29.11.2008
Islamistische Terroristen haben in Indiens Wirtschaftszentrum Bombay mit einer Serie von Anschlägen etwa 200 Menschen getötet und rund 300 verletzt. In der Nacht zum 27. November griffen die mit Maschinenpistolen und Sprengstoff bewaffneten Täter stark belebte Ziele an. Sie schossen auf wehrlose Passanten und nahmen Hunderte von Menschen als Geiseln.
Mitten in der Innenstadt Bombays schossen die terroristischen Attentäter auf wehrlose Passanten in Restaurants, einer Wohnsiedlung, einem Bahnhof und einem Krankenhaus. In den Luxushotels Taj Mahal und Oberoi verschanzten sie sich und nahmen Hunderte von Menschen als Geiseln. Erst nach über 60 Stunden gelang es den Sicherheitskräften, den kriegsähnlichen Zustand in der Stadt zu beenden: Spezialeinheiten von Polizei und Militär stürmten die Hotels und befreiten etwa 600 Geiseln. In den heftigen Kämpfen starben alle Terroristen bis auf den 21-jährigen Azam Amir Kasav, der lebend gefasst wurde.
Woher Kasav und seine teils sehr jungen Komplizen stammen und wer die Drahtzieher hinter den verheerenden Anschlägen sind, ist noch unklar. Sicher scheint jedoch, dass die Terroristen die Anschläge vor dem Hintergrund eines religiösen Konflikts zwischen Hindus und Muslimen durchgeführt haben, der in Indien eine lange, leider von viel Gewalt geprägte Geschichte hat. Die indische Regierung behauptet, die Terroristen seien Pakistani und hätten enge Verbindungen zu einer radikal-islamischen Gruppe im Nachbarland gehabt. Die pakistanische Untergrundorganisation Lashkar-e-Toiba, die schon in der Vergangenheit Anschläge in Indien verübt hat, stecke hinter den Anschlägen, so Indiens Außenminister Pranab Mukherjee.
Möglich wäre auch, dass indische Islamisten die Attentate in ihrem eigenen Land verübt haben, was die indische Regierung aber scharf bestreitet. Indien schiebt die Verantwortung an Pakistan weiter, das im Kampf gegen Terroristen zu wenig unternehme und diese sogar noch unterstütze. Egal, ob die Attentäter Inder oder Pakistanis waren: Die Terrorangriffe decken unverhüllt auf, wie schwierig das Zusammenleben zwischen Muslimen und Hindus in diesem Teil der Erde war und ist. (Weitere Infos dazu: siehe auch "Indien und Pakistan - 60 Jahre Unabhängigkeit")
Region Kaschmir von beiden Staaten umkämpft
In Indien, einem so genannten "Vielvölkerstaat" mit vielen nebeneinander bestehenden Kulturen und Traditionen, gehört die große Mehrheit der Bevölkerung (etwa 81 Prozent) dem hinduistischen Glauben an, während etwa 13 Prozent Muslime sind. Mit über einer Milliarde Einwohnern ist Indien das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde. In Indien lebt die drittgrößte muslimische Bevölkerung weltweit.
Besonders in der nordindischen Provinz Kaschmir, die an das islamisch geprägte Nachbarland Pakistan grenzt, leben sehr viele Muslime. Da Pakistan Teile Kaschmirs für sich beansprucht, erwuchs zwischen Indien und Pakistan ein jahrzehntelanger politischer, aber auch religiöser Konflikt. 1948, 1965 und 1971 führten beide Staaten bereits Kriege um das umkämpfte Kaschmir. Mit teilweise gewaltsamen Mitteln treten radikale Muslime für die Angliederung Kaschmirs an Pakistan ein. Immer wieder werden dort gezielt Anschläge auf indische Einrichtungen und Hindus verübt.
Auch in anderen Teilen Indiens kam es mehrfach zu terroristischen Anschlägen, die islamistischen Organisationen wie Lashkar-e-Toiba zugeschrieben wurden. Am 12. März 1993 fand das bisher schlimmste Attentat statt: 257 Menschen starben, als ebenfalls in Bombay zehn Bomben die Börse, Hotels, Züge und Tankstellen zerstörten. Insgesamt starben seit 2004 über 4.000 Menschen bei Anschlägen in Indien - nur im Irak hat es im gleichen Zeitraum mehr Tote durch Attentate gegeben. Die jüngste Anschlagsserie in Bombay ist die größte seitdem.
Konflikte zwischen Hindus und Muslimen verschärfen sich
Die hindu-nationalistische Partei BJP versucht, aus den Anschlägen einen politischen Vorteil zu erlangen. Sie wirft der Regierung Untätigkeit im Kampf gegen den islamistischen Terror vor und versucht, die hinduistische Bevölkerung gegen Muslime aufzuhetzen.
Doch nicht nur die Parolen islamfeindlicher Parteien heizt den Konflikt weiter an, sondern auch die Tatsache, dass die muslimische Minderheit in Indien mit vielen sozialen Problemen zu kämpfen hat: Indische Muslime sind oft ärmer und weniger gebildet als der Rest der Bevölkerung. Die Armut, Arbeitslosigkeit sowie der Anteil der Menschen, der nicht lesen oder schreiben kann, ist im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen deutlich höher. Außerdem sind Muslime schon oft Opfer hindu-nationalistischer Angriffe geworden: Etwa tausend Muslime starben zum Beispiel im Jahr 2002, als radikale Hindus gegen Muslime in der Provinz Gujarat vorgingen.
Indiens Vorwurf, dass die pakistanische Regierung in die jüngsten Anschläge von Bombay verstrickt sein könnte und Terroristen nicht genug bekämpfe, hat zu einer erneuten Verstimmung im Verhältnis zwischen den beiden Staaten geführt. Vor dem Hintergrund des ständigen Problems "Kaschmir-Konflikt" gilt die Beziehung zwischen beiden Staaten weiterhin als schwierig. Seitdem beide Staaten Atomwaffen besitzen, hätte ein erneuter Krieg verheerende Folgen für die ganze Welt.
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