von Anna Knopf - 02.12.2005
Meine Zeit in Adelaide nähert sich langsam dem Ende. Jetzt bin ich nur noch drei Wochen hier. Eigentlich hatte ich vor, die letzten beiden Novemberwochen als Erntehelferin zu arbeiten. Aber nun bleibe ich doch lieber hier, wo ich einen super bezahlten und einfachen Job habe. Das ist viel besser, als bei Affenhitze auf einem Feld zu schuften und nur die Hälfte zu verdienen.
In meinem vorigen Bericht hatte ich euch ja schon geschrieben, dass ich in einem Büro an der Universität arbeite. Manchmal bin ich echt genervt von den ausländischen Studenten, die sich um einen Studienplatz bewerben. Es sind so viele Leute nicht in der Lage, die Formulare richtig auszufüllen.
Selbst Studenten aus den Vereinigten Staaten von Amerika oder aus England, die Englisch als Muttersprache sprechen, machen unglaubliche Fehler. Zum Glück gibt es immer mal etwas Lustiges, worüber wir hier lachen können. So hat ein Student aus Indien in seinem Lebenslauf angegeben: "Gewicht: 78 Kilogramm (im Moment)." Das ist eine Information, auf die wir auch gerne verzichtet hätten. Um zu studieren ist diese Angabe jedenfalls völlig uninteressant.
Besuch auf Kangaroo Island
Übers Wochenende war ich mit meiner Namensvetterin Anna auf der Känguru-Insel (Kangaroo Island). Das war echt super. Man muss mit der Fähre hinfahren. Auf dem Schiff war es so windig, dass mir doch glatt der Milchschaum von meinem Kakao auf meine Brille und sogar ins Auge geflogen ist.
Anna hatte sich von einem befreundeten Studenten ein altes Auto geliehen, mit dem wir auf der Insel herumgefahren sind. Es gibt dort romantische, steile Klippen, strahlend blaues Meerwasser und viele Seen. Die Landschaft ist einfach super. Am Freitag haben wir uns ein Gebiet mit riesigen weißen Sanddünen angesehen. Deshalb haben es die Australier nach der größten afrikanischen Wüste benannt. Es heißt "Kleine Sahara".
Freche Kängurus
Die Känguru-Insel hat ihren Namen zu Recht. Überall springen diese Tiere hier herum, sogar auf unserem Campingplatz. Die Kängurus hier sind sogar richtig frech. Sie wollten unbedingt etwas von unserem Abendessen abhaben. Eine Mutter stand im Hintergrund und hat ihr süßes Junges vorgeschickt. Das Baby-Känguru hat richtig gebettelt, indem es seine Vorderpfoten auf meine Knie gestellt und seine Nase in unsere Vorrats-Tasche gesteckt hat.
Wir haben uns zuerst kaputt gelacht. Aber dann mussten wir schnell die Kofferraum-Klappe unseres Autos zumachen, damit uns der "junge Hüpfer" nicht alle Vorräte klaut. Das kleine Känguru saß noch eine Weile hartnäckig vor dem Auto und hat uns ganz empört angesehen. Nach einer Weile sind Mutter und Baby-Känguru beleidigt davon gehoppelt.
Koalabären und Eukalyptusbäume
Koalas gab es auch jede Menge. Einer saß mitten auf der Straße und hat unserem Auto nur sehr widerwillig Platz gemacht. Koalabären sehen zwar süß aus, aber sie machen ganz komische Geräusche. Sie hören sich an wie ein kaputtes Moped.
Am Samstag haben wir uns eine Tropfsteinhöhle angesehen. Am nächsten Tag sind wir durch einen Nationalpark gefahren, wo wir bis zum Horizont nur welliges Land mit Eukalyptusbäumen gesehen haben. Es war total schön, so durch die Wildnis zu fahren. Später haben wir das Auto geparkt und haben einen dreistündigen Spaziergang durch den Busch zum Strand gemacht.
Es weihnachtet sehr
Hier ist die Vorweihnachtszeit in vollen Zügen, fast genau wie zu Hause, nur noch etwas kitschiger. Natürlich dürfen tannengrüne Plastik-Girlanden in den Straßen und Geschäften nicht fehlen. Es gibt jede Menge rote, plüschige Weihnachtsmänner zu bestaunen. Überall begegnen mir Lichterketten, Glitzerzeug und alles, was so dazugehört. Besonders die Schneepostkarten wirken bei sommerlichen 30 Grad Celsius Außentemperatur etwas lächerlich.
Die Australier haben die Vorstellung, dass es an Weihnachten winterlich und kalt zu sein hat, wohl noch aus England mitgenommen. Anders kann ich mir diese Vorliebe für Schnee-Motive nicht erklären, schließlich liegt Weihnachten hier auf der Südhalbkugel im Sommer. Da fällt mir eine Geschichte ein, die ich euch erzählen will.
Als ich im Juli hier angekommen bin, war in Australien gerade "tiefster" Winter (aber natürlich war es selbst dann viel zu warm für Schnee). Bei meiner ersten Reise in die "Blauen Berge" habe ich in einer Jugendherberge geschlafen. Nachts bin ich plötzlich aufgewacht und dachte, ich spinne. Ich hörte Weihnachtslieder! Im Juli! Am nächsten Morgen habe ich dann erfahren, dass die australischen Herbergs-Bewohner tatsächlich eine Art Weihnachten gefeiert haben. So richtig mit Tannenbaum, Kerzen, Liedern und Truthahn-Braten. Also gibt es hier zwei Weihnachtsfeste: ein "gemogeltes" im Winter und das echte am 25. und 26. Dezember.
"Mach dir keine Sorgen"
Einige von euch haben mich gefragt, wie ich die Australier so finde. Sie sind alle ganz nett, aber soooo anders sind die Leute hier auch nicht, finde ich. Ein Unterschied gibt es allerdings schon: die meisten "Aussies" haben eine gemütliche "Mach-dir-keine-Sorgen-Einstellung“. Die Leute sind irgendwie offener und nicht so pingelig wie zu Hause. Von daher fühle ich mich hier als Ausländer sehr wohl.
Jemand hat in einer Bewertung geschrieben, dass ich die Landschaft hier ausführlicher beschreiben soll. Das mache ich gerne. Natürlich ist Australien ein großes Land und es sieht nicht überall gleich aus. Eine Sache ist mir aber sofort aufgefallen: die unglaubliche Weite. Deutschland wird mir bestimmt wahnsinnig eng vorkommen, wenn ich wieder zurückgekehrt bin. Es ist toll, dass man hier in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont nur Landschaft sehen kann, ohne ein einziges Bauwerk.
"Geister-Büsche" leuchten gespenstisch
Die ganzen fremdartigen Pflanzen, die ich nicht kenne, faszinieren mich auch. Zum Beispiel gibt es einen Busch namens "Bottle Brush" (Flaschenbürste). Seine leuchtend roten, faustgroßen Blüten sehen tatsächlich wie Flaschenputzer aus. Der am häufigsten vorkommende Baum ist Eukalyptus, den die Australier "Gum Tree" ("Gummibaum") nennen. Es gibt verschiedene Arten von Eukalyptus. Am tollsten sind die so genannten "Ghost Gums" ("Geister Gummis"). Seinen Namen hat er seinem kalkweißen Stamm zu verdanken, der im Mondlicht gespenstisch leuchtet.
Manchmal erinnert die Gegend hier stark an England: Es gibt viele grüne Hügel und Schafherden. Wenn es allerdings bald richtig sommerlich wird, dann wird hier alles verdörren. DieHügel, die jetzt noch grün sind, werden dann braun oder sogar schwarz verbrannt.
Viele Grüße und bis bald,
eure Anna
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