von Antje Leser - 12.07.2012
Am 14. Juli wäre der berühmte Maler Gustav Klimt 150 Jahre alt geworden. Die Stadt Wien feiert seinen Geburtstag auf besondere Weise: Damit die Besucher ihren Star hautnah erleben können, hat das Kunsthistorische Museum eine riesige Stahlbrücke konstruiert, auf der man Klimts Wandgemälde aus luftiger Höhe bestaunen kann. Geliebt und gehasst war der Wegbereiter des Wiener Jugendstils prägend für eine neue Epoche, die mit den verstaubten Traditionen brach und eine bedingungslose Erneuerung der Kunst forderte. Klimt gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne. Sein Markenzeichen sind ausdrucksstarke Bilder von Frauenkörpern, umgeben von mosaikartigen, mit Gold verzierten Mustern.
Gustav Klimt wurde am 14. Juli 1862 als Zweitältester von sieben Geschwistern in Wien geboren. Sein Vater, Ernst Klimt, war Goldgraveur, also ein Metallbildner, der Verzierungen und Schriften in Metall herausarbeitete. Er wollte, dass sein Sohn beruflich in seine Fußstapfen tritt, doch der junge Gustav interessierte sich mehr für die Malerei. Allein das Arbeiten mit dem Edelmetall musste ihm imponiert haben, denn für seine Bilder wurde es später zu einem Markenzeichen.
Im Alter von fünfzehn Jahren erhielt Klimt ein Stipendium und trat in die Wiener Kunstgewerbeschule ein. Dort sollte er zu einem Zeichenlehrer ausgebildet werden, doch ein paar seiner Lehrer erkannten sein Talent. Nach seiner Ausbildung arbeitete Klimt zunächst in einer Ateliergemeinschaft zusammen mit seinem Bruder Ernst sowie dem Künstler Franz Matsch. Sie entwarfen Dekorationen, Wand- und Deckengemälde und Bühnenvorhänge für das Kunsthistorische Museum in Wien. Für ihre Arbeiten für das Burgtheater erhielten sie von Kaiser Franz-Joseph I. sogar das goldene Verdienstkreuz für Kunst (1888). Doch Klimt war stets auf der Suche nach einem eigenen Stil und so entfernte er sich mehr und mehr von den traditionellen Techniken der Akademien.
Der Weg zum rebellischen Künstler des Jugendstils
Kurz vor der Jahrhundertwende verließ Klimt die Ateliergemeinschaft, um seinen eigenen Weg zu gehen. 1891 wurde er Mitglied bei der "Genossenschaft bildender Künstler Wiens" ("Künstlerhaus"). Wie viele seiner Künstlerkollegen verspürte auch er den Wunsch, sich von den traditionellen Vorstellungen von Kunst zu lösen. Eine Art Aufbruchsstimmung erfasste ihn und so schloss er sich dem aufkeimenden "Art Nouveau" oder so genannten "Jugendstil" an, der in vielen Großstädten bereits gelebt wurde. Diese neue Stilrichtung betraf alle Kunstgattungen und dauerte vom letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs.
Künstler, Dichter, Musiker, Architekten und Wissenschaftler stellten Traditionen auf den Kopf und forderten eine neue Einstellung gegenüber der Kunst, die sich von staatlichen Vorgaben lösen sollte. Traditionelle Kunstformen wie beispielsweise das klassische Ballett mit Tutu und Spitzenschuhen wurden als "spießig" und kleinbürgerlich betrachtet und durch den modernen Ausdruckstanz ersetzt. Die Modewelt schaffte das Korsett ab, ein Kleidungsstück für Damen, das eng geschnürt am Körper getragen und als Symbol für gesellschaftlichen Zwang betrachtet wurde. Kunst sollte in den Alltag integriert werden und so gestaltete man beispielsweise U-Bahn-Stationen so aufwändig, als wären es die Eingangsportale zu Opernhäusern. Man orientierte sich an der Natur, griff "florale Motive" (also Blüten, Blätter und Ranken) auf und kombinierte sie später mit streng geometrischen Formen.
"Wiener Secession": Abspaltung der Kunst
1894 erhielt Klimt vom Unterrichtsministerium den Auftrag, die Decke der "Aula Magna" in der Universität zu gestalten. Er entwarf drei riesige Deckenbilder, die die drei Studienbereiche Medizin, Philosophie und Jurisprudenz (also Rechtswissenschaften) darstellen sollten. Während er für das Gemälde "Philosophie" bei der Pariser Weltausstellung 1901 die Goldmedaille erhielt, lösten die Entwürfe in Wien einen Skandal aus. Man warf ihm Schamlosigkeit und Geschmacksverirrung vor, so dass Klimt seine Bilder 1905 zurücknahm und das vorausgezahlte Honorar zurückerstattete. Leider verbrannten die Bilder 1945, doch es existieren nach wie vor Fotos.
Am 24. Mai 1897 trat Klimt aus dem Künstlerhaus aus. Zusammen mit anderen Künstlerkollegen gründete er die "Wiener Secession", eine Künstlervereinigung, die sich dafür starkmachte, dass sich der Staat nicht mehr in die Kunst einmischte. Das Wort Secession stammt von dem lateinischen Wort "secessio" ab und bedeutet Abspaltung. Für die Künstler war diese Bewegung Ausdruck ihrer Abwendung von einer Kunstrichtung, die nicht mehr als zeitgemäß angesehen wurde.
Sprachrohr der jungen Künstler war fortan die Zeitschrift "Ver Sacrum" ("Der heilige Frühling") und Josef Olbrich errichtete 1897 bis 1898 ein Gebäude, in dem Ausstellungen zeitgenössischer Künstler stattfanden. Noch heute nennt man es wegen seiner goldenen Blätterkuppel "Krauthappel" (Kohlkopf). Klimt entwarf die Metalltüren und gestaltete 1902 den berühmten "Beethovenfries", der zu ähnlich heftigen Auseinandersetzungen in der Presse führte wie Jahre zuvor das Gemälde "Philosophie". 1905 verließ Klimt die Gruppe, da ihm die Stilrichtung zu "naturalistisch" wurde. Die Künstler der Stilrichtung des "Naturalismus" ab Ende des 19. Jahrhunderts strebten danach, die Natur möglichst "ungeschminkt" und ohne romantische Ideale darzustellen. Auch das "Hässliche", Armut und Elend sollten dabei nicht ausgespart werden.
Klimt und die Frauen
Klimt liebte die Frauen. Er heiratete zwar nie und lebte bis zu deren Tod bei seiner Mutter. Doch er hatte zahlreiche Affären mit seinen Modellen oder seinen Auftraggeberinnen, die größtenteils aus dem wohlhabenden Großbürgertum stammten. Ein besonderes Verhältnis hatte er zu Emilie Flöge, einer Modedesignerin, die er ebenfalls mehrfach porträtierte und die ihm seinen blauen, mönchsartigen Malerkittel schneiderte. Insgesamt soll Klimt 14 uneheliche Kinder gehabt haben.
Es verwundert daher nicht, dass die Frauen stets im Zentrum von Klimts Arbeit standen. Sie inspirierten ihn zu einem neuen Bildtypus, in welchem die sinnliche Liebe im Vordergrund stand. Dabei suchte er sich unter seinen Modellen nicht nur junge Schönheiten aus, sondern porträtierte alle Formen der Weiblichkeit, vom Baby bis zur Greisin. Mit der Darstellung von nackten Körpern wollte Klimt jedoch nicht nur provozieren und das Tabuthema Sexualität ansprechen. Für ihn stand die Frau in einem engen Verhältnis zur Natur und er wollte den Kreislauf des Entstehens und Vergehens auf seiner Leinwand einfangen. "Der Klimt ist übergeschnappt", hieß es einmal, als der Künstler eine Schwangere porträtierte, was zu dieser Zeit als äußerst unschicklich galt. Immerhin wurde der Betrachter regelrecht dazu aufgefordert, sich Gedanken zu machen, wie denn die Dame in diesen "Zustand" geraten war. Klimt gab dem Bild den Titel "Hoffnung".
Während Gesicht und Hände der Frauenbildnisse oftmals klar zu erkennen waren, verschmolzen die Gewänder mit dem Hintergrund zu mosaikartigen Mustern. Sie waren zumeist reich verziert und mit Gold und Silber geschmückt. Durch den großzügigen Einsatz von Gold erinnerten Klimts Bilder an Ikonen, also auf Holz gemalte Heiligenbilder. Gewöhnlich fand man sie in osteuropäischen Kirchen, wo Sie den Betrachter mit Ehrfurcht vor Gott erfüllen sollten. Dass Klimt sie nun mit nackten Frauenbildnissen kombinierte, empfanden viele Menschen als respektlos und unpassend.
Doch viele beeindruckte und faszinierte dieser neue Stil, bei dem Weiblichkeit und Sexualität heiliggesprochen wurden. Der Höhepunkt seiner "goldenen Periode" gipfelte in dem Gemälde "Der Kuss" (1907 / 1908), von dem Experten sagen, dass dies ein Selbstporträt Klimts mit Emilie Flöge darstelle.
Internationale Anerkennung
1904 erhielt er zusammen mit seinen Freunden Kolo Moser und Josef Hoffmann von der Wiener Werkstätte den Auftrag, für die Villa eines belgischen Großindustriellen in Brüssel einen Fries für den Speisesaal zu gestalten. Der so genannte "Stoclet-Fries", ein etwa zwei Meter hohes und acht Meter langes Kunstwerk, wurde 1911 in Brüssel montiert. Spezialisten für Metall- und Goldschmiedearbeiten und Keramik fertigten nach Klimts Vorgaben mehrere aufwändige Wandbilder, auf denen ein Rosenbusch und ein Lebensbaum zu sehen sind. Außerdem eine Tänzerin, ein Ritter und ein sich umarmendes Paar. Seit 2009 zählt das Palais übrigens zum Unesco-Weltkulturerbe und das sicher nicht zuletzt wegen Klimts Kunstwerk.
Neben seinen Aufenthalten am Attersee in Oberösterreich, wo Klimt zahlreiche Landschaftsbilder malte, war er viel unterwegs. Er stellte in verschiedenen Städten Europas aus, wodurch er als Künstler internationale Bedeutung und zahlreiche Auszeichnungen erhielt. 1907 begegnete er erstmals Egon Schiele und Oskar Kokoschka, jungen Künstlern, deren Werke später zur Stilrichtung des "Expressionismus" gerechnet wurden. In dieser Kunstrichtung ging es vor allem um die ausdrucksstarke Darstellung der inneren Gefühlswelt des Künstlers - auch negative Stimmungen wie Wut, Enttäuschung und Angst wurden in den Werken zum Ausdruck gebracht und sollten den Betrachter innerlich bewegen. Klimt hielt viel von den beiden Expressionisten und förderte ihre Kunst. Alle drei inspirierten einander, so dass in Klimts Spätwerk expressionistische und abstrakte Elemente zu erkennen sind. In der "abstrakten Kunst" hat man sich vollständig von der realitätsgetreuen Darstellung verabschiedet und es werden meist keine Gegenstände mehr dargestellt, sondern Verzerrungen und Formen, die keinen direkten Bezug zur "Wirklichkeit" haben. 1917 wurde Klimt Ehrenmitglied der Akademien in Wien und München.
Am 6. Februar 1918 starb Gustav Klimt nach einem Schlaganfall in seiner Heimatstadt Wien. Noch heute gilt er nicht nur als wichtigster Vertreter der Wiener Secession, sondern als einer der bedeutendsten Künstler der Moderne. 1963 stellte man sein Werk im Guggenheim-Museum in New York aus und zählt ihn seitdem zu den Klassikern des Frühexpressionismus.
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