Indianer: Schrift und Kalender - Rätsel der Maya-Kultur

Die Ureinwohner Amerikas - Teil 4

Teil 4 von 7

von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak

Die Schriftzeichen ("Glyphen") und Zahlzeichen ("Ziffern") der Maya stellten lange ein Rätsel dar und mussten erst einmal entschlüsselt werden. Faszinierend ist auch ihr Kalender - er war Schnittstelle zwischen ihrer Religion und ihrem Alltagsleben. Zudem bewiesen die Maya hier eine Meisterschaft in Mathematik und Astronomie. Für viele ist der Maya-Kalender deswegen so aktuell, weil er angeblich im Dezember 2012 endet. Was erwarteten die Maya für dieses Datum? Manche glauben an den Weltuntergang, andere an einen "Bewusstseinssprung" der Menschheit.

Um etwa 900 nach Christus verließen die Maya das zentralamerikanische Tiefland und zogen nach Norden. Ihre alten Städte, wie das hier abgebildete Palenque, fand man erst fast tausend Jahre später und zugewachsen vom Dschungel. (Quelle: Claudia Huldi || pixelio.de)

Als die Maya-Schriftzeichen in den alten und im Urwald versteckten Ruinen gefunden wurden, wusste man nicht, ob es sich nur um Symbole oder um das Abbild ihrer gesprochenen Sprache handelte.

Die Forscher heute glauben, das Geheimnis der Maya-Schrift im Großen und Ganzen gelöst zu haben. Viel rätselhafter ist auch heute noch der Maya-Kalender - man weiß zwar, wie er funktioniert, aber weiß man auch, was er bedeutet?

Nach der Ankunft der Spanier vergaßen die Maya ihre Schrift selbst, weil die "Missionare" ihnen im Namen der Katholischen Kirche verboten, sie weiterhin zu benutzen. Als "Missionar" bezeichnet man einen Angehörigen einer Religion, der im fremden Land seinen Glauben verbreiten will.

Die spanischen Missionare verboten den in ihren Augen "teuflischen" Glauben der Maya und bestraften diese mit Tod und Folter. Irgendwann wusste also niemand mehr, wie man die alten Schriftzeichen entschlüsselt. Die spanische "Conquista" (das bedeutet "Eroberung") hatte fast alle brennbaren Schriftträger vernichtet - nur die in Stein gehauenen Schriftzüge sind über all die Jahre erhalten geblieben.

Rätselhafte Inschriften im Dschungel

"Glyphen" und Schriftzeichen der Maya: lange wussten die Forscher nicht, ob es sich nur um Symbole oder um eine wirkliche Schrift handelt. (Quelle: Wikipedia)

Die in Stein gemeißelten Maya-Inschriften sind aus "Glyphen" (auch "Hieroglyphen" genannt) zusammengesetzt - das sind quadratische Bilder, die selbst wiederum aus mehreren Zeichen bestehen. Manche dieser Zeichen sind Abbildungen von menschlichen Körperteilen, Tieren, Pflanzen oder Fabelwesen. Andere stellen abstrakte Muster und Formen dar. Mehrere dieser meist gleich großen Glyphen wurden aneinander gereiht, wodurch eine Art Schrift entstand.

Man fand die Maya-Glyphen auf riesigen Steintafeln und in ihren steinernen Bauten eingemeißelt. Dazu wurden auch getöpferte Gefäße, Muscheln und Knochen mit eingravierten Glyphen gefunden. Nur ganz wenige "Faltbücher" (auch "Leporellos" genannt) sind erhalten geblieben, die nicht von den Spaniern zerstört wurden. Die Entdecker der Maya-Ruinen wussten zunächst natürlich nicht, wie sie all diese vorgefundenen Zeichen entziffern sollten.

Im Jahr 1832 wurde erstmals der Versuch unternommen, die Maya-Schrift systematisch zu dokumentieren. Zu diesem Zweck hielt sich der Franzose Jean Frédéric Waldeck zwei Jahre lang in der alten Maya-Stadt Palenque auf und zeichnete alle Inschriften ab. Dieses Material stand dann auch anderen Maya-Forschern zur Verfügung - die ersten Übersetzungsversuche blieben zunächst jedoch erfolglos.

Später wurde die Photographie erfunden - dies war für die Maya-Forschung deshalb so wichtig, weil nun Interessierte aus aller Welt Zugriff auf Fotos hatten, welche die Schriftzeichen naturgetreu abbildeten. Ein Engländer namens Alfred Maudslay durchquerte das alte Maya-Reich mehrere Male mit dem Fotoapparat - seine Fotos wurden veröffentlicht und boten das Material für die Maya-Forscher, die nun nicht mehr selbst die verschiedenen Fundstellen aufsuchen mussten.

Schrift oder nur Symbole?

Der Engländer Alfred Maudslay half der Forschung ungemein, indem er alle Maya-Inschriften abfotografierte. Sein später veröffentlichtes Archiv wurde zum wichtigen Arbeitsmaterial der Maya-Forschung. (Quelle: Wikipedia)

Die Glyphen wurden von den Schreibern der Maya in doppelten Spalten angeordnet, die von links nach rechts und von oben nach unten gelesen wurden. Man muss zwischen den Glyphen und den einzelnen Schriftzeichen unterscheiden - anfangs war eine Glyphe zugleich das Zeichen, später jedoch wurden in eine einzige Glyphe mehrere Zeichen miteinander verschachtelt. Das Schriftsystem der Maya war also recht kompliziert.

Die einzelnen Schriftzeichen wurden auch nicht immer genau gleich gezeichnet - es konnte also sein, dass zwei verschieden aussehende Zeichen doch das gleiche meinten. Dies machte es für die Forscher natürlich noch schwieriger, die Schrift zu entschlüsseln. Man hatte lange geglaubt, dass die Schriftzeichen der Maya bloß Symbole seien. Insgesamt besteht das Schriftsystem der Maya aus etwa 800 Zeichen.

Die Sprache der Maya wurde auch noch gesprochen, als das Wissen über die Schrift auch bei ihnen selbst verschüttet war. Als man beides schließlich miteinander verglich, entdeckte man eine Systematik. So fand man heraus, dass einzelne Schriftzeichen tatsächlich sprachlich Laute abbildeten, genauer gesagt "Silben" (das sind Einheiten aus mehreren aufeinander folgenden Lauten). Gesprochene Sprache konnte von den Maya also wortwörtlich festgehalten werden. Überzeugende Beweise dafür lieferte der russische Forscher Youri Knorosov erst in den 1950er-Jahren!

Danach war es vor allem der 1965 geborene US-Amerikaner David Stuart, der die Entschlüsselung der Maya-Lautschrift entscheidend voranbrachte. Seine wichtigste Entdeckung war, dass es für ein und denselben Laut je verschiedene Schriftzeichen gibt - plötzlich wurde aus dem Wirrwarr der Maya-Schrift ein überschaubares System.

Die Entschlüsselung der Maya-Schrift ist heute längst noch nicht abgeschlossen. Für die heute lebenden Maya selbst ist die Entschlüsselung der Schrift ihrer Vorfahren eine bedeutende Angelegenheit, weil sie so wieder in den Besitz ihrer verloren gegangenen Geschichte kommen könnten.

"Dresdner Codex": Mathematik und Astronomie

Seite aus dem "Dresdner Codex": mithilfe dieser originalen Maya-Handschrift gelang es, das Zahlen- und Kalendersystem der Maya zu entschlüsseln. (Quelle: Wikipedia)

Der "Dresdner Codex" (auch "Codex Dresdensis" genannt) ist eine der wenigen Maya-Handschriften, die vor den spanischen Missionaren verschont blieben - der Name entstand, weil man diese Handschrift bis heute in Dresden aufbewahrt. Es ist nur von vier Handschriften der Maya überhaupt bekannt, dass sie noch existieren - neben dem Dresdner Codex gibt es noch den "Codex Tro-Cortesianus" in Madrid, den "Codex Peresianus" in Paris und den in Mexiko aufbewahrten "Codex Grolier".

Der Franzose Constantin Rafinesque benutzte den Dresdner Codex, um das Zahlensystem der Maya zu entschlüsseln. Die Maya benutzten zur Darstellung der Zahlen Punkte und Striche - Rafinesque fand heraus, dass jeder Punkt den Zahlenwert "1" und jeder Strich den Zahlenwert "5" besaß. Die Punkte und Striche traten kombiniert auf, so dass die Maya verschiedene Zahlen darstellen konnten.

Vom Zahlensystem der Maya war es nun nicht mehr weit zu ihrer Mathematik, ihrer Wissenschaft und ihrem Kalender - als "Entdecker" von all dem gilt der Deutsche Ernst Förstemann, auch er arbeitete vor allem mit dem Dresdner Codex. Förstemann gelang es, mithilfe der Maya-Handschrift ihr Kalendersystem zu berechnen. Er fand außerdem heraus, dass sie sowohl mit der Null ("0") als auch mit sehr großen Zahlen rechneten. Die entschlüsselte Mathematik der Maya offenbarte, dass sie astronomische Berechnungen angestellt hatten. Es war ihnen mithilfe dieser Berechnungen gelungen, Sonnenfinsternisse vorauszusagen. Außerdem hatten sie ein Wissen über die Phasen der Venus.

Kalender: "Haab", "Tzolkin" und "Lange Zählung"

Die Maya benutzten zur Darstellung der Zahlen Punkte und Striche, die je nach Zahlenwert miteinander kombiniert wurden. (Quelle: Wikipedia)

Mithilfe des Kalenders berechneten die Maya "günstige" und "weniger günstige" Tage für ihre Unternehmungen - zum Beispiel für die Jagd, für das Aussetzen von Saatgut, für die Ernte oder für den Beginn eines Krieges. Die Zeitrechnung der Maya ergab sich durch das Zusammenwirken von drei miteinander verzahnten Kreisen - der äußere Kreis ("Sonnenkreis") hat 365 Tage, der mittlere Kreis hat 20 Namen von Tagen ("Tageshieroglyphen") und der innere Kreis hat 13 Zahlen.

Die 365 Tage des Sonnenkreises wurden in 18 Monate zu je 20 Tagen plus fünf zusätzliche Tage pro Jahr unterteilt - das war der Sonnenkalender der Maya, "Haab" genannt. Zusätzlich gab es einen heiligen Kalender, "Tzolkin" genannt. Dieser ergab sich aus dem Zusammenspiel des mittleren Kreises der 20 Namen mit dem inneren Kreis der 13 Zahlen - 20 mal 13 ergibt 260, das "Tzolkin-Jahr" hatte also 260 Tage. Der Tzolkin-Kalender wurde dazu benutzt, irdische Entwicklungen mit den Bewegungen des Himmels in Einklang zu bringen.

Lässt man alle drei miteinander verzahnten Kreise des Kalendersystems laufen, dann wird theoretisch jeder Tag mit jedem Namen und jeder Zahl irgendwann einmal zusammentreffen. Es dauert 52 Jahre, bis dieses Kalendersystem alle Kombinationen durchgespielt hat und wieder von vorne beginnt. Je nach Kombination Tag/Name/Zahl gingen die Maya von guten oder schlechten kosmischen Einflüssen aus.

Es gibt jedoch auch eine sehr komplizierte "Lange Zählung" im Kalendersystem der Maya - damit berechneten sie Zeitspannen, die die 52 Jahre der drei Kreise weit übertrafen. Die Lange Zählung ist gewissermaßen der dritte Teilkalender der Maya. So fand man Steinsäulen ("Stelen"), die auf ein Datum fast 4.000 Jahre in der Vergangenheit aufmerksam machen.

Angeblich beginnt die Zeitrechnung der Maya umgerechnet am 13. August 3114 vor Christus. Man geht davon aus, dass es sich hierbei um eine Art Schöpfungsdatum der Maya handelt - ähnlich dem Geburtsjahr von Jesus Christus, dem Beginn unserer Zeitrechnung. Die Zeitspanne der Langen Zählung beträgt 5125 Jahre - rein mathematisch betrachtet beginnt alle 5125 Jahre eine neue Lange Zählung, bis ins Unendliche.

Man könnte aber auch sagen, dass die Zeitrechnung der Maya 5125 Jahre nach ihrem Schöpfungsdatum zu Ende geht, und zwar am 21. Dezember 2012. (Natürlich gab es auch Streit darüber, ob die Umrechnung des Maya-Kalenders in den von uns benutzten "Gregorianischen Kalender" überhaupt fehlerfrei gelungen ist.)

Was hat es mit dem Jahr 2012 auf sich?

Die Maya, deren kompliziertes Kalendersystem gleich aus drei einzelnen Zählungen besteht, waren fasziniert von den Wanderungen der Gestirne - ihre Ballspiele (eine Mischung aus Fußball und Basketball) waren wahrscheinlich auch eine symbolische Nachahmung der Himmelsbewegungen. (Quelle: Wikipedia)

Manche Menschen gehen davon aus, dass die Überlieferungen der Maya voll sind von Vorhersagen über die Zukunft - man spricht von "Prophezeiungen". Maya-Prophezeiungen findet man zum Beispiel im Dresdner Codex.

Berühmt sind auch die prophetischen "Chilam-Balam-Bücher" und der Schöpfungsmythos "Popol Vuh", die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert verfasst worden sind - und zwar in den noch heute von uns benutzten lateinischen Buchstaben, die sich die Maya mittlerweile bei den Spaniern abgeschaut hatten. Erst wenn man den Kalender und die Prophezeiungen miteinander vermischt, ergeben sich die besonderen Erwartungen hinsichtlich des Jahres 2012.

Für manche Kenner der Maya-Kultur bestimmt der von ihnen errechnete Zeitpunkt, der 21. Dezember 2012, den Tag des Weltuntergangs. Andere sehen darin einen Zeitenwechsel und den Eintritt der Menschheit oder besser gesagt der ganzen Erde in eine neue Entwicklungsphase. Je nach Lesart des Maya-Kalenders ist der 21. Dezember der Schlusspunkt der Zeitrechnung oder aber ein neues Schöpfungsdatum.

Das "Platonische Jahr" und die Maya

Innerhalb von 25.800 Jahren vollzieht die Erdachse in ihrer kosmischen Ausrichtung eine Kreiselbewegung um sich selbst - so wie bei dem hier abgebildeten Kreisel. Kannten die Maya dieses astronomische Geheimnis? (Quelle: Wikipedia)

Nach Angaben von Astronomen wird es im Jahr 2012 zu einer sehr seltenen "Himmelskonstellation" kommen, die nur alle 25.800 Jahre eintritt - der Begriff "Konstellation" steht in der Astronomie für die Stellung der Himmelskörper und Fixsterne zueinander. Diese besondere Konstellation soll mit dem "Platonischen Jahr" der Erde zu tun haben, auch "Zyklus der Präzession" genannt.

Die Erdachse ist in ihrer Ausrichtung nicht ganz starr, sondern sie kreiselt - dafür braucht sie 25.800 Jahre. Die Kreiselbewegung der Erdachse - der Grund dafür sind die Anziehungskräfte von Mond und Sonne - nennt man auch "Präzession". Nach einer vollen Kreiselbewegung, nach 25.800 Jahren also, befindet sich die Erdachse wieder in gleicher Ausrichtung. Man sagt dann, dass ein Platonisches Jahr vorüber gegangen ist. Die 5.125 Jahre andauernde Lange Zählung der Maya müsste ungefähr fünf mal ablaufen, um ein Platonisches Jahr voll zu machen.

Die astronomische Besonderheit für das Jahr 2012 ist angeblich, dass die Erdachse dann zum ersten Mal seit 25.800 Jahren wieder in Richtung des Milchstraßenzentrums zeigen wird - die Milchstraße ist die Galaxie, in der sich unser Planetensystem befindet. Bei der Wintersonnenwende am 21. Dezember stehen demnach Sonne, Erde und Milchstraßenzentrum in einer Linie. War es tatsächlich dies, was die Maya vorausberechnet haben? Möglicherweise! Auch wenn dem so ist, heißt das natürlich noch lange nicht, dass uns der Weltuntergang bevorsteht.

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letzte Aktualisierung: 12.09.2010

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