von Tanja Lindauer - aktualisiert - 01.10.2021
Das Erntedankfest, das in Deutschland Ende September oder Anfang Oktober gefeiert wird, gehört zu den ältesten Festen der Menschheit. Traditionell dankt man mit dieser Feier Gott am Ende der Erntezeit dafür, dass er die Früchte, das Gemüse und das Getreide hat gedeihen lassen. Heute lässt uns das Fest auch daran erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir so viel Nahrung auf unseren Tellern haben. Auf der ganzen Welt bedanken sich die Menschen für ihre Ernten. Das kann natürlich auf ganz unterschiedliche Art und Weise geschehen. Da die Erntezeit vom Klima abhängig ist, gibt es auf der Welt auch keinen einheitlichen Termin. Wie feiern die Menschen in den verschiedenen Kulturen Erntedank?
Man vermutet, dass bereits vorchristliche Religionen das Erntedankfest feierten. Schon die Römer und auch die Juden feierten die reichen Gaben der Natur. Auch die alten Griechen und Ägypter haben sich bei ihren Fruchtbarkeitsgöttern mit Opfergaben für ihre Ernte bedankt. Das Fest, so wie wir es heute feiern, geht vermutlich bereits auf die Bräuche der alten Römer zurück, die schon seit dem 3. Jahrhundert nach Christi Erntedank feierten. Jedoch wurde unser Erntedankfest später auch stark von der jüdischen und christlichen Kirche geprägt.
In Mittel- und Nordeuropa wurde das Fest in früheren Zeiten am 23. September mit einer Opfergabe gefeiert. Im August feierten die Kelten das Kornfest und später, zur Tagundnachtgleiche (das sind jährlich die zwei Tage um den 20. März/ 23. September, an denen der helllichte Tag und die Nacht gleich lang sind), das Weinfest. Und die Germanen feierten drei Tage lang Erntedank und dankten den Göttern für die reiche Ausbeute. Sie ließen zum Beispiel für das Pferd Sleipnir, das ihrem Glauben nach dem Hauptgott Odin gehörte, ein Büschel Korn auf dem Feld übrig und aus dem letzten Kornschnitt wurde ein Kranz geflochten.
Die christliche Tradition
Zwar feiert man in vielen Ländern ein solches Fest, aber dies muss nicht immer am selben Tag stattfinden. Sogar in Deutschland gibt es Unterschiede. So feiert man nach evangelischem Brauch Erntedank am ersten Sonntag nach dem Michaelistag (29. September). Nach katholischem Brauch aber ist es der erste Sonntag im Oktober. Dies wurde auf der Bischofskonferenz 1972 festgelegt. Die Gemeinden dürfen aber selbst bestimmen, auf wann sie den Termin legen. In der Moselregion zum Beispiel wird das Fest nach der Weinlese, am zweiten Sonntag im November, gefeiert.
Bei beiden christlichen Glaubensrichtungen werden Körbe mit Früchten und Obst oder Erntekronen zum Altar gebracht, um so Gott zu danken. Die Kronen werden aus Getreide oder auch aus Weinstöcken geflochten, manchmal werden sie dann noch mit Früchten verziert. Die Erntekronen werden teilweise auch in einer "Prozession" (das ist ein religiöser Festzug) durch die Gemeinde getragen. Natürlich findet an diesem Tag auch ein Gottesdienst statt, an dem Gott noch einmal für die guten Gaben geehrt wird. Viele Gemeinden nehmen dies auch zum Anlass, um für hungernde und arme Menschen zu spenden. Anschließend wird dann ein Fest gefeiert, das ganz unterschiedlich ausfallen kann. In manchen Gegenden wird ein richtiges Festmahl serviert und es wird getanzt und gesungen, in anderen Gegenden wiederum gibt es sogar Jahrmärkte. Oftmals werden auch Strohpuppen auf einem Feld verbrannt.
Der Brauch in anderen Religionen
Im Judentum ist es gang und gäbe, zweimal im Jahr Erntedank zu feiern. Im Mai oder im Juni wird das "Schawuot" gefeiert, aus dem sich später das christliche Pfingstfest entwickelte. Im Herbst wird dann richtig gefeiert und man begeht sieben Tage lang das Laubhüttenfest, das "Sukkot". Hierzu wird eine Hütte, die so genannte Sukka, gebaut und mit Erntefrüchten dekoriert. Das Fest fällt auf den Zeitraum vom 15. bis 21. Tischri - das ist der siebte Monat des Jüdischen Kalenders.
Im Islam hingegen kann man den Ramadan - den Fastenmonat und das daran anschließende Fest - mit dem Erntedankfest vergleichen. Beim Ramadan fasten die Muslime, beten fünf Mal am Tag und besuchen Lesungen aus dem Koran, um sich so mit der Schöpfung Gottes und seiner Gnade auseinanderzusetzen. Allerdings ist der Zeitpunkt des Fastenmonats abhängig vom Mondkalender. Er fällt daher stets auf ein anderes Datum und richtet sich nicht nach der Erntezeit.
Im Hinduismus wird in Form von "Makar Sankrant" ebenfalls Erntedank gefeiert. Bei diesem Fest lässt man Drachen steigen. In Indien gibt es von Bundesland zu Bundesland aber ganz unterschiedliche Arten, dieses Fest zu feiern, und teilweise haben sie auch ganz verschiedene Namen. So wird beispielweise in Kerala, im Südwesten, "Onam" gefeiert. Dieses Fest dauert zehn Tage lang. Es wird getanzt und man trägt viele bunte Kleidungsstücke. Mit dem Fest gedenkt man dem gerechten und wohltätigen König Mahabali, der nach seinem Opfertod an diesem Tag sein Volk auf der Erde besucht haben soll.
Das Erntedankfest in Deutschland
Und auch in Deutschland wird das Fest ganz unterschiedlich gefeiert, zum Beispiel mit Tänzen, Musik, einem Festessen und Erntebier. Es gibt viele verschiedene Traditionen: Beim Kartoffelhahn werden nach der Ernte ein oder mehrere Hähnchen zusammen verspeist. Früher wurden die Kartoffeln noch ohne Maschinen geerntet, wenn die Erntehelfer fertig waren, riefen sie: "Mir han schon de Hahn!" Damit wollten sie sagen, dass sie nun mit der Ernte fertig waren und der Bauer nun den Hahn für das gemeinsame Festessen ausgeben konnte.
Die Erntepuppe wurde aus den Getreidehalmen gebastelt und damit der Geist des Getreides geehrt. Was dann mit der Puppe weiterhin geschah, war ganz unterschiedlich, heute errichtet man oft auch riesige Puppen aus Strohballen an Ortseingängen.
Ein anderer Brauch ist der Erntedankumzug, bei dem viele Wagen festlich geschmückt werden, welche dann von Pferden, Ochsen oder Traktoren durch die Straßen gezogen werden. Oftmals wird auch Musik gespielt und der Zug endet entweder auf dem Dorfplatz oder vor der Kirche. In manchen Regionen sammeln Kinder vor dem Erntedanksonntag Erntegaben ein, indem sie von Haus zu Haus gehen und nach einer Spende bitten. Die gesammelten Früchte, das Gemüse und Obst bringen sie dann in die Kirche. In vielen Gegenden in Deutschland werden auch Jahrmärkte oder eine Kirmes zum Erntedankfest gefeiert: Hierfür werden viele Imbissbuden, Karussells und Losbuden aufgestellt.
In Bergregionen wiederum gibt es den so genannten "Almabtrieb" (in der Schweiz "Alpabzug"). Im Herbst werden die Kühe und Schafe mit Blumen und Bändern geschmückt und von den Bergen in die Täler getrieben. Dabei tragen sie große Glocken um den Hals, damit sie auf dem Weg ins Dorf die bösen Geister vertreiben können.
Andere Länder, andere Sitten
Viele der Bräuche, wie sie die alten Römer und Germanen feierten, sind bis heute noch erhalten geblieben. So hängen wir in Deutschland oftmals noch die Kränze an den Erntedankwagen und in Frankreich wird beispielweise erst nach der Weinlese Erntedank gefeiert. Und auch in Asien, nämlich in Japan, feierte man früher "Niinamesai". Dabei opferte der Kaiser einen Teil des neu geernteten Reises den Göttern. Heute aber feiert man in Japan stattdessen "Kinrô Kansha no Hi", den Tag des Dankes für die Arbeit. In China und in Taiwan feiert man Mondfeste zu Ehren der Verstorbenen und zugleich auch Erntedank.
In Schottland wird zum Erntedankfest Hotch-Potch serviert. Das ist eine Suppe, die aus dem hochwertigsten Fleisch und Gemüse besteht. Sie ist eine typische Spezialität und ihr werden sogar besondere Heilkräfte nachgesagt. In anderen Teilen von England wird aus den letzten Strohgarben eine Erntepuppe gebastelt, die dann als Opfergabe auf dem Feld aufgestellt oder zurückgelassen wird. In anderen Gegenden wiederum wird die Puppe auch mit auf das Fest genommen - sie ist dann größer und wird aus Strohballen hergestellt.
Auch in Nordamerika feiert man Erntedank - allerdings erst am vierten Donnerstag im November, dort wird der staatliche Feiertag "Thanksgiving" genannt. In den USA ist das einer der wichtigsten Feiertage des Jahres und man feiert es im Kreis seiner Familie mit einem Festmahl, bei dem traditionelle Gerichte zubereitet werden. Dabei gibt es immer einen Truthahn, der aber von Familie zu Familie unterschiedlich zubereitet werden kann. Und natürlich meint jede Familie, dass ihr Rezept das Beste sei. Meistens gibt es den Truthahn mit Preiselbeeren, Kürbiskuchen, Mais und Kartoffeln.
Mit diesem Fest erinnern die US-Amerikaner an das erste Erntedankfest der Pilgerväter in den damals neuen Vereinigten Staaten. Da fast ganz Nordamerika an diesem Tag auf den Beinen ist, um die Familie zu besuchen, kommt es überall zu langen Staus. In Kanada feiert man ebenfalls Thanksgiving, aber nicht wie in den USA im November, sondern schon am zweiten Montag im Oktober. Auch hier gibt es meistens ein Festmahl mit Truthahn.
Erntedank in diesem Jahr und den kommenden Jahren:
- 2. Oktober 2022
- 1. Oktober 2023
- 6. Oktober 2024
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.