von Björn Pawlak
Die Geschichte des Papiers führt ins alte China, wo man vor über 2.000 Jahren eine Methode zur Herstellung von Papier entwickelte. In Europa wurde Papier erst ein Jahrtausend später hergestellt. Vor der Industrialisierung war die Papierherstellung noch aufwendige handwerkliche Arbeit, so dass nur wenige sich diese Kostbarkeit überhaupt leisten konnten. Heute ist Papier zu einem Wegwerfprodukt geworden, das massenhaft hergestellt wird.
Schon vor der Erfindung des Papiers war der Mensch stets auf der Suche nach Schriftträgern, auf denen Vorstellungen und Erinnerungen festgehalten werden konnten. Schon vor 15.000 Jahren entstanden Malereien auf Fels, auf denen Abbilder von Gegenständen und sogar erste Bildschriftzeichen zu sehen sind.
Auch Holz, Bambus, Knochen, Muscheln oder Elfenbein wurden verwendet, indem man Schriftzeichen darin einritzte. Die alten Hochkulturen kannten außerdem die Technik, feuchten Ton mit Schriftzeichen zu versehen. Die bekanntesten Vorstufen des Papiers waren der pflanzlich hergestellte "Papyrus" und das aus Tierhäuten hergestellte "Pergament".
Papyrus: Wichtigstes Schreibmaterial des Altertums
Die ersten Vorläufer des Papiers entstanden, als der Mensch damit begann, pflanzliche Bestandteile zu einem blattartigen Schreibmaterial zu verarbeiten. Der wichtigste Beschreibstoff des Altertums war der nach der Papyruspflanze benannte Papyrus. Die Papyruspflanze (auch "Papyrusstaude" genannt) ist eine Art Schilfgras, die besonders gut in tropischen Sumpfgebieten gedeiht. An den Ufern des Nils wuchs sie meterhoch.
Man stellte Papyrus zuerst im alten Ägypten her - der Begriff selbst entstammt allerdings dem Griechischen und bedeutet soviel wie "Stoff des Pharaos". Bei der Herstellung von Papyrus schnitt man das Mark des Pflanzenstengels in Streifen, die kreuzweise übereinander gelegt, auf einem Brett geschlagen und dann gepresst wurden - durch den stärkehaltigen Pflanzensaft hielten die einzelnen Streifen fest zusammen. Die so entstandenen Papyrusblätter mussten vor dem Beschreiben oder Bemalen sorgfältig getrocknet werden. Durch das Zusammenkleben mehrerer Papyrusblätter wurden die Schriftrollen hergestellt.
Weitere Vorstufen des Papiers
Die ältesten bis heute erhaltenen Papyrusrollen wurden in den Gräbern der Pharaonen gefunden - sie sind über 5.000 Jahre alt! Außer in Ägypten wurde auch in Palästina, Mesopotamien und Sizilien Papyrus hergestellt. Ebenso die alten Griechen und Römer benutzen Papyrus, um ihre literarischen Schriftstücke und auch ihre offizielle Dokumente anzufertigen.
Auch andere Kulturkreise kannten Vorstufen des Papiers. In Afrika, Amerika, Polynesien und Südostasien stellte man ein unter dem polynesischen Namen "Tapa" bekanntes tuchartiges Material aus der Rinde verschiedener Bäume her. Tapa ähnelt dem noch heute hergestellten "Vlies".
Bei der Herstellung von Tapa wurden Rindenfasern eingeweicht und danach auf einer harten Unterlage mit einem Schlagholz so lange bearbeitet, bis sie die gewünschte Form hatten. Tapa war nicht nur ein Stoff zum Beschreiben und Bemalen, sondern auch ein Material für die Herstellung von Kleidern.
Das von den Maya aus Rinde hergestellte Material nannte sich "Huun" - auf diesem hinterließen sie ihr kompliziertes Kalendersystem. Und auch die Azteken sowie andere amerikanische Ureinwohner waren in der Herstellung von Schreibmaterial bewandert - dieses wurde vorwiegend aus der inneren Rinde des Feigenbaums hergestellt und nannte sich "Amatl".
Wie wird Papier hergestellt?
Das Herstellungsverfahren des Papiers unterscheidet sich von dem der eben kennengelernten Vorstufen - doch was genau ist die Besonderheit? Bei der Papierherstellung werden die einzelnen Pflanzenfasern zunächst völlig zerstückelt und mit Wasser zu einem Brei verarbeitet, anschließend entwässert man sie mit Hilfe eines Siebs. Der Behälter, in dem man den wässrigen Faserbrei herstellt, wird "Bütte" genannt.
Beim Herstellungsverfahren in der Bütte "verfilzen" die einzelnen Faserstücke miteinander, wodurch man schließlich die sehr gleichmäßige Oberfläche des Papiers erzeugt. Der Ursprung dieses Verfahrens liegt im Fernen Osten, wo man auf eine lange Schriftkultur zurückblicken kann.
Die ersten Abbildungen chinesischer Schriftzeichen fand man auf Knochen und Schildkrötenpanzern sowie auf Bambusstreifen und Holztafeln. Auch die seltenen und deswegen kostbaren Seidenbänder wurden als Schriftträger verwendet. Das älteste in China gefundene Papier wurde aus der Hanfpflanze hergestellt und stammt aus einer geschichtlichen Epoche, die man als "frühe Han-Dynastie" bezeichnet (etwa 180 bis 50 vor Christus).
Papier im alten China
Es gibt aus dieser Zeit auch eine schriftliche Überlieferung darüber, wie genau dieses Papier hergestellt wurde. Sie stammt von einem chinesischen Minister namens Cai Lun, weswegen man auch vom "Cai-Lun-Papier" spricht.
Cai Lun beschrieb, wie aus den Fasern des Maulbeerbaums, aus Hanfabfällen und aus alten Fischernetzen durch Stampfen in Steinmörsern und unter Zugabe von Wasser ein Brei hergestellt wurde. Diesen Brei schöpfte man mit einem Sieb und setzte ihn zum Trocknen der Sonne aus. Mit Steinen wurde das so entstandene erste Papier schließlich geglättet und mit Färbemitteln behandelt.
Im Rahmen der chinesischen Kultur genoss die Literatur höchstes Ansehen, so dass die Nachfrage nach Papier entsprechend groß gewesen sein muss. Auch der chinesische kaiserliche Verwaltungsstaat war auf Papier angewiesen, um zu funktionieren. Außerdem wurde Papier in Form von Papiergeld in Umlauf gebracht. Bestimmte Falttechniken ("Origami") machten aus dem Umgang mit dem Papier eine Kunstform.
Weltweite Verbreitung des Papiers
Mehrere Jahrhunderte lang wurde nur in China Papier hergestellt. Doch eine so weit reichende Erfindung wie die der Papierherstellung konnte nicht ewig vor den Nachbarvölkern geheim gehalten werden. Im achten Jahrhundert nach Christus befanden sich die Chinesen mit den im Westen siedelnden Arabern im Kriegszustand - chinesische Papiermacher, die in Kriegsgefangenschaft geraten waren, überlieferten den Arabern ihre Handwerkskunst.
Von China aus verbreitete sich die Technik der Papierherstellung zuerst nach Korea und Japan, wo man die Kunst der Herstellung noch verfeinerte. In Japan, wo Papier eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Buddhismus spielte, wird handgemachtes Papier ("Washi") noch heute nach dem alten Verfahren hergestellt. Japan hatte wegen der natürlichen Beschaffenheit des Landes stets außergewöhnlich hochwertige Rohstoffe für die Papierherstellung.
Papier galt als ein heiliges Symbol, weswegen es bei religiösen Zeremonien zum Einsatz kam - kleine Papierstreifen werden noch heute als Glücksbringer an heiligen Stätten aufgehängt. Andererseits ließen sich aus Papier auch zahlreiche nützliche Gegenstände wie Fächer, Schirme, Fahnen, Masken oder Laternen herstellen. Schließlich ging man auch in Zentral-Asien, in Indien und in Persien dazu über, Papier nach dem chinesischen Muster herzustellen.
Buchdruck in Europa: Papier in Massenproduktion
Im islamischen Einflussgebiet wurde das erste Papier in der Stadt Samarkand im heutigen Usbekistan hergestellt. Zunächst wurde das gesamte arabische Herrschaftsgebiet von Samarkand aus mit Papier beliefert. In den Städten Bagdad (heute im Irak) und Damaskus (heute in Syrien) entstanden im achten Jahrhundert größere "Papiermanufakturen". ("Manufakturen" waren fabrikähnliche Einrichtungen, in denen bereits die später für die Industrialisierung typische Arbeitsteilung eingeführt wurde.)
Ab dem zehnten Jahrhundert wurde der Handel mit Papier bis nach Byzanz ausgeweitet - in Europa schrieb man im Mittelalter vorwiegend auf Pergament. Die Mauren brachten die Papiererzeugung auf ihrem Eroberungszug schließlich nach Spanien, von wo aus sie sich dann in ganz Europa verbreiten sollte. Im Jahr 1144 wurde in Xativa bei Valencia zum ersten Mal Papier in Europa hergestellt. Hier errichtete man auch die erste europäische Papiermühle.
Von Spanien aus breitete sich die Papierherstellung über Südfrankreich und Italien nach Mitteleuropa aus. In den zu jener Zeit zahlreichen Klöstern benutzte man Papier, um christliche Handschriften anzufertigen. Im weltlichen Leben fand Papier in Form von Urkunden, Zeugnissen, Verträgen, Geldscheinen und ähnlichen Dingen Verwendung. Besonders in Italien wurde die Herstellungstechnik - zum Beispiel die Versiegelung der Papieroberfläche - weiter verbessert. Faserrohstoff für die Papierherstellung waren bis zum 19. Jahrhundert Textilstoffe aus Leinen, Hanf, Baumwolle oder Wolle - "Lumpensammler" kauften alte Kleidung bei der Bevölkerung auf, um sie dann an die Papiermühlen weiterzuverkaufen.
Nach der Entwicklung des neuen Druckverfahrens mit beweglichen Lettern ("Buchdruck") von Johannes Gensfleisch (genannt "Gutenberg") im 15. Jahrhundert stieg die Papiernachfrage gewaltig an, weil Bücher und Zeitschriften nun mit deutlich größerer Auflage hergestellt wurden. Die Papiermacher orientierten sich immer stärker an einer Massenproduktion.
Erfahre im zweiten Teil, wie die Papierherstellung durch technische Neuerungen immer weiter verbessert wurde und warum Papier heutzutage nicht mehr das ist, was es einmal war. Klicke auf "weiter"!
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