Moderne Piraterie: Seeräuber an den Küsten Somalias

26.11.2008

Noch heute gibt es Piraten, die Schiffe kapern, rauben, entführen, erpressen und sogar morden. Der Unterschied der modernen Piraterie besteht in der fortschrittlichen Ausbildung, Ausstattung und Organisation. Einige Gebiete wie die Meeresregion rund um die Küsten des afrikanischen Landes Somalia sind besonders stark betroffen. Vor allem ist es die Verarmung der Bevölkerung, die immer mehr Menschen dazu treibt, sich den organisierten Seeräuber-Banden anzuschließen.

Moderne Piraten kapern heute nicht mehr mit großen Schiffen, wie man sie aus Seeräuberfilmen kennt, sondern mit kleinen, gut ausgestatteten Schnellbooten. (Quelle: C.Martinelli | Pixelio)

Die Piraterie ist nie ausgestorben, überall auf der Welt werden Schiffe von Seeräubern überfallen, ausgeraubt und entführt. Das Ende des Kalten Krieges im Jahr 1990 hat auch die Möglichkeiten der modernen Piraterie erweitert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren großflächige Gebiete der Meere aufgeteilt in West (USA) und Ost (Russland). Zahlreiche militärische Schiffe waren in den Gewässern unterwegs und die Piraten hatten wenige Chancen zu entkommen.

Mit dem Abrüsten der Großmächte gab es auch immer weniger Marine und mehr "rechtsfreien Raum" in den Weltmeeren. Die Schifffahrt wächst von Jahr zu Jahr weiter an, da 90 Prozent aller Handelsgüter auf dem Schiffsweg transportiert werden. Eine geradezu "hoffungsvolle Aussicht" für viele Menschen, die sehr arm sind und nichts besitzen ist es also, Schiffe zu kapern. Speziell in Küstennähe von Ländern, in denen es keine gefestigte Regierung gibt und bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, ist der Zuwachs der Piraterie auffällig.

Vom einfachen Raub zum organisierten Verbrechen

Der Jolly Roger: Die typische Piratenflagge ist bis heute ein bekanntes Symbol. (Quelle: Wikipedia)

Es gibt verschiedene Gebiete auf der Welt, die besonders stark betroffen sind. Vor allem ist es die Verarmung der Bevölkerung, die die Menschen dazu treibt, Schiffe zu kapern. Schnell entsteht daraus eine "organisierte Kriminalität" - oder "Wirtschaftskriminalität": Banden oder gar ganze Syndikate (kriminelle Vereinigungen) bilden sich und gehen nach Mafia-Methoden vor.

Bis vor einigen Jahren wurden Schiffe meist beraubt und die Ware zu Geld gemacht. Doch allmählich hat die Entwicklung eine Wende genommen und viele der Banden setzen mehr denn je auf Entführung und Erpressung. Gezielt werden Schiffe auserkoren, die überfallen werden, um dann Geld von der jeweiligen Reederei zu erpressen, damit die Besatzung am Leben bleiben darf und das Schiff zurückgegeben wird.

Dass hinter den Überfällen mächtige Personen stecken, die diese organisiert planen, ist offensichtlich. Die Piraten sind mit teuren Waffen und Techniken ausgerüstet - wie Satellitentelefonen, Schnellbooten oder Maschinengewehren. Die Drahtzieher sind dabei in der ganzen Welt verteilt. Sie organisieren Ausbildungscamps und schulen die zukünftigen Piraten. Außerdem engagieren sie Mittelsmänner, die bei Entführungen die Zahlungsbedingungen aushandeln, und kassieren kräftig mit.

Der Suezkanal: Segen und Fluch für die Schifffahrt

Ein beladener Frachter hat viel Tiefgang und kann sich nur langsam fortbewegen - das nutzen die Piraten mit ihren schnelleren kleinen Booten. (Quelle: RainerSturm | Pixelio)

Schon lange ist bekannt, dass einer der gefährlichsten Seewege der des Suezkanal ist. Somalische Piraten machen bis zu 250 Seemeilen rund um ihre Küsten die Gewässer unsicher. Die Anrainerstaaten des Kanals fürchten, der Seeweg könnte durch die Piraterie an Bedeutung verlieren, da bereits mehrere große Reedereien angemeldet haben, alternative Routen zu suchen.

Vorwiegend wird der Kanal von Schiffen genutzt, die zwischen Asien und Europa hin und her fahren. Er ist die kürzeste Verbindung, denn die Schiffe müssten sonst ganz Afrika umfahren, was sehr kosten- und zeitaufwändig wäre. Jedoch sind seit Beginn dieses Jahres bereits 90 Schiffe vor und in dem Kanal von Piraten angegriffen worden. Da viele der Frachtschiffe voll beladen sind, bewegen sie sich nur langsam fort - ein optimales Ziel für die Piraten, die mit ihren schnellen kleinen Booten die schwerfälligen Giganten ansteuern und sie brutal in ihre Gewalt bringen. Wer sich wehrt, muss damit rechnen, dass die Piraten bis zum Äußersten gehen und dass sie teilweise auch vor Gewalttaten und Mord nicht zurückschrecken, um ihr Ziel zu erreichen.

Streit über den Einsatz von Soldaten

Eine Fregatte der deutschen Marine. (Quelle: Patrick Döring | Pixelio)

Die NATO - das westliche Verteidigungsbündnis - plant nun, verstärkt gegen die organisierte Piraterie vorzugehen und auch Russland hat seine Hilfe angeboten. Immer wieder werden Schiffe von Hilfsorganisationen, die mit Lebensmitteln und Verpflegung geladen sind, von den Piraten angegriffen. Viele der Schiffe werden daher von Soldaten bewacht.

Zurzeit befinden sich noch 14 Schiffe samt Besatzung in der Gewalt somalischer Piraten, darunter auch ein saudiarabischer Tanker mit einer Ladung Öl im Wert von einhundert Millionen Dollar. Der Tanker wurde kürzlich entführt und entfachte auch in Deutschland Diskussionen.

Jetzt schickt Deutschland eine Fregatte - ein gut ausgestattetes Kriegsschiff - in die Region. Allerdings besagt ein Gesetz in Deutschland, dass nur Polizisten Verhaftungen vornehmen dürfen und Soldaten nicht befugt sind, Menschen festzunehmen. Die Meinungen der Politiker spalten sich und man streitet sich nun darüber, welche Befugnisse die Soldaten bekommen sollten und ob sie überhaupt so eigenmächtig handeln dürfen.

Ein vergessener Konflikt

Kinder in Somalia (Quelle: Wikipedia)

Unter anderem die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen hat die einseitige Sicht der westlichen Länder kritisiert - auch die Darstellung des Problems der Piraterie in Zeitungen und Nachrichten. Die Tragödie unzähliger Flüchtlinge werde dabei völlig außer Acht gelassen. Denn hunderttausende Menschen aus den afrikanischen Gebieten - vor allem Somalias - versuchen seit Jahren, vor Armut, Krieg und Gewalt in ihrem Land zu fliehen.

In Somalia gibt es seit fast 20 Jahren keine funktionierende Regierung mehr. Chaos und Bürgerkrieg herrschen im Land. Die Lebenserwartung ist sehr niedrig, jedes vierte Kind wird nicht einmal fünf Jahre alt. Im Süden Somalias haben radikale Muslime die Macht ergriffen, die verdächtige Menschen foltern und sogar töten. Zahlreiche Flüchtende wagen in schrottreifen Booten die gefährliche Überquerung des Golfs von Aden, um im Jemen als Flüchtlinge aufgenommen zu werden - und viele kommen dabei ums Leben.

Bittere Armut bestimmt das Land. An der Küste Somalias sind Piraten willkommen, sie werden als Helden und auch als "vertrauenswürdige Geschäftsmänner" gesehen. Viele Kinder haben nicht die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Immer mehr junge Menschen wollen sich als Piraten schulen lassen. Ein Teufelskreis: Die kriminellen Errungenschaften heizen den Bürgerkrieg in Somalia weiter an, und noch mehr völlig verarmte Somalis werden dazu getrieben, sich Piratenbanden anzuschließen.

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letzte Aktualisierung: 04.01.2010

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