen bekannt. Nach seiner Aussage stammen die Knochen nicht von einem Friedhof. Vielmehr seien sie in einer Grube gefunden worden, in der Einheimische nach Lehm für ihre Häuser gegraben hätten. Die Soldaten vor Ort hätten gemeinsam diese Bilder gemacht.

Rückschlag für den Frieden?

Verteidigungsminister Jung kündigte am Freitag die Suspendierung (Entlassung) von zwei der verdächtigen Soldaten aus dem Bundeswehrdienst an.
Wikipedia

Es wird befürchtet, dass die Fotos den Zorn vieler Muslime auf den Westen weiter entfachen. Die Bilder verletzen die Gefühle vieler Menschen - vor allem auch die gläubiger Muslime. Die Ruhe der Toten gilt im Islam und auch in vielen anderen Religionen als strenges Heiligtum. Auch in der westlichen Welt reagierten die Menschen schockiert. Die Regierung in Kabul hat die Totenschändung als schweren Verstoß gegen islamische Werte und afghanische Traditionen verurteilt und fordert ein hartes Vorgehen gegen die deutschen Soldaten.

Die Bundeswehr hat bereits sechs Beteiligte der Leichenschändungen in Afghanistan erkannt. Es soll sich um Männer aus Mittenwald (Bayern) handeln. Drei Soldaten haben sich bereits zu den Vorwürfen bekannt. Vier der Verdächtigen arbeiten nicht mehr für die Bundeswehr. Zwei Soldaten, denen eine Teilnahme vorgeworfen wird, sind bereits aus der Bundeswehr entlassen worden. Es heißt nach neuesten Angaben, dass inzwischen gegen 20 Isaf-Soldaten ermittelt wird.

Kritik an der Berichterstattung

Das Aufsehen der vergangenen Tage um diese Bilder löste aber auch zunehmend Kritik aus: Es wäre nur noch von ein paar Soldaten die Rede, die schamlose Fotos gemacht haben - was für auf "Sensationsmeldungen" ausgerichtete Boulevard-Blätter wie die Bild-Zeitung ein gefundenes Fressen sei. Dadurch dürfe nicht die Krisensituation in Afghanistan in den Hintergrund rücken.

Die Einsätze der Isaf fordern immer wieder zahlreiche Opfer - sowohl innerhalb der afghanischen Bevölkerung, als auch auf Seiten der sationierten Soldaten. Viele Menschen in Afghanistan sehen in den US- und Isaf-Truppen keine "Befreier", die das Land unterstützen - so, wie sie oft in den Nachrichten dargestellt werden. Kritiker sagen, dass bei den Einsätzen nicht der Schutz der dort lebenden Menschen an oberster Stelle stehe, sondern vor allem der "Kampf gegen den Terrorismus".

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letzte Aktualisierung: 25.10.2009

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