von Britta Pawlak
Kritische Stimmen prangern an, dass die soziale Ungleichheit in der globalisierten Welt immer stärker wächst. Die Macht konzentriert sich auf bestimmte Länder und vor allem einige Großkonzerne, während weiterhin viele Millionen Menschen auf der Welt von Hunger und bitterer Armut betroffen sind. Warum sehen einige in den wirtschaftlichen Entwicklungen sogar eine "Fortsetzung des Kolonialismus"? Was fordern die so genannten "Globalisierungsgegner"? Und warum schotten sich die reicheren Industrienationen immer stärker von den armen Ländern ab?
Durch den Prozess der fortschreitenden Globalisierung gewinnen große Konzerne an Einfluss, während kleine Unternehmen, Einzelhändler und Landwirte unter immer größerem Konkurrenzdruck stehen und um ihre Existenz bangen - wenn die Großkonzerne ihre Macht weltweit ausbauen, haben die kleineren Unternehmen und Händler keine Chance mehr, auf dem Markt mitzuhalten. In wirtschaftlichen schwachen Staaten, in denen die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist, wehren sich die Menschen auch kaum gegen schlimme Arbeitsbedingungen, weil sie keine Stimme haben und froh sind, überhaupt Geld zu verdienen.
Nur weil es diesen Menschen so schlecht geht, sind viele Waren bei uns so billig zu kaufen. Globalisierung bedeutet also für einige Menschen, dass sie immer mehr Geld in den Taschen haben, und für andere, dass ihnen immer weniger Geld zur Verfügung steht - viele von ihnen leben in bitterer Armut. Dazu sagt man auch, dass die "Schere zwischen Arm und Reich" weiter auseinandergeht - die soziale Ungleichheit wächst, wenn ohnehin wohlhabende Menschen in vielen Fällen noch reicher und ärmere Menschen immer ärmer werden.
Die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich aber nicht nur zwischen den reicheren Industriestaaten und den Ländern dieser Welt, die von Armut und Hunger betroffen sind. Auch innerhalb der einzelnen Staaten ist ein immer größeres Wohlstandsgefälle zu beobachten. Während in reicheren Staaten wie Deutschland und den USA der Tätigkeitsbereich der Dienstleistungen weiter anwächst, verliert die Branche von Industrie und Handwerk an Einfluss. Auf dem Arbeitsmarkt sind vor allem sehr gut ausgebildete Menschen gefragt. Weniger qualifizierte und ungelernte Arbeiter haben immer schlechtere Jobaussichten und müssen sehr gering bezahlte, unsichere Stellen annehmen.
Fortsetzung des Kolonialismus?
Einige sehen in den Missständen der globalen Wirtschaftsentwicklungen sogar eine Art Fortsetzung des Kolonialismus - denn die Folgen des Großmachtstrebens der europäischen Staaten, die andere Länder einst besetzt, beherrscht und ausgebeutet haben, reichen bis in die Gegenwart. Nicht nur wurden den einheimischen Menschen in Afrika oder Amerika damals neue politische Machtverhältnisse, gesellschaftliche Strukturen und ein fremder Glaube aufgezwungen. Auch ihre Landwirtschaft mussten die unterworfenen Länder nach dem Willen der Kolonialmächte ausrichten. Die Europäer raubten die Rohstoffe dieser Länder und zwangen die dortigen Menschen, für ihren eigenen Markt zu produzieren. Heute noch gehört viel Landfläche der einst kolonisierten Länder nicht dem Staat selbst, sondern "multinationalen" - also in mehreren Staaten ansässigen - Konzernen.
Weiterhin betreiben viele von Armut und Hunger betroffene Länder eine einseitige Landwirtschaft, weil die früheren Kolonialmächte den Anbau bestimmter Kulturpflanzen vorschrieben, die sie für ihre eigene Industrie wünschten. Eine "monokulturelle" Landwirtschaft, bei welcher auf den Feldern nur eine bestimmte Pflanzenart angebaut wird, bringt jedoch viele Probleme mit sich - sie belastet die Umwelt und die betroffenen Länder sind stark abhängig von dem Handel mit anderen Staaten und von den Preisen auf dem Weltmarkt, die extrem schwanken können.
An der Börse wird auch mit landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Getreide "spekuliert" - seitdem sind die Preise für Getreide deutlich angestiegen. Die Börse ist ein Markt, auf dem aber nicht mit Waren wie Getreide oder Gemüse, sondern mit Wertpapieren (zum Beispiel als Anteile an Firmen in Form von Aktien) oder ausländischen Zahlungsmitteln (zum Beispiel Dollar) gehandelt wird. Die Börsenwerte können sich ständig ändern: Wenn von einer Aktie viele gekauft werden, steigt ihr Kurswert, und er fällt wiederum, wenn viele verkauft werden. Nimmt man an, dass der Wert steigen wird, kauft man Aktien oder umgekehrt - man "spekuliert" also an der Börse. Die Anzahl an hungernden Menschen auf der Welt steigt, während Banken, Investmentgesellschaften und Anleger auf diese Weise mit Grundnahrungsmitteln handeln und deren Preise durch "Börsenzocker" in die Höhe getrieben werden.
Menschliche Arbeitsbedingungen für alle?
Gegen diese wirtschaftlichen Entwicklungen, die mit Missständen und unfairem Handel verbunden sind, kämpfen Kritiker des "kapitalistischen" Wirtschaftssystems und so genannte "Globalisierungsgegner". Zum Beispiel protestieren viele von ihnen jährlich gegen den G8-Gipfel, auf dem sich die Politiker der acht mächtigsten Länder der Erde (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Russland) treffen. Sie beraten dort über Fragen des Welthandels - auch über eine bessere Unterstützung der ärmeren Staaten wird diskutiert.
Nach Meinung der Globalisierungskritiker treffen sich auf diesem Gipfel jedoch genau diejenigen Menschen, die eine große Verantwortung für das Leid der armen Länder tragen. Sie werfen den mächtigen Politikern vor, in erster Linie eigene Interessen zu verfolgen und viel zu wenig gegen Armut und Missstände auf der Welt zu unternehmen. Tatsächlich wird das Gefälle zwischen "Nord" und "Süd" immer größer: gemeint sind die reichen westlichen Industriestaaten einschließlich Japan auf der einen und die so genannten "Dritte-Welt"-Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika auf der anderen Seite (man spricht auch vom "Nord-Süd-Konflikt").
In Preisen gemessen vereinigen die mächtigen G8-Staaten ungefähr zwei Drittel des gesamten Welthandels. Es leben aber weniger als 14 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern der G8. Diskutiert werden die Probleme dieser Welt also von den Staatschefs reicher Industrieländer - auch, wenn Gespräche mit den Vertretern von "Schwellenländern" wie Brasilien, China, Indien, Mexiko und afrikanischen Staaten stattfinden. Vollmitglieder des Weltwirtschaftsgipfels sind ausschließlich die G8-Länder. Bemängelt wird dabei vor allem, dass die Interessen der "mächtigen Staaten" im Mittelpunkt stehen, die somit ihre Vormachtstellung weiter ausbauen.
Forderungen der Globalisierungsgegner
Politische Ziele der globalisierungskritischen Organisationen sind, einen gewissen "Wohlstand für alle" zu schaffen, statt Reichtümer ungleich unter wenigen zu verteilen, Menschenrechte weltweit durchzusetzen und eine Wirtschaft zu betreiben, bei der Mensch und Umwelt im Zentrum stehen. Die meisten Kritiker wollen die Globalisierung jedoch nicht abschaffen - das würde auch kaum funktionieren. Aber sie wollen, dass die soziale Ungleichheit verringert wird und auf der Welt verbindliche Regeln gelten, die allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen.
Dazu gehört, dass jeder genug Geld verdienen kann, um seine Familie zu versorgen. Auch sollen die Arbeitsbedingungen in den ärmeren Ländern menschlicher werden. Wichtig ist ihnen außerdem, dass die armen Länder viel stärker dabei unterstützt werden, ihre eigene Wirtschaft aufzubauen und mehr Unabhängigkeit zu erlangen. Denn während der Staat dort teilweise eine Menge Geld in die Produktion bestimmter Waren steckt, die ins Ausland verkauft werden, wird viel zu wenig in den Aufbau von Schulen sowie "Infrastruktur" wie Straßen, Strom- und Wasserleitungen oder sanitäre Anlagen investiert.
Eine bekannte globalisierungskritische Organisation ist zum Beispiel "Attac". Sie fordert unter anderem, dass aus dem freien Welthandel ein "fairer" Handel wird, also ein Handel, in dem keine Menschen benachteiligt werden. Wer als Verbraucher seinen Beitrag leisten will, kann in Naturkost- und Weltläden und mitterweile auch in einigen Supermärkten fair gehandelte Produkte kaufen. Das Fair-Trade-Siegel kennzeichnet solche Waren. Die Globalisierungskritiker stehen außerdem für mehr Unterstützung der armen Länder, für den weltweiten Kampf gegen Armut und Welthunger und speziell für die Hilfe für Afrika ein. Denn täglich sterben weltweit etwa 24.000 Menschen an Unterernährung und ungefähr 840 Millionen haben nicht genug zu essen. Alle drei Sekunden etwa stirbt ein Kind an den Folgen von Hunger. Auch der Umwelt- und Tierschutz ist vielen Globalisierungskritikern ein wichtiges Anliegen.
Keine Chance für Flüchtlinge
Zwar bedeutet Globalisierung Welthandel und eine immer stärkere globale Vernetzung, andererseits ist zu beobachten, dass sich die wohlhabenden Staaten weiter von den ärmeren Ländern der Welt abschotten. So grenzt sich die Europäische Union insbesondere von den armen Staaten Afrikas immer stärker ab. Während die Kontrollen zwischen den Mitgliedsländern fallen, werden die Grenzen zu den Nicht-EU-Ländern umso strenger abgesichert. Das hat schlimme Folgen für viele Flüchtlinge in Not.
Die reicheren Industrieländer argumentieren damit, dass sie nicht noch mehr Migranten aufnehmen könnten, da sonst ihr eigener Wohlstand und die Stabilität im Land gefährdet seien. Viele Not leidende Menschen fliehen aber vor Arbeitslosigkeit, politischer Verfolgung, Diktaturen, Armut, Hunger und Kriegen aus ihrem Land. Auch die USA sichern die südliche Grenze zu Mexiko stark ab, um einen Flüchtlingsstrom aus dem deutlich ärmeren Staat und anderen Ländern Lateinamerikas zu verhindern. Viele verzweifelte Flüchtlinge versuchen, unerlaubt in ein Land einzuwandern, und nehmen dabei große Gefahren in Kauf. Zahlreiche Afrikaner nehmen auf schrottreifen Booten die Fahrt über das Mittelmeer auf, um nach Europa zu gelangen. Mehrere hundert Menschen ertrinken dabei jährlich. Auch bei dem Versuch, die Grenze nach Nordamerika zu passieren, sterben jedes Jahr hunderte von Flüchtlingen.
Das Wohlstandsgefälle zwischen den relativ reichen Ländern und den von Armut betroffenen Staaten vergrößert sich somit weiter. Die illegale Migration - also verbotene Einwanderung - ist ein großes Problem in vielen Ländern. Schaffen die Flüchtlinge es überhaupt, unerlaubt in einen Staat einzuwandern, leben sie versteckt am Rande der Existenz. Sie nehmen oft illegale Jobs an, die zweifelhaft, riskant oder sehr schlecht bezahlt sind. Sie sind nicht krankenversichert, können keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen und leben in der ständigen Angst, entdeckt und ausgewiesen zu werden.
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