von Björn Pawlak - aktualisiert - 06.12.2013
Als am 27. April 1994 Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten des Staates Südafrika gewählt wurde, schien ein lang gehegter Traum Wirklichkeit zu werden: der Traum von der Versöhnung der schwarzen und der weißen Südafrikaner. Die Zukunft für dieses Land malte man sich damals sehr optimistisch und hoffnungsvoll. Doch zuletzt zeigte sich dieser Staat in einer tiefen Krise, auch was Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angeht.
Die Geschichte Südafrikas war geprägt von den Jahrzehnten der Rassentrennung, und diese Epoche war in der Tat zumindest offiziell 1994 mit der Wahl Mandelas beendet. Schon viel länger jedoch dauerte die koloniale Epoche: 1806 bereits wurde Südafrika zu einer britischen Kolonie. Kolonien waren Länder oder Gebiete, die gewaltsam besetzt und von nicht einheimischen Regierungen verwaltet wurden.
Erst 1961 schied Südafrika aus dem britischen "Commonwealth", dem Bund der britischen Kolonien samt dem Mutterland England ("Vereinigtes Königreich"), aus. Schon lange vorher - nämlich im 17. und im 18. Jahrhundert - siedelten vor allem Holländer, auch "Buren" genannt, im heutigen Südafrika.
Südafrika als europäische Kolonie
Südafrika hatte damals eine ganz eigene ursprüngliche und vielschichtige Gesellschaftsordnung, in der Stammes- und Clanstrukturen bedeutend waren. Auch Mandelas Spitzname "Madiba" verweist noch darauf - und natürlich gibt es die Stammes- und Clanstrukturen auch heute noch. Die Staatsgründung Südafrikas (1910 entstand die "Südafrikanische Union") basierte letztlich auf westeuropäischen Vorstellungen und Idealen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand auch die Infrastruktur (zum Beispiel das Straßen- und Schienennetz) für den gezielten Abbau von Südafrikas Bodenschätzen. England als Mutterland war wichtigster Handelspartner und Abnehmer der Bodenschätze - unter den neu geschaffenen kolonialen Wirtschaftsstrukturen konnte das traditionelle Leben auf dem Land nicht mehr so weitergehen wie zuvor.
Rassentrennung und ihre Überwindung
Politisch entstanden als Reaktion auf diese Entwicklung zwei unterschiedliche nationale Widerstandsbewegungen gegen die britischen Kolonialherren: zum einen die mächtige Bewegung der weißen burischen Siedler ("NP" für "National Party"), zum anderen die Bewegung der schwarzen Südafrikaner ("ANC" für "African National Congress"). Die NP kämpfte für eine radikale Rassentrennung, der ANC organisierte den Widerstand der Schwarzen.
Es gab noch unterschiedliche andere Gruppierungen gegen die Apartheid (so nannte man die Rassentrennung in Südafrika), die verschiedenste Strategien des Widerstandes verfolgten. Dem ANC schloss sich auch Nelson Mandela an. 1948 gewann die NP die Wahlen und stellte die Weichen für die über 40 Jahre der Rassentrennung, die nun folgen sollten.
Der ANC war als politische Partei lange Zeit verboten (bis 1990), gewann 1994 jedoch die Wahlen. Zuvor hatte der letzte Staatspräsident der NP, Frederik Willem de Klerk, die Politik der Rassentrennung schrittweise abgebaut und so auch ermöglicht, dass Nelson Mandela aus seiner politischen Haft entlassen werden konnte. Dies war das sichtbare Ende der Apartheid, Nelson Mandela gilt noch heute als Symbolfigur dieses Durchbruchs. Leider war das Ende der Apartheid kein Ende der Armut für sehr viele Südafrikaner.
Die Zeit nach Nelson Mandelas Präsidentschaft
Als Nachfolger Mandelas wurde im Jahr 1999 Thabo Mbeki zum neuen Staatspräsidenten Südafrikas gewählt. Das Verhältnis zwischen den Menschen im Land und Mbeki blieb angespannt und distanziert. Anders als Nelson Mandela wurde er in keiner Weise als Vaterfigur des südafrikanischen Volkes wahrgenommen. Die Beliebtheit Mandelas spiegelte damals auch die Hoffnung vieler Südafrikaner auf eine bessere Zukunft wieder, die nach seiner Amtszeit mehr und mehr erschüttert war.
Gegen Mbeki wurde immer wieder die Kritik laut, dass seine Politik nur für eine kleine schwarze Mittelschicht und die ohnehin schon bevorzugte weiße Oberschicht von Nutzen sei. Für die armen und sehr armen Südafrikaner schien sich kaum etwas zu verbessern. Viele der besser qualifizierten Südafrikaner sind in den vergangenen Jahren ausgewandert - zum Beispiel nach Australien, wo Unternehmen südafrikanische Fachkräfte anwerben und mit besseren Lebensperspektiven locken. Seit dem 9. Mai 2009 hat Südafrika einen neuen Staatspräsidenten. Der neue Amtsinhaber Jacob Zuma vom Afrikanischen Nationalkongress führt die Politik seiner Vorgänger Mandela und Mbeki in Grundzügen fort.
Armut und Landflucht
Der Grundbesitz ist in Südafrika sehr ungleich verteilt. Diese Verhältnisse trugen und tragen noch immer dazu bei, dass Menschen vom Land abwandern ("Landflucht"). Die Menschen kommen in die Städte, wo die Slums, also die Elendsviertel, immer größer werden. Aus den Innenstädten selbst werden die Ärmsten vertrieben. Die Luxussiedlungen der Reichen sind strengstens abgeriegelt und von privaten Wachdiensten rund um die Uhr bewacht. Die Wohngegenden der Armen und der Reichen berühren sich praktisch nicht, selbst wenn sie nah beieinander liegen. Die Slums bilden wachsende "Gürtel" um die inneren Bezirke der bekannten Großstädte Johannesburg, Durban oder Kapstadt herum.
Oft bezeichnet man die Slums der Großstädte auch als "Townships". Zur Zeit der Rassentrennung waren die Townships geschlossene Wohnsiedlungen für die schwarze Bevölkerung. Baracken aller Art (Bretterbuden, Wellblechhütten und sogar Pappkartons) dienen als Behausung, in chaotischer Anordnung und eng aneinander gebaut. Die Menschen wohnen hier auf engstem Raum zusammen, die hygienischen Bedingungen sind häufig katastrophal.
Gewaltsame Unruhen im ganzen Land
Das Wiederaufflammen von Rassismus und fremdenfeindlicher Gewalt zeigte sich immer wieder in Konflikten zwischen verschiedenen Gruppierungen - so etwa kam es mehrfach zu Angriffen durch südafrikanische Bewohner der Slums von Johannesburg, Kapstadt und anderen Städten gegen schwarze Ausländer, die aus ihren Behausungen vertrieben wurden.
Viele Menschen aus dem Nachbarland Simbabwe waren in den vergangenen Jahren vor der Krise dort geflohen. Schätzungen gehen von über drei Millionen betroffenen Menschen aus. Diese Flüchtlinge treffen auf verarmte schwarze Südafrikaner, die sich in ihren ohnehin schon erbärmlichen Lebensverhältnissen im Gegenzug in ihrem Existenzrecht bedroht fühlen. Auch aus den Nachbarländern Mosambik und Malawi waren viele Menschen nach Südafrika gekommen. Nach den gewaltsamen Vorfällen haben sie das Land teilweise wieder verlassen, viele leben noch in Flüchtlingscamps innerhalb der Grenzen Südafrikas.
Es hängen weiterhin gefühlte dunkle Wolken über Südafrika - aber was auch immer passiert, Menschen brauchen Hoffnung und Hoffnungsträger. Weiterhin wird der Menschenrechtskämpfer Nelson Mandela das große Vorbild für die Südafrikaner sein. Das Land ist noch immer geprägt von kultureller Vielfalt, mit all ihren Widersprüchen, Problemen, aber auch positiven Kräften, die auf eine bessere Zukunft hoffen lassen.
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