Ob im Fernsehen, in der Zeitung oder in Filmen - immer wieder ist von Sekten die Rede. Es wird über bestimmte Gruppen, die als Sekten bezeichnet werden, berichtet und vor ihren Gefahren gewarnt - aber was versteht man überhaupt unter einer Sekte? Was unterscheidet "Sekten" oder "Psychogruppen" von anderen Glaubensbewegungen und warum gelten sie als gefährlich? Warum sind Jugendliche und Menschen in schwierigen Lebenssituationen oftmals anfälliger, an eine Sekte zu geraten?
Der Begriff "Sekte" kommt vom lateinischen Wort "secta", was soviel wie Schule oder Partei bedeutet. Das wiederum leitet sich wahrscheinlich vom lateinischen Verb "sequi" ("folgen") ab. Vom eigentlichen Wortsinn her bezeichnet "Sekte" also erst einmal nichts Negatives. Tatsächlich meinen Religionswissenschaftler nur eine Minderheit von Menschen, die sich durch ihren Glauben oder ihre Lehre von der Religion der Mehrheit abgrenzen, wenn sie von einer Sekte sprechen. Sie benutzen den Begriff zwar eher neutral, trotzdem würde wohl keine Gruppe von sich behaupten, eine Sekte zu sein.
Im Prinzip bildeten auch die Anhänger von Jesus seinerzeit eine Sekte, denn sie haben sich von der Kirche der Mehrheit abgegrenzt. Erst viel später ist das Christentum zu einer großen Weltreligion geworden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Sekte" aber eindeutig im negativen Sinn verwendet. Wenn dort von einer Sekte gesprochen wird, ist oft eine Religionsgemeinschaft (oder auch eine politische Gruppe) gemeint, von der gewisse Gefahren ausgehen. Viele Menschen denken zum Beispiel gleich an Satanssekten, deren Mitglieder den Teufel anbeten und gruselige Rituale durchführen. Es gibt aber noch eine Vielzahl völlig anderer umstrittener oder gefährlicher Glaubensbewegungen. Traurige Fälle von Sektenmitgliedern, die sich alle gemeinsam das Leben nehmen, sorgten schon mehrfach für Schlagzeilen. Das sind natürlich extreme Einzelfälle, aber das heißt nicht, dass von anderen Sekten nicht auch erhebliche Gefahren ausgehen können.
Glaubensgemeinschaft oder Sekte?
Manche großen Glaubensgemeinschaften, die über viele Jahre gewachsen und relativ gut an die Gesellschaft angepasst sind, könnten nach der neutraleren Definition zwar als Sekten bezeichnet werden. Ob sie nach dem allgemeinen Verständnis auch als Sekte gelten, ist in vielen Fällen aber umstritten. Solche Glaubensgemeinschaften sind zwar in sich geschlossen, haben ihren eigenen Glauben und ihre Mitglieder befolgen meistens besondere Regeln. Trotzdem werden sie im Allgemeinen nicht als "gefährlich" eingestuft. Das gilt zum Beispiel für die Mormonen oder die Anhänger der Neuapostolischen Kirche. Diese Religionsgemeinschaften haben sich über die Jahre weitgehend an die moderne Gesellschaft angepasst oder befinden sich auf dem Weg dorthin. Neben diesen beiden gibt es im Christentum auch noch viele weitere neureligiöse Gemeinschaften - bekannt sind zum Beispiel die nicht unumstrittenen "Zeugen Jehovas".
Viele Glaubensgruppierungen fallen heute unter den Begriff "neue religiöse Bewegungen". Der Ausdruck "Psychogruppen" wird mit einer negativen Wertung verwendet. Als solche sehen viele zum Beispiel die bekannte und umstrittene Organisation "Scientology" an. Viele prangern an, dass sie demokratiefeindlich sei und gegen Menschenrechte verstoße. Bei zahlreichen religiösen, esoterischen oder politischen Gruppen kann nicht genau gesagt werden, ob es sich nun um "gefährliche Sekten" handelt oder nicht - vor allem nicht auf den ersten Blick. Es entstehen immer wieder neue Gruppen, von denen sicherlich viele harmlos sind, einige aber auch bedenklich. Wie nun tatsächlich die Definition einer "Sekte" im Gegensatz zu anderen Glaubensgemeinschaften ist, dazu gibt es in den einzelnen Wissenschaften wie Theologie (befasst sich mit dem christlichen Glauben) und Soziologie (befasst sich mit gesellschaftlichen Strukturen) verschiedene Ansätze. Der Begriff "Sekte" ist allerdings umstritten und wird heute im wissenschaftlichen Zusammenhang immer seltener gebraucht.
Woran erkennt man eine "Sekte"?
Verschiedene Wissenschaftler haben einige Merkmale zusammengestellt, durch die sich eine Sekte im negativen Sinn auszeichnet. Wenn einige dieser Merkmale auf eine Gruppe zutreffen, wird allgemein von einer "gefährlichen Sekte" gesprochen. Zum Beispiel nehmen viele Sekten für sich in Anspruch, dass nur sie allein die Wahrheit kennen und wissen, wie jeder Mensch erlöst werden und ins Paradies kommen kann. In vielen Sekten nimmt der Sektenführer eine besonders wichtige Rolle ein. Er wird oft als eine Art Messias verehrt, als Prophet oder Seher ausgegeben und ist das große Vorbild für alle seine Anhänger.
Ganz typisch ist, dass nach und nach von der Sekte immer größere Teile des Lebens ihrer Mitglieder beeinflusst und auch kontrolliert werden. Zum Beispiel wird von der Sekte vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden haben, was sie essen und mit wem sie Umgang haben sollen. Nicht selten werden Sektenmitglieder sogar bespitzelt oder überwacht! Viele Sekten verlangen von ihren Anhängern auch Geld. Das können angebliche Spenden oder auch Kosten für Rituale und Sitzungen sein, die das Sektenmitglied unbedingt besuchen muss. Für Außenstehende ist es allerdings oft nicht ganz leicht, einen Einblick in das Innere einer solchen Gruppe zu bekommen. Die meisten Sekten sind nämlich nach außen hin stark abgeschottet und innerhalb der Gruppe herrscht oft eine ziemlich strenge Rangordnung.
Es gibt auch einige esoterische Gruppen, die gleichzeitig so genannte "Schenkkreise" sind. Das bedeutet, neue Teilnehmer geben anderen Mitgliedern nach ihrem Eintritt Geld, in der Hoffnung, später selbst einmal beschenkt zu werden. In diesen Gruppen herrscht eine strikte Rangordnung - nur wer "aufsteigt", hat überhaupt eine Chance, eines Tages auch Geld zu bekommen. Schon viele Menschen haben auf diese Weise eine Menge Geld verloren, und nur die wenigsten profitieren in solchen Gruppen tatsächlich. Ständig werden in Schenkkreisen neue Mitglieder angeworben. Häufig bieten solche Gruppen gleichzeitig Lebenshilfen, Trost und Halt für Menschen, die Probleme haben oder auf der Suche nach neuen Wegen sind. Rechtlich gelten Schenkkreise als sittenwidrig.
Satanismus - Reiz für viele Jugendliche?
Es existieren einige satanistische Gruppierungen, die ganz unterschiedlich ausgerichtet und sowohl "harmlos" als auch gefährlich sein können. Es gibt sehr bekannte Gruppierungen, die den Satanismus vertreten. Die "Church of Satan" (deutsch: "Kirche des Satans") zum Beispiel, die 1966 gegründet wurde, ist in den USA sogar offiziell als Kirche anerkannt - ein "Ehrenmitglied" ist der Musiker Marylin Manson. Gerade auf Jugendliche üben satanistische Strömungen oftmals einen Reiz aus. Fans der Musikrichtung "Black Metal" oder Anhänger des "Dark Wave" sind aber noch lange keine Satanisten - meist trennen sie klar zwischen Musik- oder Modegeschmack und anderen Lebensbereichen.
Im "modernen" Satanismus gibt es zahlreiche Strömungen mit ganz verschiedenen Einflüssen - unter anderen aus Philosophien, Geheimlehren oder fernöstlichen Kulturen. Auch die Figur des "Satans", die in der Kirche das rein Böse verkörpert, wird dabei unterschiedlich gedeutet. Meist wird aber eine Lebenshaltung vermittelt, die den einzelnen Menschen "egoistisch" in den Mittelpunkt stellt - oft sollen dabei auch Macht- und Gewaltfantasien ausgelebt werden.
Einige Satanssekten führen umstrittene oder verbotene Rituale durch. Ihre Anhänger ziehen zum Beispiel nachts auf Friedhöfe, zum Teil beschädigen sie auch Gräber und Kapellen. Unter den zahlreichen Gruppierungen gibt es auf jeden Fall sehr bedenkliche und gefährliche, die mit Angst und Psychoterror arbeiten, (sexuelle) Gewalt gegen andere sowie Zwang auf ihre Mitglieder ausüben. Die Gefahr der seelischen Manipulation und Abhängigkeit ist gerade bei jungen Menschen groß. Seltene Extremfälle stellen satanistische Sekten wie die "Manson Family" dar, deren Mitglieder unter dem Anführer Charles Manson in den 1960er Jahren zahlreiche Morde begingen.
Geschäft mit der Angst
Viele Sekten wirken zu Anfang noch harmlos und sind zunächst überhaupt nicht als solche zu erkennen. Ganz im Gegenteil, die meisten Sekten erscheinen auf den ersten Blick sehr reizvoll. Sie bieten oft einfache Lösungen für schwierige Probleme, sie versprechen Zusammengehörigkeit, Erfolg, Glück oder Erlösung. Nicht wenige Menschen begeben sich ganz unbemerkt in die Hände einer Sekte und geraten immer weiter unter ihren Einfluss.
Besonders Jugendliche sowie Menschen, die krank oder in einer schwierigen Lebenssituation sind, sind deutlich anfälliger dafür, an eine Sekte zu geraten. Junge Menschen sind unerfahrener, neugieriger, offener und häufig auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Menschen, die Probleme haben, suchen vor allem Halt, Trost und Beistand. Speziell das Zugehörigkeitsgefühl, das Menschen in solchen Gruppen bekommen, spielt dabei eine große Rolle.
Viele der Menschen werden durch erste Beratungen und Gespräche geködert, die in der Regel kostenlos sind. Einige Sekten haben es gezielt auf Jugendliche abgesehen. Sie verteilen Broschüren, sprechen junge Leute auf der Straße an veranstalten Konzerte und Feste. Das Interesse der potentiellen Mitglieder an der Gruppe wird dadurch geweckt. Doch mit der Zeit werden viele Betroffene immer abhängiger von der Sekte - zum Beispiel indem sie ihr jedes Geld zahlen, das die Sekte von ihnen verlangt. Nicht wenige verlieren sogar ihr ganzes Vermögen an solche Organisationen. Viele Sekten machen ihren Anhängern auch ständig große Angst. Es wird zum Beispiel der Weltuntergang vorausgesagt - als Folge spenden viele Gläubigen der Sekte sämtliche Besitztümer. Es kam sogar schon vor, dass treue Sektenanhänger Selbstmord begangen haben, weil sie dachten, das Ende der Welt würde nahen.
Weitere Gefahren
Die meisten Sekten sind darauf bedacht, ihre Mitglieder "umzuorientieren" und immer abhängiger von der Organisation zu machen. Die Anhänger werden nach und nach von ihrer gewohnten Umgebung, von ihrer Familie und Freunden ferngehalten. In vielen Fällen wird den Mitgliedern eingeredet, dass die Menschen außerhalb der Sekte schlecht oder zumindest unwissend seien. Wenn sie neben der Sekte keine anderen Kontakte mehr haben, sind die Sektenmitglieder der Gruppe völlig ausgeliefert und tun alles für sie. Manche jungen Menschen brechen zum Beispiel ihre Ausbildungen ab, weil die Sektenführer etwas dagegen haben, Erwachsene kündigen ihre Jobs und widmen sich völlig der Gruppe.
Selbst wenn ein Mitglied einmal aus der Organisation aussteigen will, ist das in vielen Fällen nur sehr schwer möglich: Einige ehemalige Sektenanhänger haben Schulden, keinen Kontakt mehr zu Freunden und Familie und oftmals auch weder Arbeitsplatz noch Versicherungsschutz. Wenn bekannt wird, dass ein Mitglied die Gruppe verlassen will, wird es oft von anderen Anhängern der Sekte unter Druck gesetzt, eingeschüchtert und so am Ausstieg gehindert. Es gibt verschiedene Organisationen, die Betroffenen bei ihrem Vorhaben helfen, aber viele Menschen sind psychisch am Ende und haben nicht die Kraft, wirklich aus der Sekte auszusteigen.
Augen auf!
Weil immer wieder neue Gruppierungen auftauchen, ist es unheimlich schwer, den Überblick zu behalten. Ob nun religiöse, esoterische oder politische Gruppe - in jedem Fall ist Vorsicht geboten. Natürlich ist nicht alles schlecht und viele Gruppen sind sicherlich unbedenklich. Weil Sekten auf den ersten Blick meistens harmlos erscheinen, sollte man jederzeit wachsam sein.
Vorsicht ist also angesagt, wann immer dich jemand missionieren oder zum Beitritt einer Gruppe überzeugen will. Wenn auch nur eine Sache an der Gruppe verdächtig erscheint, ist es besser, einen großen Bogen um die mögliche Sekte zu machen. Schließlich kann es auch schon riskant sein, aus Neugierde oder nur zum Spaß an einer Veranstaltung teilzunehmen. Eine Sekte kann schneller Einfluss gewinnen, als man denkt, Vorsicht ist hier also besser als Nachsicht, so abgedroschen es auch klingen mag.
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