von Björn Pawlak
Die Indianer Nordamerikas waren nach der Entdeckung Amerikas durch die Europäer Opfer eines "Völkermordes" - heute leben ihre Nachfahren in den Städten und in so genannten "Indianerreservaten". Die amerikanischen Pilgerväter der "Mayflower" (so hieß das Schiff mit den ersten europäischen Siedlern) gingen zunächst davon aus, dass sie einen menschenleeren Kontinent betraten. Tatsächlich war Amerika bevölkert von Hunderten von Indianerstämmen - und das schon seit sehr langer Zeit.
Die Geschichte der amerikanischen Indianer liegt im Dunkeln, weil sie nie aufgeschrieben worden war, als die Europäer kamen. In Europa wurden die nordamerikanischen Indianer für lange Zeit als "Wilde", "Barbaren" oder "Heiden" angesehen, die weit unter den europäischen "Christenmenschen" standen. Den technischen und militärischen Mitteln der Europäer hatten die Indianer in ihrem Kampf um Land und Kultur wenig entgegen zu setzen - die Entdeckung Amerikas durch die Europäer hatte für die dortigen Ureinwohner schlimme Folgen.
Ursprünglich sind auch die amerikanischen Ureinwohner Einwanderer gewesen - man nimmt an, dass sie während der letzten Eiszeit über die Behringstraße von Asien nach Amerika kamen (damals gab es dort wohl einen Landweg). Die amerikanischen Urvölker sind also Nachkommen von asiatischen Völkern. Wann genau das passiert ist, lässt sich nicht so genau sagen. In der "Archäologie" ("Altertumskunde") schätzt man, dass diese Zeit zwischen 10.000 und 40.000 Jahren zurückliegt. Man hat über 10.000 Jahre alte Ausgrabungen gefunden, die Aufschluss darüber geben, was für eine Kultur die Menschen damals pflegten.
Warum bezeichnet man die Ur-Amerikaner als "Indianer"?
Das Wort "Indianer" ist umstritten, weil es sich um eine Fremdbezeichnung der europäischen Eindringlinge auf dem amerikanischen Kontinent handelt. Kolumbus und seine Begleiter waren eigentlich zu einer Weltumsegelung bis nach "Indien" (so nannte man damals nicht nur das heutige Land Indien, sondern ganz Asien) aufgebrochen.
Als die Seefahrer aus Europa amerikanisches Festland erreichten, dachten sie, bereits in Asien zu sein - würde es Amerika nicht geben, dann könnte man von Europa aus immer westwärts bis nach Asien mit dem Schiff fahren. Amerika war nicht bekannt, also hielt man diesen Kontinent irrtümlicherweise für einen asiatischen Ausläufer - die dort lebenden Menschen bezeichnete man dementsprechend als Indianer.
Obwohl man den Irrtum schon bald bemerkte, hielt man am einmal gewählten Namen für die Ureinwohner fest. Wenn man heutzutage von "den Indianern" spricht, dann muss man wissen, dass der Begriff von manchen auch abwertend verstanden werden kann. Neutraler sind die Bezeichnungen "amerikanische Ureinwohner", "amerikanische Urvölker" oder "Indigene Völker Amerikas". Andererseits wird der Begriff Indianer auch von vielen Sprechern heute benutzt, ohne dass etwas Abwertendes mitklingt.
"Sesshafte" Europäer treffen auf "nomadische" Indianer
Den Indianern war der Gedanke fremd, dass man von Grund und Boden "Besitz" nehmen könnte. Sie bewegten sich in ihrer Umwelt und lebten sehr viel eher als die europäischen Einwanderer in Einklang mit der Natur, und nicht gegen sie. Zeugnis dafür sind auch die indianischen Religionen, die davon ausgingen, dass alles in der Natur einen Geist oder eine Seele habe ("Animismus").
Die ersten europäischen Siedler hingegegen waren hauptsächlich protestantisch-puritanisch geprägt - sie glaubten an biblische Verheißungen und hielten sich für ein auserwähltes Volk. Es war ihr fester Glaube, dass die Natur ein Geschenk Gottes an die Menschen sei und dass die Menschen über sie herrschen sollen.
Die Europäer nahmen den Indianern Stück für Stück ihr Land weg - das war noch einigermaßen zu verschmerzen, solange nur wenige Siedler nach Amerika kamen. Bis zum Jahr 1770 stieg die Anzahl der weißen Bevölkerung in den USA jedoch schlagartig auf über zwei Millionen an.
Mit der Zeit aber begannen sich die kriegerischen Auseinandersetzungen zu häufen, weil der Raum zum Ausweichen geringer wurde. Letztlich schwoll der Strom von Einwanderern aus Europa so sehr an, dass die amerikanischen Ureinwohner zu Fremden in ihrem eigenen "Land" wurden. Ihre Kultur wurde von außen zerstört. Nicht nur gezielte Tötungen und Vertreibungen, sondern auch Krankheiten und der Alkohol, der den Indianern unbekannt gewesen war, setzten den Urvölkern schwer zu - man geht davon aus, dass bis zu 90 Prozent der indianischen Bevölkerung den aus Europa eingeschleppten ansteckenden Krankheiten zum Opfer fielen.
Ein paar Jahrzehnte nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurde ein Gesetz erlassen - "Indian Removal Bill" genannt (das heißt soviel wie "Gesetz zur Entfernung der Indianer") - das es ermöglichen sollte, die Indianerstämme im Osten des Landes zu vertreiben. Alle östlich des Mississippis lebenden Indianer wurden mit Gewalt zwangsumgesiedelt, viele ließen dabei ihr Leben (vor allem Angehörige des Stammes Cherokee).
Bau der Eisenbahn
Als etwa um 1850 der Bau der Eisenbahnstrecken begann, schränkte man die Rechte der Indianer noch weiter ein. Das Schienennetz breitete sich von Osten her immer weiter nach Westen aus. Im Jahr 1869 war es zum ersten Mal möglich, von der Ostküste bis zur Westküste mit dem Zug zu fahren. Die Indianer beschrieben die Eisenbahn als "eisernes Pferd" und nahmen sie als Bedrohung wahr.
Neben den Indianern wurden auch Tiere vertrieben, die in den Weiten Amerikas zu Hause waren. In Amerika gab es noch im 18. Jahrhundert riesige Büffel- und Bisonherden - von den Siedlern aus Europa wurden sie jedoch gejagt und "zum Vergnügen" getötet. Es kam nicht selten vor, dass man die Tiere aus den fahrenden Zügen heraus einfach "abknallte". Im 19. Jahrhundert ging die Zahl der Bisons von etwa 75.000 auf nur noch mehrere Hundert zurück.
Im Jahr 1890 wurde der indianische Widerstand endgültig gebrochen, als es zum "Massaker von Wounded Knee" kam. Seit 1944 gibt es eine gemeinsame indianische Widerstandsorganisation, in der sich verschiedene Indianervölker zusammengeschlossen haben - sie trägt den Namen "National Congress of American Indians" ("NCAI"). Ab 1970 gibt es die stammesübergreifende Organisation "American Indian Movement" ("AIM").
Welche Stämme gibt es?
Bekannte Indianerstämme sind zum Beispiel "Sioux", "Hopi", "Pawnee", "Comanchen", "Irokesen", "Apachen", "Shawnee", "Schoschonen", "Cheyenne", "Cherokee", "Navajo", "Blackfoot" und "Creek". Viele Ortsnamen in den USA und in Kanada sind nach Indianerstämmen benannt.
Die verschiedenen Stämme hatten insgesamt weit über hundert verschiedene Sprachen. Zur Verständigung über die Stammesgrenzen hinweg hatten sie zusätzlich eine einheitliche Zeichensprache entwickelt. Die Mitgliedschaft zu einem Stamm ist übrigens nicht einheitlich geregelt - jeder Stamm hat diesbezüglich eigene "Abstammungskriterien" (bei manchen zählt die mütterliche, bei anderen die väterliche Abstammungslinie).
Zur Vereinfachung unterscheidet man nicht nur die zahlreichen einzelnen Stämme, sondern vier Hauptgruppen: die "Küsten-Indianer" an der Nordwestküste, die "Pueblo- Indianer" im Südwesten Amerikas, die "Prärie-Indianer" aus dem Landesinneren und die "Waldland-Indianer" im Nordosten.
Die Küsten-Indianer lebten in Häusern aus Holz, bauten Kanus, fuhren aufs Meer hinaus und lebten von der Jagd auf Robben und Wale und vom Fischfang.
Die Pueblo-Indianer bauten Siedlungen aus mehrstöckigen Lehmhäusern - "Pueblo" ist Spanisch und bedeutet "Dorf". Die Lehmsiedlungen der Pueblo-Indianer wurden teilweise in die Felsen hinein gebaut, um gut geschützt zu sein. Die Pueblo-Indianer waren sesshaft und lebten vom Ackerbau.
Die Prärie-Indianer waren Nomaden - sie lebten in spitz zulaufenden kegelförmigen Zelten, den so genannten "Tipis". Die Tipis waren mit Büffelleder bespannt und konnten schnell auf- und abgebaut werden. Die Prärie-Indianer machten Jagd auf Büffel und Bisons und folgten den Herden der Tiere auch nach.
Die Behausungen der Waldland-Indianer waren die "Wigwams" - anders als die Tipis waren die Wigwams teilweise richtig befestigte Häuser. Auch die Waldland-Indianer waren sesshaft und ackerbauend.
Indianer in Nordamerika heute
Man schätzt, dass heute noch über drei Millonen Indianer in Nordamerika (USA und Kanada) leben - viele von ihnen in den Städten, manche aber auch in den über das Land verteilten Indianerreservaten. Die Stämme Cherokee, Navajo und Sioux sind in der Gegenwart zahlenmäßig die größten.
Insgesamt gibt es die Tendenz, dass die Indianer sich über die Stammesgrenzen hinweg ihrer gemeinsamen Herkunft bewusst geworden sind und sich gegenseitig unterstützen.
Die Reservatsgebiete haben teilweise eine eigenständige Verwaltung. Einnahmequellen für die in Reservaten lebenden Indianer sind unter anderem der Tourismus und das Kunsthandwerk, aber auch das Betreiben von Spielkasinos.
Obwohl es auch Ausnahmen gibt, ist das Leben in den Indianerreservaten insgesamt doch von großer Armut geprägt. Das Gesundheitswesen ist schlecht, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Perspektivlosigkeit sind weit verbreitet.
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