von Tanja Lindauer
In vielen Ländern ist der 1. Mai ein Feiertag. An diesem Tag muss man nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen, man hat also frei, obwohl er "Tag der Arbeit" heißt. Häufig feiert man in den 1. Mai hinein: Es werden Partys zum "Tanz in den Mai" veranstaltet, es wird ein Maibaum aufgestellt oder ein Maifeuer entfacht - und je nach Region wird zum Beispiel auch ein Maikönig gewählt. Auf der anderen Seite werden am 1. Mai Protestveranstaltungen abgehalten und es kommt besonders in den großen Städten auch zu Unruhen und Randalen. Das hängt mit dem Ursprung des Feiertages zusammen, denn dieser geht auf die Arbeiterbewegung zurück. Was wird denn nun eigentlich am 1. Mai gefeiert?
Der 1. Mai war nicht immer der Tag der Arbeit. Erst seit 1886 wird dieser Tag als solcher gefeiert. Seinen Ursprung finden wir in den USA: Im 19. Jahrhundert waren die Bedingungen für die Arbeiter noch sehr hart. Die Menschen mussten zehn Stunden und mehr am Stück arbeiten und erhielten dafür nur einen sehr geringen Lohn, von dem sie gerade so überleben konnten. Selbst Kinder mussten hart arbeiten und so etwas wie Urlaub, geschweige denn Urlaubsgeld, gab es nicht. Als Arbeiter hatte man kaum Rechte und man wurde regelrecht ausgebeutet. Die Arbeit in den Fabriken war zudem sehr gefährlich, es gab kaum Sicherheitsvorkehrungen. Hinzu kam noch, dass es sehr laut und schmutzig war.
Die Arbeiter mussten also nicht nur körperliche Schwerstarbeit verrichten, sondern gefährdeten auch noch ihre Gesundheit. Wenn sie krank wurden, mussten sie trotzdem weiter arbeiten. Denn eine "Lohnfortzahlung" bei Krankheit, wie wir sie heute kennen, gab es nicht - erschien man nicht zur Arbeit, dann gab es auch kein Geld. Aber die Arbeiter waren auf ihren mickrigen Hungerlohn angewiesen und konnten es sich nicht leisten, ihre Rechte einzufordern und zu riskieren, dass man sie feuerte. Die Arbeitsbedingungen waren also sehr unfair und unmenschlich. Daher begannen mit der Zeit immer mehr Arbeiter, sich gegen die Bedingungen zu wehren. Aber nur wenn genügend Menschen protestieren würden, bestand die Chance, etwas zu erreichen und zu verändern. Schließlich waren die Fabrikbesitzer darauf angewiesen, dass sie genügend Arbeiter hatten.
Der große Protest vom 1. Mai 1886
So kam es am 1. Mai 1886 erstmalig zu einem großen Protest in den USA, bei dem mehr als 340.000 Arbeiter auf die Straßen gingen und streikten - sie weigerten sich also zu arbeiten. Die wütenden Menschen forderten bessere Arbeitsbedingungen, einen kürzeren Arbeitstag und mehr Lohn für ihre Arbeit. Der größte Streik fand in Chicago statt, bei dem allein mehr als 90.000 Menschen protestierten. Nach zwei Tagen kam es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei und viele Menschen mussten ihr Leben lassen. In die Geschichte ist dieses Ereignis auch unter dem Begriff "Haymarket Riot" eingegangen - der Name geht auf den Platz Haymarket in Chicago zurück.
Die Arbeiter konnten zunächst keine Verbesserung für sich erzielen und so kam es immer wieder zu Protesten, auch in Europa. Denn auch in Deutschland, England, Frankreich und anderen Staaten waren die Bedingungen für die Arbeiter sehr schlecht. Erst einige Jahre später wurden die Arbeitsbedingungen allmählich besser. 1889 wurde in Paris ein internationaler Arbeiterkongress abgehalten, auf dem man beschloss, dass die Arbeiter auf der ganzen Welt am 1. Mai 1890 streiken sollten. Dieses Datum wurde in Erinnerung an den Protest vom 1. Mai 1886 in den USA gewählt und man bezeichnete den 1. Mai als "Kampftag der Arbeiterschaft". An diesem Tag wurden zudem häufig die Arbeitsverträge abgeschlossen und man wechselte oftmals an diesem Datum den Job. Daher wird er auch als "moving day" bezeichnet.
Auch in Deutschland ging man 1890 auf die Straßen und demonstrierte. Die Menschen, die an diesem Tag streikten, bewiesen eine Menge Mut, denn man drohte ihnen, dass sie ihre Arbeit verlieren und auf eine "Schwarze Liste" kommen würden. Die Arbeiter, die auf dieser Liste standen, wurden von den Unternehmern nicht mehr in ihren Firmen aufgenommen. Diese Menschen erhielten also keine neue Arbeitsstelle und wurden mittellos. Trotzdem gingen sie auf die Straßen und demonstrierten.
Bessere Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen wurden sowohl in Deutschland als auch weltweit allmählich besser. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik die Arbeitszeit auf acht Stunden am Tag reduziert. 1919 beschloss man in Deutschland, dass der 1. Mai offiziell zum Feiertag werden sollte. Dies war unter anderem auch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zu verdanken, die damals in der Regierung saß und als Partei bekannt war, die sich besonders für die Interessen der Arbeiter einsetzte. An diesem Tag sollte man an die Opfer der einstigen Kämpfe gedenken.
Viele Bürger waren allerdings gegen die Einführung des Feiertags oder sie waren sich nicht einig, wie man den Maifeiertag begehen sollte. Und so wurde er ein Jahr später in vielen Regionen Deutschlands wieder abgeschafft. 1933 führten dann die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler den Feiertag erneut ein und nannte ihn "Tag der nationalen Arbeit". Doch Hitler war nichts an den Rechten der Arbeiter gelegen und er ließ nur einen Tag später, am 2. Mai 1933, alle Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften, die sich für die Rechte der Arbeiter einsetzten, verbieten. Ein Jahr darauf hieß der Tag daher "Nationaler Feiertag des Deutschen Volkes", von Arbeitern oder Arbeit war also nicht mehr die Rede. Es war auch kein Tag mehr für die Arbeiter, sondern er diente in erster Linie dazu, politische Paraden der NSDAP, der Partei der Nationalsozialisten, abzuhalten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der 1. Mai wieder zum Feiertag der Arbeiter ernannt. Seitdem rufen die Gewerkschaften zu Kundgebungen für die Rechte der Arbeiter auf. Nicht nur in Deutschland hat der Tag eine Bedeutung, denn auch international denkt man an diesem Datum an die Opfer der Kämpfe in den USA und an die entscheidenden Rechte der Arbeiter. Auch heute noch gibt es große Missstände auf dem Arbeitsmarkt. Viele Menschen haben einen unsicheren Job zu schlechten Bedingungen - zum Beispiel werden sie nur auf Zeit eingestellt und ihre Zukunft ist dann ungewiss, sie werden nicht gut bezahlt, machen ständig Überstunden und haben wenig freie Tage. Nicht wenige verdienen in ihrem Job so schlecht, dass sie später eine sehr geringe Rente erhalten und von Altersarmut bedroht sind. Vor allem in einigen Branchen - wie im sozialen Bereich - sind die Gehälter recht niedrig. Besonders Menschen ohne Abschluss oder Ausbildung sowie "gering ausgebildete" Arbeiter haben es auf dem Arbeitsmarkt schwer, finden keinen Job oder arbeiten zu sehr schlechten Bedingungen.
Demos und Ausschreitungen am 1. Mai
Im Laufe der Jahre kam es regelmäßig zu Protesten und Ausschreitungen in Berlin und Hamburg, vor allem der Stadtbezirk Kreuzberg in Berlin wurde zum Symbol der Ausschreitungen am 1. Mai. Insbesondere politisch links orientierte sowie auch linksradikale Gruppen organisieren am Tag der Arbeit Straßenfeste und Demonstrationen, die immer wieder von gewalttätigen Auseinandersetzungen begleitet werden.
Viele Protestler ziehen auf die Straßen, um auf Missstände auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen und gegen schlechte Löhne, unfaire Arbeitsbedingungen und Ausbeutung durch Arbeit zu demonstrieren. Einige von ihnen fordern zum Beispiel nicht nur die Einführung eines Mindestlohns für alle Tätigkeiten, sondern ein "bedingungsloses Grundeinkommen" für jeden Bürger unabhängig von seiner Arbeitsleistung. Manchmal werden die Demos auch genutzt, um auf weitere soziale Probleme hinzuweisen oder einfach seinen Unmut zu äußern - einige der Demonstranten gehen dabei sehr aggressiv vor und sind in erster Linie auf Konflikte aus.
Vor allem seit dem 1. Mai 1987 wird jährlich an diesem Tag kritisch nach Berlin geschaut. An diesem Datum kam es zu sehr schweren Unruhen und die Polizei musste sich sogar für einige Stunden aus dem Gebiet zurückziehen. Zunächst verlief der Tag der Arbeit 1987 wie auch die Jahre zuvor, es kam zu friedlichen Protesten und kleineren Unruhen. Auf dem Straßenfest in Kreuzberg ging es zunächst ruhig zu. Dann wurde in der Nähe ein Streifenwagen der Polizei umgeworfen und zwei Bauwagen wurden auf die Straße gezogen. Die Polizei befürchtete, dass alles aus dem Ruder laufen könnte, und löste das Straßenfest auf. Das wollten sich die Demonstranten nicht gefallen lassen und so setzte die Polizei Schlagstöcke ein. Als Reaktion wurden nun Barrikaden errichtet. Gewalttätige Protestler zündeten Autos an, warfen Molotowcocktails und es kam zu nie dagewesenen Auseinandersetzungen. Sogar die Feuerwehr, die die Brände löschen wollte, wurde angegriffen. Geschäfte wurden geplündert, vor allem Regale mit Alkoholflaschen in den Supermärkten leer geräumt und die Läden wurden angezündet. Erst gegen zwei Uhr morgens konnte die Polizei abermals in das Geschehen eingreifen, als viele der Randalierer mittlerweile völlig betrunken und ermüdet waren.
Aber wie kam es überhaupt dazu? In Kreuzberg (vor allem in Kreuzberg 36) gab es schon seit längerer Zeit immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Besetzern von leer stehenden Häusern. 1987 kam hinzu, dass sich die linke Szene gegen die Volkszählung wehren wollte, die in diesem Jahr durchgeführt werden sollte. Im Mittelpunkt der Gegenwehr stand vor allem das so genannte "VoBo-Büro" (VoBo steht für Volkszählungsboykott, also die Verweigerung der Volkszählung). Dieses Gebäude wurde am 1. Mai von der Polizei aufgebrochen und durchsucht, was die schon angespannte Stimmung in Kreuzberg weiter anheizte und schließlich zu den Ausschreitungen führte. Von diesem Datum an wurde es in Berlin regelrecht zur Tradition, "revolutionäre Mai-Demonstrationen" durchzuführen, die sowohl am Abend vor dem 1. Mai stattfinden, als auch an dem Tag selbst. Neben Berlin finden mittlerweile insbesondere auch in Hamburg jedes Jahr Demonstrationen gegen unfaire Arbeitsbedingungen und soziale Ungleichheit statt, die nicht selten in Gewalt ausschreiten.
Tanz in den Mai und Walpurgisnacht
Doch der erste Mai steht nicht nur für Proteste, Kundgebungen und Krawalle, sondern ist auch ein Tag der traditionellen Frühlingsfeiern. Dazu gehört vielerorts zum Beispiel das Aufstellen oder Setzen eines Maibaums. Dieser hat eine lange Geschichte: Verwendet man heute häufig Fichten als Maibaum, waren es früher vornehmlich Birken, die man am Maifeiertag schmückte und aufstellte. Denn sie sind mit die ersten Bäume, die nach dem langen Winter in Blüte stehen, und sind für die Menschen deshalb auch ein Symbol für Leben und Kraft.
Der Maibaum wird bis auf die Spitze entastet, geschmückt - zum Beispiel mit einem Kranz - und meistens auf dem Dorfplatz aufgestellt. In einigen Regionen gibt es sogar Spiele, bei denen der Maikönig ermittelt wird. So wird der Stamm zum Beispiel mit Seife eingeschmiert, und wer es dennoch schafft, an dem Maibaum hochzuklettern, wird Maikönig. Zu den bekanntesten Spielen gehört der Maibaumklau, bei dem man versucht, den Maibaum aus dem Nachbardorf zu stehlen. Natürlich bewachen die Dörfer ihre Bäume, aber irgendwann wird man müde oder passt einmal nicht auf, und schon ist der Baum weg...
Das Aufstellen des Maibaums wird meistens mit dem Tanz in den Mai gefeiert. Man feiert also am 30. April in den Mai hinein. Der Maitanz, der in größeren Städten auch in Form von Partys, Konzerten und Tanzveranstaltungen gefeiert wird, geht wahrscheinlich auf die Legende zur Walpurgisnacht zurück. In früheren Zeiten glaubte man, dass sich in dieser Nacht die Hexen auf dem Blocksberg im Harz versammelten, um den Hexensabbat zu feiern. Vermutlich wurden ursprünglich heidnische (nicht-christliche) Bräuche, etwa die Fruchtbarkeitsrituale der Kelten zur Begrüßung des Frühlings, von der christlichen Kirche verteufelt und so entstand der Mythos der bösen Hexen, die sich auf dem Blocksberg trafen. Der Blocksberg heißt übrigens eigentlich "Brocken" und liegt im Harzgebirge.
Ebenso das Maifeuer hat eine lange Tradition und sollte die bösen Geister vertreiben. In einigen Gegenden wird später auch der so genannte Maisprung vollführt. Dabei müssen Verliebte gemeinsam über das heruntergebrannte Feuer springen. Der Maibaum bleibt meistens bis zum Ende des Monats aufgestellt, in manchen Regionen sogar bis zum Herbst. Auch das Umlegen des Baumes kann je nach Region mit einem Fest verbunden sein. Die Feuerwehr legt dabei den Maibaum um und versteigert den Baum als Brennholz.
Maibaum als Liebesbeweis: Eine alte Tradition
Das Setzen eines Maibaums gehört ebenfalls zu den festen Bräuchen an diesem Tag: Männer, die verliebt sind, setzen ihrer Angebeteten einen Baum vor das Haus, um so ihre Liebe zu bekunden. Das Setzen eines Maibaums ist eine sehr alte Tradition, die auch schon im antiken Rom zelebriert wurde. Die Römer veranstalteten am 1. Mai zu Ehren der Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit ein Fest. Maia, so hieß die Göttin, ist auch die Namenspatronin für diesen Monat. Die Römer sollen schon damals um den Maibaum getanzt sein. Aber ebenso andere Stämme und Völker, wie etwa die Germanen, stellten an diesem Tag einen Baum auf. Sie wollten damit die Hochzeit der Göttin Freia mit dem Himmelsgott Wotan feiern.
Die Tradition, dass Männer einen Baum als Liebesbeweis fällen, kam erst im Mittelalter auf. Sie schmückten den Baum und stellten ihn vor das Fenster der Angebeteten. Damit bekundeten die Männer Tapferkeit und Mut, sich über gängige Regeln hinwegzusetzen, denn diese Tat wurde öffentlich nicht gerne gesehen: Die Kirche empfand sie als unchristlich, schließlich würde man damit einem heidnischen Brauch der "Ungläubigen" folgen. Aber auch die Waldbesitzer waren nicht einverstanden, dass man ihnen die Bäume klaute. Das sollte die Verliebten nicht zurückschrecken lassen, je gefährlicher es wurde, desto mehr wurden sie als Helden gefeiert. Heute hat das Setzen eines Maibaumes nichts mehr mit Heldenhaftigkeit zu tun, schließlich kann man die Bäume dafür sogar kaufen, aber eine nette Geste bleibt es für viele dennoch.
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letzte Aktualisierung: 23.05.2023
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