Erfahre im zweiten Teil unserer Reihe über die Frauenbewegung und das Thema Gleichberechtigung, wie sich die Situation der Frauenrechte nach der nationalsozialistischen Diktatur bis heute verändert hat. Kann man sagen, dass Frauen in unserer heutigen Gesellschaft die gleichen Rechte haben wie Männer, oder muss noch Einiges verändert werden?
Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg
Um das Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufzubauen, war die Hilfe aller gefragt, Frauen ebenso wie Männer. Bekannt wurden besonders die so genannten "Trümmerfrauen", die in den ersten Jahren nach dem Krieg einen Großteil der schweren Aufräumarbeiten verrichteten. Doch auch anderswo leisteten Frauen Schwerstarbeit, was ihnen ein ganz neues Selbstbewusstsein gab. Nachdem sie während des Krieges und auch danach mit beiden Beinen im Arbeitsleben gestanden hatten, wollten viele Frauen nicht so einfach zu Kindern und Küche zurückkehren.
Im ganzen Land wurden Frauenausschüsse und Vereine gegründet, welche den Frauen Hilfe zur Selbsthilfe anboten. Immer mehr Frauen begannen, sich wieder politisch zu engagieren und machten sich für die Frauenrechte stark - sie hatten damit mehr und mehr Erfolg: 1949 wurde ins Grundgesetz der neuen Bundesrepublik Deutschland der folgende Satz aufgenommen: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Dies wurde allerdings erst im Jahr 1957 auch ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übernommen, in welchem das "Privatrecht" geregelt wird - dort steht also geschrieben, wie das Grundgesetz im Alltag und in Beziehungen zwischen den Menschen umgesetzt werden soll. Dass der Vater das Familienoberhaupt ist und sowohl in Erziehungsfragen als auch in Eheangelegenheiten das letzte Sagen hat, stand zunächst weiterhin im BGB. Dieser "Stichentscheid" wurde erst 1957 durch das Bundesverfassungsgericht, das höchste deutsche Gericht, für verfassungswidrig erklärt.
Rückschritte in den 50er Jahren
Man könnte denken, dass sich die Lage der Frauen in der Bundesrepublik von diesem Zeitpunkt an weiter zum Besseren wendete. Doch kaum waren die Krisenzeiten vorüber, kam es erst einmal zu einer Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung. Es gab wieder weniger Frauen im öffentlichen Leben, denn die meisten von ihnen kehrten zu ihrer traditionellen Rolle als Hausfrau und Mutter zurück. Das gesellschaftliche Ideal der 1950er Jahre war eine kinderreiche Familie, welche die Mutter als fleißige und aufopferungsvolle Hausfrau treu umsorgte. Deshalb versuchte der Staat, den Frauen die Mutterrolle durch verschiedene Vergünstigungen schmackhaft zu machen.
Das Bild der Frau als gute Hausfrau und Mutter änderte sich auch in den 1960er Jahren zunächst nicht wesentlich, obwohl allmählich mehr Frauen bis zum ersten Kind berufstätig waren und auch wieder ins Berufsleben zurückkehren wollten, sobald die Kinder alt genug waren. Immer mehr Frauen hatten den Wunsch nach guten Bildungschancen und der Möglichkeit, sich auch im Beruf zu entfalten zu können - aber ein Leben als berufstätige Frau galt noch längst nicht als "normal".
Nach der deutschen Teilung hatte die DDR, die im Jahr 1949 - einige Monate nach der Bundesrepublik Deutschland - gegründet worden war, eine andere Entwicklung genommen. Dort gehörten erwerbstätige Frauen zum Alltag. Der Staat richtete zahlreiche Betreuungsmöglichkeiten für Kinder ein, sodass auch Mütter einer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten. Eine solche "Gleichstellungspolitik" wurde aus verschiedenen Gründen verfolgt: Einerseits war dies eines der Ideale der Arbeiterbewegung, für die der Sozialismus eintrat, andererseits kam es der schlechten wirtschaftlichen Situation des Landes zugute, dass auch Frauen arbeiten gingen. Die Kindererziehung übernahm zum großen Teil der Staat, welcher auf diese Weise schon früh Einfluss auf seine Bürger ausüben und Kinder nach seinem Ermessen erziehen konnte.
Die 68er: Proteste für die Frauenrechte
Zur Zeit der so genannten 68er Jahre zogen in Deutschland und anderen Ländern vor allem junge Menschen auf die Straßen, um für politische Ziele einzutreten und gegen Missstände und starre Rollenbilder zu kämpfen. Auch die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern gehörte zu ihren erklärten Zielen.
Für viele Dinge benötigten Frauen immer noch die Erlaubnis ihrer Ehemänner. Mit dem Bund der Ehe ging die Ehefrau auch eine "sexuelle Verpflichtung" ein - eine Vergewaltigung in der Ehe wurde in Deutschland strafrechtlich überhaupt nicht anerkannt. Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch außerhalb der Ehe waren eine Straftat, doch noch immer war die Meinung weit verbreitet, dass die weiblichen Opfer in vielen Fällen eine Mitschuld tragen würden - zum Beispiel, weil sie sich zu "aufreizend" benommen oder angezogen hätten. Die damalige Frauenbewegung setzte sich auch für ein Recht auf Abtreibung im Falle einer ungewollten Schwangerschaft ein.
Als entscheidender Umbruch gilt die Einführung der "Anti-Baby-Pille", die in den USA erstmalig 1960 und in Deutschland ein Jahr später als völlig neuartiges Verhütungsmittel auf den Markt kam. Die so genannte "Pille" wirkt hormonell und ist eines der sichersten Verhütungsmittel überhaupt. Für viele Frauen war es eine Befreiung, selbst über ihre Kinderplanung entscheiden zu können und dadurch unabhängiger zu sein. Tatsächlich sank in den 1960er Jahren die Geburtenrate deutlich, deshalb spricht man auch von einem "Pillenknick". Viele Frauen nahmen für diese sichere Art der Verhütung auch Nebenwirkungen in Kauf, die bei den anfangs recht hoch dosierten Pillen noch stärker waren.
Große Veränderungen
In der Schweiz wurde überhaupt erst im Jahr 1971 erstmalig ein Wahlrecht für Frauen eingeführt! In den 1970er Jahren kam es nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen westeuropäischen Ländern und den USA zu entscheidenden Veränderungen - sowohl in der Politik, als auch, was das Selbstverständnis der Frauen anging. Eine neue Frauenbewegung hatte sich entwickelt, die sich mit der Rolle der Frau in einer noch immer von Männern regierten Welt befasste. Die Mitglieder dieser Bewegung kämpften entschieden für die Gleichstellung der Frau, denn Frauen waren in der Gesellschaft weiterhin in vielerlei Hinsicht stark benachteiligt.
Es wurden Frauenvereine und Frauenzeitschriften gegründet, und erste Frauenhäuser boten misshandelten Frauen und Kindern Schutz an. Zahlreiche Bücher erschienen, die sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft beschäftigten. Die Medien begannen, vermehrt über die Situation der weiblichen Bevölkerung zu berichten. Besonders junge Frauen setzten sich mit ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinander und überlegten, was sie sich von ihrem Leben erwarteten und was sie erreichen wollten.
Im Jahr 1977 kam es in Deutschland schließlich zu wichtigen Reformen im Ehe- und Familienrecht. Es wurde festgelegt, dass die Ehepartner die Haushaltsführung "in gegenseitigem Einvernehmen" zu regeln haben und außerdem Rücksicht auf die Erwerbstätigkeit des anderen nehmen müssen. Vorher hatte rechtlich noch die "Hausfrauenehe" gegolten, was bedeutete, dass der Mann hauptsächlich für den Unterhalt und die Frau für die Versorgung der Familie zuständig war. Zwei Jahre später kamen Reformen zur besseren Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufsleben dazu. Zusätzlich zum Mutterschutz sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt gewährte der Staat jungen Müttern für vier Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub.
Noch lange nicht perfekt
Dass die völlige Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau das Ziel ist, wurde 1993 schließlich im Grundgesetz verankert: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Viele Regelungen zum Schutz der Frauenrechte wurden erst spät durchgesetzt - so ist die Vergewaltigung in der Ehe zum Beispiel erst seit 1997 strafbar, und seit 2004 wird sie nicht ausschließlich auf Antrag des Opfers strafrechtlich verfolgt.
Im Alltag und Berufsleben sind Frauen und Männer noch längst nicht überall gleichgestellt. Auch heute noch stehen Frauen in unserer Gesellschaft vor zahlreichen Problemen. Gerade im Berufsleben herrschen viele Ungleichheiten - in einigen Berufen erhalten Frauen zum Beispiel für die gleiche Arbeit weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Oft haben Frauen schon deshalb schlechtere Chancen auf einen Job, weil sie Kinder bekommen könnten und dann beruflich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen würden. Mütter haben dagegen das Problem, nach einer längeren Zeit außerhalb des Berufslebens wieder den Einstieg zu finden und eine Stelle zu bekommen. Kritisiert wird immer wieder, dass im Berufsleben viel zu wenig Rücksicht auf Frauen mit Kindern genommen wird.
Auch heute lassen sich Beruf und Familie also in vielen Fällen überhaupt nicht problemlos miteinander vereinen. Viele Frauen stehen allgemein vor der Schwierigkeit, den Wunsch nach Kindern einerseits sowie nach Unabhängigkeit und Verwirklichung im Beruf andererseits unter einen Hut zu bekommen. Männer müssen im Allgemeinen viel weniger Abstriche machen sowie Hindernisse in Kauf nehmen, wenn sie Väter werden. Zwar gibt es zunehmend Männer, die auch einen Teil der Kindererziehung übernehmen und nach der Geburt ihres Kindes zunächst "Vaterschaftsurlaub" nehmen, doch ist dies bisher eher die Seltenheit. Noch immer ist die Sorge für das Kind meist in erster Linie die Aufgabe der Mutter.
In welchen Bereichen herrschen noch große Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern? Wie ist die Situation für Mädchen und Frauen in anderen Ländern und Kulturen? Im nächsten Teil der Artikel-Reihe erfährst du mehr über die heutige Situation der Frauen in der Gesellschaft.
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