von Christoph Hühnergarth - 22.06.2010
Mit Ende des zweiten Spieltags stehen gleich drei hoch gehandelte Titelanwärter aus Europa kurz vor dem Ausscheiden in der Vorrunde: Sowohl dem amtierenden Weltmeister Italien als auch Vize-Weltmeister Frankreich sowie England droht die unfreiwillige Heimreise aus Südafrika, denn nach zwei WM-Spielen gelang noch keinem dieser Teams ein Sieg. Auch die deutsche Nationalmannschaft muss um den Einzug in die WM-Endrunde zittern: Aufgrund der unglücklichen 0:1-Niederlage gegen Serbien muss im letzten Spiel ein Sieg her, um sicher ins Achtelfinale einzuziehen.
Bisher haben bei dieser WM vor allem viele europäische Spitzenteams erhebliche Anlaufschwierigkeiten. Italien, Frankreich und England blamieren sich durch Probleme auf und abseits des Platzes: Das Spiel der drei WM-Favoriten wirkt durchschaubar und langsam. Unzufrieden pfeifen die Fans ihre eigenen Mannschaften aus. Dazu kommen Konflikte innerhalb der Teams sowie zwischen der jeweiligen Mannschaft und ihrem Trainer. Alle drei Titelanwärter müssen ihr letztes Vorrundenspiel unbedingt gewinnen, um sich eine Chance aufs Weiterkommen zu bewahren.
Die hoch gehandelten europäischen Teams aus den Niederlanden und Portugal hingegen zeigen sich in guter Form: Die "Oranjes" aus Holland gewannen auch ihr zweites Spiel, während Portugal mit dem bisher höchsten Endergebnis beeindruckte - ein grandioser 7:0-Erfolg über Nordkorea! Auch Spanien konnte die Niederlage aus dem ersten Spiel wettmachen und beeindruckte mit tollem Passspiel gegen Honduras. Insbesondere aber die südamerikanischen Mannschaften glänzen bislang bei dieser WM: Uruguay, Argentinien, Paraguay, Brasilien und Chile führen ihre jeweiligen Vorrundengruppen momentan an und zeigen Fußball mit großem technischem Vermögen und körperlichem Einsatz.
Deutschland und die Schweiz mussten nach gelungenem Auftakt überraschende Niederlagen einstecken. Während Deutschland sich mit 0:1 gegen Serbien geschlagen geben musste, verlor auch die Schweiz ihr zweites Gruppenspiel gegen Chile mit demselben Ergebnis. Besonders unglücklich an beiden Niederlagen: Sowohl die Deutschen als auch die Schweizer mussten bereits in der ersten Spielhälfte einen fragwürdigen Platzverweis hinnehmen. In Unterzahl gerieten die deutsche Elf und die Schweizer "Nati" in Rückstand und verloren knapp. Nicht nur aufgrund der beiden umstrittenen Platzverweise in diesen beiden Spielen stehen die Schiedsrichter bei dieser WM stark in der Kritk: Insgesamt zu streng seien einige Unparteiische oftmals, weil sie zu schnell Gelbe und Rote Karten zeigten, beklagen viele Experten. Außerdem sollten nur die anerkannt weltbesten Schiedsrichter bei einer WM pfeifen dürfen.
Gruppe A: Kaum Hoffnung für Frankreich und Südafrika
Vize-Weltmeister Frankreich droht bei dieser WM bereits in der Vorrunde zu scheitern. Dabei sind es wohl weniger die Gegner Mexiko, Südafrika und Uruguay, die den Franzosen die meisten Probleme bereiten, sondern ihre eigene Zerstrittenheit. Die Mannschaft Frankreichs verdient die Bezeichnung "Mannschaft" zurzeit überhaupt nicht: Vor kurzem schickte der umstrittene Trainer Raymond Domenech Stürmer-Star Nicolas Anelka nach Hause, weil dieser den Trainer aufs Übelste beleidigt hatte. Spieler wie Yoann Gourcuff sollen "gemobbt", also von den eigenen Mannschaftskameraden bewusst gedemütigt worden sein. Zudem fiel ein Training aus, weil die Spieler absichtlich nicht erschienen, um gegen ihren eigenen Trainer und den Rauswurf Anelkas zu protestieren. Mittlerweile hat sich sogar Frankreichs Staatsoberhaupt Nicolas Sarkozy eingeschaltet, um weiteren Schaden am Ansehen Frankreichs abzuwenden.
Frankreich verlor sein zweites Gruppenspiel gegen Mexiko deutlich mit 0:2. Im letzten Vorrundenspiel muss Frankreich nun mit einem möglichst hohen Ergebnis gegen Südafrika gewinnen um noch eine Chance auf das Achtelfinale zu haben. Gleichzeitig dürften aber Uruguay und Mexiko nicht unentschieden spielen.
Südafrika musste gegen Uruguay eine deutliche 0:3-Schlappe hinnehmen. Stürmer-Star Diego Forlan traf auf Seiten der Südamerikaner doppelt. Sollte Gastgeber Südafrika bereits in der Vorrunde aus dem Turnier ausscheiden, wäre es das erste Mal in der WM-Geschichte, dass es das Gastgeberland nicht mindestens ins Achtelfinale schafft.
Gruppe B: Argentinien überzeugt, Griechenland mit allererstem WM-Sieg überhaupt
In Gruppe B hat sich Argentinien mit zwei Siegen bereits vorzeitig für das Achtelfinale qualifiziert. Die Elf von Trainer Diego Maradona setze sich hochverdient mit 4:1 gegen Südkorea durch. Mit jeweils einem Sieg und einer Niederlage streiten sich vor allem Südkorea und Griechenland um Platz 2, der den Einzug ins Achtelfinale ermöglicht. Nigeria hat nur noch eine geringe Chance auf Platz 2: Ein Sieg müsste im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea her, während Griechenland gegen Argentinien verlieren müsste.
Der amtierende Weltfußballer Lionel Messi erzielte auf Seiten der Argentinier gegen Südkorea zwar wieder keinen Treffer, bereitete aber zwei Tore vor. Überragender Mann war stattdessen Stürmer Gonzalo Higuain, der drei Mal traf. Das vierte Tor der Argentinier verursachte der Südkoreaner C.-Y. Park per Eigentor.
Das vom deutschen Trainer Otto Rehhagel trainierte Griechenland kämpfte sich nach einem 0:1-Rückstand gegen Nigeria zurück und drehte die Partie sogar noch. Begünstigt wurde Griechenlands Aufholjagd durch eine Rote Karte des Nigerianers Sani Keita, der sich zu einer Tätlichkeit gegenüber einem Gegenspieler hinreißen ließ. In Überzahl machte Griechenland großen Druck auf Nigerias Abwehr bis Dimitrios Salpingidis mit Griechenlands ersten WM-Treffer überhaupt den Ausgleich erzielte. Vassilis Tosoridis' Treffer zum 2:1-Endstand machte den allerersten Sieg Griechenlands bei einer WM letztendlich perfekt. Im letzten Gruppenspiel muss sich das Team von Otto Rehhagel nun allerdings gegen die spielstarken Argentinier behaupten.
Gruppe C: Slowenien noch ungeschlagen, England vor dem Aus
Die englische Nationalmannschaft wurde in der WM-Qualifikation noch gefeiert und steht nun plötzlich kurz vor dem WM-Aus in einer der leichtesten Gruppen. Obwohl sich die Engländer durch eindrucksvolles Spiel und ohne große Mühe für die WM qualifiziert hatten, kamen sie auch in ihrem zweiten WM-Spiel nicht über ein Unentschieden hinaus: 0:0 hieß es am Ende gegen den krassen Außenseiter aus Algerien.
Vor allem Fabio Capello, der italienische Trainer der so genannten "Three Lions" (auf Deutsch: drei Löwen, wie die Engländer aufgrund ihrer Wappentiere genannt werden) steht in der Kritik. Einige Spieler, zum Beispiel Abwehrspieler John Terry, sollen sogar schon die Anweisungen des Trainers vor versammelter Mannschaft in Frage gestellt haben. Auch Stürmer-Star Wayne Rooney machte nach dem Spiel gegen Algerien deutlich, wie angespannt er ist: Er beschwerte sich vor laufenden TV-Kameras über seine eigenen Fans, weil diese die englische Mannschaft nach dem schwachen Auftritt verständlicherweise ausgepfiffen hatten. Im letzten Gruppenspiel gegen die überraschend starken Slowenen muss England gewinnen, um weiter im Turnier bleiben zu können.
Ebenso wie die Engländer sind die USA mit zwei Unentschieden in die WM gestartet. Gegen Slowenien erkämpften sich die Amerikaner nach einem 0:2-Rückstand noch ein 2:2. Michael Bradley, der in der Bundesliga für Mönchengladbach spielt, erzielte den Ausgleich kurz vor Spielende. Die Amerikaner spielen im letzten Gruppenspiel gegen Algerien. Mit einem Sieg wären sie sicher in der nächsten Runde.
Gruppe D: Deutschland mit unglücklicher Niederlage gegen Serbien
Die überraschende 0:1-Niederlage gegen Serbien hat die Begeisterung um die deutsche Nationalmannschaft leicht gebremst. Experten, Fans, Spieler und auch Bundestrainer Joachim Löw beklagten die äußerst kleinliche Regelauslegung von Schiedsrichter Alberto Mallenco aus Spanien. Dieser hatte vor allem in der Anfangsphase für recht harmlose Fouls vielen Spielern Gelbe Karten gezeigt. Miroslav Klose wurde bereits in der 37. Minute mit einer Gelb-Roten Karte des Feldes verwiesen - und nur ein paar Minuten später ging Serbien durch Milan Jovanovic in Führung. Von diesen beiden Rückschlägen aber nur kurz geschockt, erspielte sich Deutschland einige Chancen auf den Ausgleich. Vor allem Lukas Podolski hatte mehrmals den Ausgleichstreffer auf dem Fuß. Selbst einen Elfmeter in der 60. Minute konnte der Kölner Podolski nicht verwandeln. Das Tor des starken serbischen Torwarts Vladimir Stojkovic schien wie vernagelt. Vom dritten Rückschlag dieses Spiels, dem verschossenen Elfmeter, erholte sich die deutsche Mannschaft dann nicht mehr. Am Ende ging das Spiel unglücklich mit 0:1 verloren. Somit muss das Team von Bundestrainer Joachim Löw gegen Ghana gewinnen, um sicher das Achtelfinale zu erreichen.
Ghana und Australien trennten sich mit einem 1:1-Unentschieden. Australien trifft im letzten Gruppenspiel auf Serbien, das sich nach dem überraschenden Erfolg über Deutschland Hoffnungen auf das Achtelfinale machen kann. Mit einem Sieg gegen die Australier wäre auch den Serben der Einzug in die nächste Runde sicher.
Gruppe E: Niederlande weiter, Kamerun draußen
Neben den Argentiniern, Chilenen und Brasilianern haben sich als einzige Europäer die Niederländer bisher sicher für das Achtelfinale qualifiziert. Der glanzlose, aber ungefährdete 1:0-Sieg gegen Japan ist der zweite Sieg in Folge für die Niederlande. Wesley Sneijder von Champions League-Sieger Inter Mailand schoss das Tor des Tages.
Dänemark gewann in einem spannenden Spiel knapp mit 2:1 gegen Kamerun, das als einziges WM-Team neben Nordkorea und Honduras noch ohne Punktgewinn ist. Torschützen für Dänemark waren Dennis Rommedahl und Niklas Bendtner. Für Kamerun traf Star-Stürmer Samuel Eto’o, ebenfalls von Champions League-Sieger Inter Mailand.
Mit der erneuten Niederlage ist für Kamerun die Qualifikation für das Achtelfinale nicht mehr möglich. Japan und Dänemark treffen im entscheidenden letzten Gruppenspiel aufeinander und bestimmen im direkten Duell, wer neben den Niederlanden ins Achtelfinale vorrückt. Kameruns Scheitern reiht sich ein in die unglücklichen Auftritte der afrikanischen Mannschaften. Die Hoffnung, dass afrikanische Teams den Heimvorteil nutzen könnten, scheint sich nicht zu bestätigen - es ist gut möglich, dass das Achtelfinale ganz ohne afrikanische Beteiligung stattfinden wird.
Gruppe F: Italiener außer Form, Paraguay fast in nächster Runde
Weltmeister Italien steht nach dem zweiten 1:1-Unentschieden gewaltig unter Druck. Gegen Außenseiter Neuseeland ließ Trainer Marcello Lippis Elf um Stars wie Gianluca Zambrotta oder Fabio Cannavaro jegliches Tempo vermissen. Neuseeland sorgte durch eine starke kämpferische Leistung für eine Überraschung: Bereits nach sieben Minuten erzielte Shane Smeltz das 1:0 für Neuseeland. Doch Vincenzo Iaquinta besorgte den Ausgleich per Foulelfmeter. Gegen die WM-Neulinge aus der Slowakei muss endlich ein Sieg her, um sicher im Turnier zu bleiben.
An der Gruppenspitze hat sich Paraguay mit einem 2:0-Sieg gegen die Slowakei festgesetzt. Mit einem Unentschieden im letzten Gruppenspiel gegen Neuseeland wären die Südamerikaner bereits sicher in der nächsten Runde.
Gruppe G: Brasilien sicher weiter, Portugal mit sehr guter Ausgangsposition
Die "Fußball-Künstler" aus Brasilien haben sich mit einem eindrucksvollen 3:1-Sieg gegen die Elfenbeinküste bereits vorzeitig den Einzug ins Achtelfinale gesichert. Dabei verloren sie in der Schlussphase des Spiels jedoch ihren Spielmacher Kaká durch eine Gelb-Rote Karte: Der Star von Real Madrid hatte in einem überaus aggressiv geführten Spiel die Nerven verloren und seinen Gegenspieler mit dem Ellenbogen geschlagen.
Auch Portugal beeindruckte mit berauschendem Offensiv-Fußball: Gegen den krassen Außenseiter aus Nordkorea feierten die Südeuropäer um Flügelstürmer Cristiano Ronaldo ein "Fußball-Fest": 7:0 hieß es am Ende gegen chancenlose Nordkoreaner. Im letzten Gruppenspiel kommt es zum Spitzenspiel zwischen Brasilien und Portugal, wo es um den Gruppensieg geht. Portugal könnte nur noch den Einzug ins Achtelfinale verpassen, wenn es sich eine sehr hohe Niederlage gegen Brasilien leisten würde und die Elfenbeinküste gleichzeitig ebenfalls sehr hoch gegen Nordkorea gewinnen würde.
Gruppe H: Schweiz verliert Behrami und das Spiel gegen Chile
Gegen die überraschend starken Chilenen verlor die Schweiz nicht nur das Spiel, sondern auch Mittelfeldspieler Valon Behrami aufgrund einer vermeintlichen Tätlichkeit. Schiedsrichter Khalil Ibrahim Al-Ghamdi zeigte Behrami bereits in der 31. Minute die Rote Karte, weil er Arturo Vidal absichtlich mit dem Ellenbogen erwischt haben soll - eine äußerst fragwürdige Entscheidung, die die Diskussion um zu kleinliche Schiedsrichter bei dieser WM wieder aufwirft. Die Schweizer hielten die Partie lange Zeit offen, doch mussten sie in der 75. Minute das 0:1 durch einen Kopfball von Marc Gonzalez hinnehmen. Sowohl Chile als auch die Schweiz hatten kurz vor Spielende beste Chancen, das Ergebnis noch zu erhöhen oder auszugleichen. Den Stürmern versagten aber in den entscheidenden Momenten die Nerven. So blieb es am Ende beim knappen 1:0 für Chile, das nun eine hervorragende Ausgangsposition für das letzte Gruppenspiel gegen Europameister Spanien hat.
Spaniens 2:0-Erfolg über Honduras war auf der einen Seite nie gefährdet, aber auf der anderen Seite viel zu niedrig. Trotz drückender Überlegenheit konnten die Spanier "nur" zwei Tore erzielen. Doppelter Torschütze war David Villa. Angesichts der zahlreichen Torchancen hätte Spanien mindestens fünf Tore erzielen müssen. Im letzten Gruppenspiel muss die Schweiz unbedingt gegen Honduras gewinnen, um Spanien den zweiten Platz noch streitig machen zu können.
Der zweite Spieltag im Überblick Gruppe A: Südafrika -Uruguay 0:3 (in Pretoria) Frankreich - Mexiko 0:2 (in Polokwane) Gruppe B:
Argentinien - Südkorea 4:1 (in Johannesburg)
Griechenland - Nigeria 2:1 (in Bloemfontein)
Gruppe C: Slowenien - USA 2:2 (in Johannesburg) England - Algerien 0:0 (in Kapstadt) Gruppe D:
Deutschland - Serbien 0:1 (in Port Elizabeth)
Ghana - Australien 1:1 (in Rustenburg)
Gruppe E: Niederlande - Japan 1:0 (in Durban) Kamerun - Dänemark 1:2 (in Pretoria) Gruppe F:
Slowakei - Paraguay 0:2 (in Bloemfontein)
Italien - Neuseeland 1:1 (in Nelspruit)
Gruppe G: Brasilien - Elfenbeinküste 3:1 (in Johannesburg) Portugal - Nordkorea 7:0 (in Kapstadt) Gruppe H:
Chile - Schweiz 1:0 (in Port Elizabeth)
Spanien - Honduras 2:0 (in Johannesburg)
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