von Antje Leser
Unter dem Begriff "Tyrannei" versteht man heute die Gewaltherrschaft (oder auch Diktatur) eines Alleinherrschers über einen Staat - und zwar ohne Zustimmung des Volkes und unter Missachtung bestehender Gesetze. Dabei geht es dem Herrschenden lediglich um die brutale und meist willkürliche Ausübung seiner Macht und die Verwirklichung seiner persönlichen Interessen. Im übertragenen Sinn bedeutet Tyrannei eine Situation, in der Menschen unterdrückt und terrorisiert werden.
Die Tyrannis verkörperte während der griechischen Antike (vor allem von 600 bis 200 vor Christus) ein Herrschaftssystem, das im griechischen Stadtstaat, der "Polis", in dieser Form nicht vorgesehen war. Die typische Polis bestand aus einer Gemeinde, deren (männliche) Mitglieder zusammen politische Entscheidungen trafen und Gesetze erließen. Die Idee eines Alleinherrschers, der alle Fäden in der Hand hielt, war noch nicht geboren. Selbst der Begriff "Tyrannis" musste erst aus dem Lydischen entlehnt werden, einer Sprache, die man in Anatolien gesprochen hatte.
Aufgrund von Unruhen und Bürgerkriegen setzten sich ab der Mitte des 7. Jahrhunderts vor Christus einzelne Adlige als Tyrannen an die Spitze einer Polis, ohne dass sie rechtlich dazu beauftragt worden wären. Zunächst hatten die Menschen mit dieser Alleinherrschaft keine Probleme, doch im Laufe der Geschichte stellte sich heraus, dass die Tyrannen vor allem auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Die Gier nach Macht und Reichtum trieben die Aristokraten dazu, sich Verbündete zu suchen und politische Gegner aus dem Land zu vertreiben.
Im 4. Jahrhundert vor Christus kritisierten berühmte Philosophen wie Platon oder Aristoteles die Tyrannis als schlechteste Regierungsform von allen, denn sie habe nicht mehr das Wohl der Gemeinschaft vor Augen. Ihr Ziel sei es vielmehr, ohne gesetzliche Bindungen zu herrschen und sich ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Volkes gegen adlige Konkurrenten zu behaupten. Der Machtmissbrauch eines Tyrannen (man sagt auch "Despoten") führte oftmals zu großen Unruhen innerhalb der Bevölkerung. Bereits die Philosophen der Antike diskutierten daher heftig darüber, ob der Mord an einem Tyrannen gerechtfertigt sei oder nicht. Einerseits erlöste man durch ein Attentat seine Mitbürger von Gewalt, Unterdrückung und Tod, andererseits lud man mit dem Mord an einem Menschen Schuld auf sich. Im Laufe der Geschichte kam es zu zahlreichen Tyrannenmorden. Einer der berühmtesten ist der Mord an Julius Caesar am 14. März 44 vor Christus während einer Senatssitzung.
Seit 1968 enthält das deutsche Grundgesetz mit dem Artikel 20, Absatz 4 einen Abschnitt, der den Bürgern das Recht zum Widerstand gegen staatliche Gewalt einräumt. Die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus haben nämlich gezeigt, dass selbst staatliche Organe gegen die gegebene Verfassung verstoßen können, indem sie Gesetze erlassen, die ihre willkürlichen und oft grausamen Handlungen rechtfertigen. Der Mord an einem Tyrannen oder Diktator als letzes Mittel gegen eine verbrecherische Herrschaftsform wird damit ausdrücklich gebilligt (Zitat aus dem Grundgesetz Art. 20, Abs. 4: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist").
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