von Britta Pawlak
Du hast im ersten Teil erfahren, dass die Menschen nur durch Massentierhaltung so selbstverständlich jeden Tag diese Mengen an Fleisch, Eiern und Milchprodukten essen können. Für die billigen Lebensmittel wird jedoch ein hoher Preis in Kauf genommen: Die Tiere müssen große Qualen erleiden. Der einzige Zweck ihres Daseins ist es, Fleisch und tierische Erzeugnisse zu liefern. Lies nun, wie der triste Alltag einer Milchkuh, das kurze Leben eines männlichen Kalbs oder das düstere und beengte Dasein eines Mastschweines in einem Massentierbetrieb aussieht.
Die schöne Vorstellung frei lebender Kühe auf der Weide entspricht leider nicht den tatsächlichen Lebensbedingungen vieler Kühe, deren Milchprodukte wir täglich verzehren. Um solche Mengen an Milch, Käse, Quark, Joghurt und anderen Produkten anbieten zu können, würden hierzulande unsere Wiesen und Weiden für eine Freilandhaltung längst nicht ausreichen. Außerdem könnte man diese Nahrungsmittel nicht zu so günstigen Preisen anbieten, wie die meisten Leute es erwarten. Das ermöglicht erst die Massentierhaltung - auf Kosten der Tiere.
Auch zahlreiche Rinder leben hier auf engstem Raum, oft ohne Tageslicht. In der so genannten "Anbindehaltung", in der die Kühe mit Ketten- oder Halsrahmen in beengten Verschlägen festgebunden werden, können sich die Milchkühe kaum bewegen. Solche Anbindeställe entsprechen der herkömmlichen Rinderhaltung. Diese besonders grausame Art der Haltung verliert in Ländern der Europäischen Union allmählich an Bedeutung, ist aber auch in Deutschland in vielen Regionen noch verbreitet. Unter bestimmten Umständen ist die Anbindehaltung voraussichtlich noch bis zum Jahr 2020 erlaubt - nur in der Öko-Landwirtschaft ist diese Art der Rinderhaltung nicht gestattet.
Mastrinder werden in Deutschland größtenteils in Bodenbuchten ohne Einstreu gehalten. In den Ländern der EU werden immer mehr so genannte "Laufställe" errichtet, in welchen die Kühe zu mehreren gehalten werden und herumlaufen können. Auch die Haltung in Laufställen ist aber keinesfalls artgerecht: Auch hier haben die Tiere nicht ausreichend Platz, um sich zu bewegen und verbringen meist ihr ganzes Leben in den unbequemen Ställen, anstatt Auslauf auf der Weide zu haben. Vollspaltenböden sind noch immer zugelassen, bei welchen die Tiere ohne Einstreu auf harten Holzböden mit Spalten dazwischen laufen. Immer wieder bleiben Kotreste in den Spalten der Böden hängen, sodass die Kühe durch ihre eigenen Ausscheidungen laufen müssen und ständig auf dem glitschigen Untergrund ausrutschen. Der harte Boden führt teilweise zu Klauenschäden und beim Hinfallen verletzen sich die schweren Tiere oft. Nicht selten bleiben sie daher über längere Zeit liegen, sodass sie sich kaum noch bewegen. Zudem bilden sich oftmals Rangordnungen in den Ställen aus, unter denen die schwächeren Rinder sehr leiden: Rangniedrigere Tiere haben kaum die Möglichkeit auszuweichen oder sich auszuruhen, werden von Artgenossen ständig von der Futter- und Wasserstelle verjagt und stehen unter Dauerstress.
Aus weiblichen Rindern werden "Milchmaschinen"
Damit sie besonders viel Milch geben können, werden Kühe mit reichlich Industrie-Kraftfutter und hohen Energielieferanten in übermäßigen Mengen gefüttert. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Milchleistung einer Kuh von jährlich ungefähr 2.000 auf teilweise bis zu 7.000 Liter hochgetrieben. Derartige Steigerungen der Produktion sind nur durch den Einsatz von billigem Energiefutter möglich. Doch die Zuchttiere sind dadurch anfälliger für Krankheiten und haben eine geringere Lebenserwartung.
Die Kühe werden häufig mehrmals täglich an Maschinen angeschlossen, durch die sie gemolken werden. Oft haben die Kühe schmerzhafte Euterentzündungen und Verletzungen durch die Melkmaschinen. Weibliche Rinder werden so lange als "Milchmaschinen" gebraucht, bis sie ausgedient haben, weil sie nicht mehr genug Milch geben. Dann werden die Tiere meist für den Verzehr geschlachtet. Was vielen überhaupt nicht bewusst ist: Wie andere Säugetiere auch, geben Kühe eigentlich nur Milch, wenn sie Junge haben. Damit eine Kuh ständig Milch "produzieren" kann, die eigentlich - wie bei uns Menschen - zur Aufzucht ihres Jungen gedacht ist, werden die weiblichen Tiere ständig künstlich befruchtet. Die Kälbchen werden sofort nach der Geburt von ihren Müttern getrennt, was bei beiden Tieren große Verzweiflung hervorruft.
Männliche Rinder werden zu Fleisch verarbeitet
Das kleine Kälbchen wird dann mit einem billigen Milchersatz aufgezogen, um später selbst als Milchkuh zu enden oder geschlachtet und zu Kalbfleisch verarbeitet zu werden. Selbst in Deutschland ist es erlaubt, den Jungtieren im Alter von bis zu sechs Wochen ohne Betäubung mit der Feuerzange Markierungen einzubrennen oder ihnen die Hörner abzuschneiden. Auch eine betäubungslose Kastration (Entfernung der Hoden) ist in den ersten vier Lebenswochen gestattet.
Die männlichen Rinder werden schon als Kälbchen in oft winzige Verschläge gebracht, wo sie schnell gemästet werden. Es wird immer wieder berichtet, dass Kälber - trotz der Verbote in einigen Ländern - mit einem Milchersatz gefüttert werden, der mit Hormonen angereichert ist und dem Eisen entzogen wurde. Dadurch soll erreicht werden, dass das spätere Fleisch durch die Blutarmut "schön weiß und zart" ist. Diese jungen Rinder sind durch den Eisenmangel jedoch sehr geschwächt. Im Alter von nur 16 Wochen werden die männlichen Tiere im Allgemeinen geschlachtet, um zu dem begehrten "Kalbfleisch" verarbeitet zu werden. Anders als in den USA ist der Zusatz von Hormonen in der Tiernahrung in den EU-Ländern gesetzlich verboten.
Oft sind die jungen Kälber vor der Schlachtung extrem entkräftet, da ihre Muskeln durch den Bewegungsmangel völlig unterentwickelt sind. Die Mägen der geschlachteten Kälbchen werden für die Herstellung von vielen Käsesorten verwendet. Sie enthalten ein bestimmtes Enzym, das für die Milchverdauung verantwortlich ist. Deshalb haben nur Jungtiere, die noch Milch säugen, dieses Magenenzym. Bei der Käseproduktion dient es der Milchgerinnung. Man kann Käse zwar auch mit mikrobiellem Lab (das sind biologisch gezüchtete Kulturen) herstellen, sehr oft wird aber das Kälberlab verwendet.
Der Transport von lebendigen Tieren ist billiger als der von toten
Die Rinder werden oft viele Stunden im LKW zur Schlachterei transportiert. Weltweit werden jährlich über 50 Milliarden Zuchttiere befördert, nicht selten dauern die Fahrten mehrere Tage. Der Grund ist natürlich wirtschaftlicher Art: Zum einen wurde die Tierzucht immer mehr spezialisiert und man kauft da ein, wo es "günstig" ist. Während es weniger kleine Höfe gibt, ballt sich alles in riesigen Schlachtbetrieben.
Die Tiere kommen also manchmal in Dänemark auf die Welt, werden in Holland gemästet und dann in Italien geschlachtet. Zum anderen ist der Transport von lebendigen Schlachttieren billiger als die Beförderung von Fleisch, das gekühlt werden müsste. Auch Zollbestimmungen spielen eine Rolle: Für die Einfuhr von Fleisch in die EU muss man bezahlen, Tiere dürfen dagegen zollfrei transportiert werden. Die Rinder werden in Massen in die Lastwagen verfrachtet und erhalten auf der Fahrt meist weder Futter noch Wasser. Die Tiere geraten in Panik, trampeln manchmal in der Enge ihre geschwächten Artgenossen tot oder sterben selbst aus Entkräftung.
Einige Kühe werden nach der Ankunft auf dem Boden zum Schlachthof geschleift oder an den Beinen gefesselt aus den Lastern "entladen", weil sie völlig erschöpft sind oder verkrüppelte Gliedmaßen haben. Die Tiere, die noch fähig sind, zu laufen, werden häufig mit Elektroschocks in die Schlachterei getrieben. In den Betrieben werden die Tiere der Reihe nach an den Beinen an Eisenbügeln aufgehängt. Ein Fließband befördert sie kopfüber in den Tod: Nacheinander wird ihnen der Hals aufgeschnitten. In Deutschland und in vielen anderen Ländern müssen die Tiere in der Regel kurz vor der Tötung durch Gas, elektrischen Strom oder andere Methoden betäubt werden.
Schächtung: Tod durch Ausbluten ohne Betäubung
Das Gesetz hierzulande gestattet es allerdings in bestimmten Fällen, die Tiere ohne Betäubung zu töten. Die so genannte Schächtung gilt im Judentum und im Islam als religiöse Vorschrift. Dabei wird dem Schlachttier bei vollem Bewusstsein die Halsschlagader durchtrennt und man lässt es kopfüber "ausbluten". Die Befürworter der Schächtung vermuten, dass das Tier durch den schnell einsetzenden Sauerstoffmangel des Gehirns nach kurzer Zeit nicht mehr viel mitbekommt und das Schmerzempfinden nachlässt.
Dies wird allerdings stark angezweifelt, da die Gefäße, die die Nervenbahnen des Rückens versorgen, nicht durchtrennt wurden. Diese spielen bei Wirbeltieren für die Wahrnehmung von Schmerzen eine wichtige Rolle. Wie lange das Tier tatsächlich noch bewusst mit dem Tod ringt, kann keiner genau sagen. Es ist auch nicht bei jedem Lebewesen gleich. Beobachtet man allerdings einzelne Kühe während des Schächtvorgangs, scheint es, als ob sie einen länger andauernden Todeskampf führen. Sie versuchen zu schlucken oder nach Luft zu schnappen, zappeln und verdrehen die Augen.
Fest steht in jedem Fall, dass die Rinder nicht sofort nach dem Schnitt in den Hals empfindungslos sind. Obwohl sogar die Verfassung aus Tierschutzgründen eine Schlachtung mit vorheriger Betäubung vorschreibt, macht sie also hier eine Ausnahme. Die Rücksicht auf Glaubenstraditionen wird demnach als wichtiger angesehen als die Qual der Tiere. Vor allem für gläubige Juden ist häufig ausschließlich der Verzehr von Rindern erlaubt, die ohne Betäubung geschlachtet wurden, da nur dieses Fleisch als "rein" gilt. Heutzutage gibt es aber auch Reformjuden, die sich gegen die Vorschrift aussprechen, nur Rindfleisch aus dieser Schlachtung zu verzehren. Produkte aus der Schächtungs-Methode (auch als "Halal-Schlachtung" bezeichnet) werden auch in einigen Döner-Geschäften verkauft.
Schweine ohne Ohren und Schwänze
Schweine werden bei der Massenhaltung in winzigen Verschlägen oder in riesiger Anzahl zusammengepfercht in Ställen gehalten - in der Regel ohne Tageslicht. Gerade diesen Tieren werden viele Medikamente verabreicht. Nicht nur die Gefahr, dass sich Krankheiten ausbreiten, sondern auch die seelische Belastung ist bei Zuchtschweinen hoch. Schweine sind sensible Tiere, die äußerst empfindlich auf Stress reagieren. Viele von ihnen sind völlig geschwächt durch Dauerstress, schlechte Hygiene, Medikamente und das viele Industrie-Futter, das zu einer raschen Aufzucht verhelfen soll - einige von ihnen sterben sogar an Herzanfällen.
Oft bewegen sich die Zuchttiere in ihren eigenen Ausscheidungen, sofern von "Bewegung" die Rede sein kann. In vielen Betrieben ist es allgemein üblich, Schweine mit Stöcken zu schlagen, um sie voranzutreiben. Viele der Tiere können ihren extrem gemästeten, unnatürlich schnell wachsenden Körper oft kaum noch auf ihren Beinen halten - Verkrüppelungen und Verletzungen sind die Folge.
Kurz nach der Geburt werden männliche Tiere kastriert und vielen kleinen Ferkeln werden die Schwänze und mitunter auch Ohren und Zähne abgeschnitten - all das geschieht bei wenige Tage alten Tieren ohne Betäubung. Selbst in Deutschland ist es gesetzlich erlaubt, den Schwanz von neugeborenen Ferkeln auch ohne Betäubung zu "kupieren". Damit verhindert man, dass die Zuchttiere sich gegenseitig bekämpfen und ihre Körperteile anbeißen können. Verletzungen der empfindlichen Ohren und Schwänze in den Massen könnten unter den mangelhaften Hygienezuständen Krankheiten verursachen, man entfernt diese Körperteile also oft "vorsorglich" auf medizinische Art.
Wenn friedliche Tiere zu Kannibalen werden
Schweine sind eigentlich sehr friedliebende und soziale Lebewesen. Doch unter diesen Extrembedingungen entwickeln sie aggressive und gestörte Verhaltensweisen und greifen sich oft gegenseitig an. Mitunter werden entkräftete Tiere sogar von ihren eigenen Artgenossen getötet. Schweine, die so geschwächt sind, dass man glaubt, sie schaffen es nicht mehr lebendig bis zum Tag der Schlachtung, werden nicht selten getötet, denn sie kosten nur "unnötig" Futter.
Dagegen werden unzählige kranke Schweine am Leben erhalten, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie die nächsten Wochen überstehen. Einige Zuchtschweine werden mit Fisch- oder Tiermehl gefüttert, das aus Tierinnereien ihrer Artgenossen oder anderen toten Tieren hergestellt wird. Wegen der BSE-Erkrankungen (Rinderwahn) vor einigen Jahren ist das Verfüttern von Tiermehl in der EU allerdings verboten worden. Mastschweine werden in einigen Ländern in so engen Verschlägen gehalten, dass sie nicht einmal ihren Kopf drehen oder sich überhaupt bewegen können. Sie werden mit billigem Eiweißfutter, Medikamenten - und mitunter auch Hormonpräparaten - so lange "vollgestopft", bis sie es auf bis zu 110 Kilo schaffen. Wegen der schweren Körpermasse können diese Tiere dann nur noch liegen.
Über 90 Prozent aller Zuchtschweine weltweit werden mindestens einmal in ihrem Leben unter beengten Verhältnissen gehalten, 70 Prozent werden dauerhaft auf kleinstem Raum eingepfercht. Die Säue werden ständig geschwängert, damit es für die Massenhaltung genügend Nachwuchs gibt. Da nimmt man es mit dem Leben eines einzelnen neugeborenen Schweines nicht sehr genau: Manche kleinen Ferkel kommen so schwach auf die Welt, dass man sie mitunter lieber direkt tötet - und die Tiere haben es mit ihrem kurzen Leben wohl trotz allem weniger schlimm getroffen, als ihre Artgenossen in den Massenbetrieben.
Per Fließband in den Tod
Auf dem Weg in den Tod - während des Verladens auf den Transporter - sehen die meisten Mastschweine zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt Tageslicht. Auch sie ertragen zusammengepfercht häufig sehr lange Fahrten ohne Futter und Wasser zum Schlachthof. Einzelne von ihnen kommen nicht mehr lebendig dort an. Beim Ausladen der Tiere wird oft brutal nachgeholfen: Auch viele Schweine können sich nicht mehr auf den Beinen halten und werden aus dem teilweise mehrstöckigen LKW nicht selten hinausgeworfen. Sie brechen sich dann durch den manchmal mehrere Meter tiefen Fall die Beine und werden auf dem Boden zum Schlachtbetrieb gezerrt.
Auch sie erwartet ein Fließband mit Eisenbügeln, an denen sie kopfüber aufgehängt werden. Sie werden getötet und zum "Brühbad" weiter transportiert. Hier schreibt das Gesetz vieler EU-Länder ebenfalls vor, dass die Tiere kurz vor der Tötung betäubt werden. In manchen Ländern ist dies jedoch keine Vorschrift, und auch bei uns wird die Regelung nicht immer befolgt.
Mitunter sterben die Tiere erst durch das kochende Wasser, in das sie hineingeworfen werden: In den USA soll man bei einer Untersuchung festgestellt haben, dass sich bei mehr als 30 Prozent der toten Schweine Brühwasser in den Lungen befand. Das bedeutet, dass sie zu dem Zeitpunkt, in dem sie in das heiße Wasser geworfen wurden, noch geatmet haben müssen.
Du hast nun gelesen, wie es Milchkühen, Kälbern und Mastschweinen in den Betrieben ergeht. Im Laufe der nächsten Teile wirst du mehr über negative Folgen dieser Art der Landwirtschaft für Umwelt und Gesundheit erfahren. Lies im dritten Teil unserer Serie, welche Grausamkeit sich hinter dem Begriff "Legebatterie" verbirgt und wie die Küken in Geflügelfabriken am Fließband "produziert" und auch getötet werden. Dazu kannst du dir den von Dirk Bach kommentierten Film "Leben und Sterben für die Eierindustrie" über das Dasein der Legehennen in der Massentierhaltung ansehen.Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
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