von Tanja Lindauer - 22.02.2012
Vor 500 Jahren, am 22. Februar 1512, starb ein berühmter Seefahrer und Navigator - sein Name war Amerigo Vespucci. Im Alter von 50 Jahren machte sich der ehemalige Buchhalter auf eine Reise über den Atlantik und fand heraus, dass Christoph Kolumbus keinen neuen Seeweg nach Asien "entdeckt" hatte, sondern einen neuen Kontinent. Ihm zu Ehren erhielt dieser Kontinent seinen Namen - nämlich Amerika!
Vor 500 Jahren war das Reisen noch längst nicht so bequem wie heute. Oftmals musste man viele Tage und Wochen auf einem Schiff verbringen, um an sein Ziel zu gelangen. Unterwegs kamen die Reisenden in viele gefährliche Situationen - Krankheiten, Unwetter oder Piraten konnten einem das Leben schwer machen und sogar den Tod bedeuten. Außerdem waren viele Menschen überzeugt, dass im Meer riesige Seeungeheuer schlummerten, die nur auf die Reisenden warteten, um sie dann zu verschlingen.
Viele fürchteten sich daher, auf einem Schiff eine lange Reise anzutreten. Da es zudem nicht nur mühselig war zu reisen, sondern auch viel Geld kostete, mit einem seetüchtigen Schiff, einer Besatzung aus erfahrenen Seemännern und der richtigen Ausstattung in See zu stechen, waren noch viele Länder und sogar ganze Kontinente "unentdeckt". Auf den Landkarten gab es also noch viele "weiße Flecken". Somit war es nur wenigen vorbehalten, auf große Entdeckungsreisen zu gehen, und stets brauchten die Seefahrer einen Geldgeber, in dessen Auftrag sie die Meere überquerten, um noch unerforschte Gebiete ausfindig zu machen.
Kolumbus "entdeckt" Amerika
Der Seefahrer Christoph Kolumbus wollte eigentlich einen neuen Seeweg nach Asien erkunden, aber durch einen Zufall traf er 1492 auf Amerika. Kolumbus ging davon aus, dass sich zwischen Asien und Europa nur Wasser befindet - dass dazwischen aber auch noch ein ganzer Kontinent liegt, ahnte er nicht. Als er auf diesen Kontinent traf, glaubte er, er wäre in Hinterindien gelandet. Daher nannte er die Menschen auch Indianer. Schon zwei Jahre später, im Jahr 1497, soll sich Amerigo Vespucci auch auf den Weg nach Amerika gemacht haben.
Bis 1504 soll er den Kontinent bereits viermal besucht haben - ob das wirklich zutrifft, kann man heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Sicher ist aber, dass er am 19. Mai 1501 auf seine zweite Reise aufbrach. Im Auftrag von Portugal machte er sich mit seiner Mannschaft auf den Weg in Richtung Brasilien. Auf seinen Reisen merkte er, dass Kolumbus eine "Neue Welt" entdeckt hatte, und keinen neuen Seeweg nach Asien. Aber wer war dieser Vespucci überhaupt?
Wer war Amerigo Vespucci?
Am 9. März 1454 wurde ein Mann namens Amerigo Vespucci in Florenz geboren. Als er heranwuchs, dachte noch niemand, dass man diesen Mann auch noch nach 500 Jahren kennen würde. Vespucci begann eine Ausbildung zum Bankkaufmann und arbeitete ab 1482 für die berühmte Familie Medici. Lorenzo de Medici, ein Familienmitglied der sagenumwobenen Florentiner Bankiersfamilie, gelang es, Florenz zu der führenden Macht in Italien auszubauen.
Die Familie war sehr einflussreich. Amerigo arbeitete als Buchhalter und musste sich so den lieben langen Tag mit Zahlen beschäftigen - Zinsen berechnen, Belege prüfen und mit Ziffern "jonglieren". Seine Arbeit fand er daher recht langweilig. Zwar hatte er eine gute Anstellung und arbeitete für die berühmten Medici, die mächtigste Familie in Florenz, doch die Tätigkeit als Buchhalter erfüllte ihn nicht. In seiner Freizeit beschäftigte er sich viel lieber mit Seekarten, Astronomie und er las auch nur zu gerne die Reiseberichte des Seefahrers Marco Polo.
Vespucci sticht in See
Doch Vespucci sollte seine Chance noch erhalten und tatsächlich auf Entdeckungsreise gehen. Der italienische Buchhalter wurde nach Sevilla geschickt, um dort unter der Leitung von Giannotto Berardi Schiffe auszurüsten und die Buchhaltung zu überprüfen, denn es wurden viele Unstimmigkeiten in den Büchern festgestellt. Vespucci war fortan dafür verantwortlich, die Waren zu kontrollieren und zu wiegen, die auf den Schiffen in den Binnenhafen Guadalquivir ein- und ausliefen. Bei diesen Arbeiten traf Vespucci auch auf Kolumbus, dem er bei seiner zweiten und dritten Reise mit den Vorbereitungen half. Nachdem Berardi 1495 gestorben war, wurde er der Leiter des Büros in Sevilla.
1499 war es dann soweit und er stach selbst in See. Der spanische Seefahrer Alonso de Ojeda erhielt von Bischof Rodríguez de Fonseca die Genehmigung zu einer Expedition. Dies war als ein Gegenschlag für Kolumbus gedacht, den der Bischof nicht leiden konnte. Damit wollte man die Vorzüge, die ihm zugesichert worden waren, aufheben. Denn Kolumbus hatte unter anderem ein Anrecht auf ein Zehntel der Reichtümer, die in den neuen Gebieten entdeckt wurden, und auch ein Adelstitel wurde ihm versprochen.
Bei Vespuccis erster Reise brachen drei Schiffe auf und der Florentiner traf nach 43 Tagen auf Land. Zunächst glaubte Vespucci ebenso wie schon Kolumbus, dass er an der Ostküste Asiens gelandet sei. Über die Menschen schrieb er: "Sie schauten von Angesichte und Gebärden grässlich aus und hatten allesamt die Backen inwendig voll von einem grünen Kraute, das sie beständig, wie das Vieh, kauten, so dass sie kaum ein Wort herausbrachten."
Als Entdecker der "Neuen Welt" gefeiert
Nach seiner Rückkehr wurde Vespucci nun vom portugiesischen König Emanuel I. beauftragt, eine weitere Reise anzutreten. Als er das zweite Mal auf den Kontinent traf, bemerkte er, dass er es mit einer "Neuen Welt" - so nannte er Amerika - zu tun hatte. Am 1. Januar 1502 traf er vermutlich in Rio de Janeiro ein. Er schrieb über den ersten Eindruck seiner Ankunft: "Wenn in der Welt ein irdisches Paradies zu finden ist, dann muss es ohne Zweifel nicht weit von dieser Gegend sein." Diese Fahrt sollte in die Geschichtsbücher eingehen und aus dem einstigen Kaufmann wurde so ein bedeutender Entdecker.
Anfang des 16. Jahrhunderts wurde ein Reisebericht unter dem Titel "Mundus Novus", also "Neue Welt", veröffentlicht. Dieser Bericht, von Vespucci als Brief 1502 an Lorenzo de Medici verfasst, sorgte nun für jede Menge Aufregung. Die Menschen rissen sich förmlich darum. Denn Vespucci schilderte hier seine Begegnungen mit dem Volk der "Neuen Welt". Er beschrieb ihre Sitten und Gebräuche, er erzählte von Kannibalismus und Piercing.
Den Originalbericht gibt es heute nicht mehr, nur noch eine lateinische Übersetzung, die schon 1503 erschien. Der Autor behauptete, dass er einen neuen Kontinent, nämlich Amerika, auf seinen Reisen erkundet habe. Und bereits 1507 schlugen daher zwei deutsche Geografen vor, dass man den neuen Erdteil nach seinem "Entdecker", Amerigo Vespucci, benennen sollte. Sie veröffentlichten ein Kartenwerk, in dessen Einleitung sie eben diesen Vorschlag vortrugen und den Kontinent Amerika nannten.
Amerika erhält seinen Namen
Aber auch andere Geografen waren nicht untätig, und so schlug ebenso Martin Waldseemüller eine Weltkarte vor, auf der Südamerika als Amerika betitelte wurde. Waldseemüller leitete den Namen dabei von der lateinischen Schreibweise Americus Vespucius ab. Und so setzte sich der Name schon schnell im Bereich der Kartographie durch. Waldseemüller schrieb in der Einleitung:
"Nun sind aber die Erdteile umfassender erforscht und ein anderer vierter Erdteil ist durch Americus Vespucius (wie im Folgenden zu hören) entdeckt worden. Ich wüsste nicht, warum jemand mit Recht etwas dagegen einwenden könnte, diesen Erdteil nach seinem Entdecker Americus, einem Mann von Einfallsreichtum und klugem Verstand, Amerige, nämlich Land des Americus, oder America zu nennen, denn auch Europa und Asien haben ihren Namen nach Frauen genommen." Zunächst wurde aber nur das heutige Südamerika so bezeichnet, erst 1538 nannte der Kartograph Gerhardus Mercator auch Nordamerika so.
Tatsächlich "entdeckte" Christoph Kolumbus vor Vespucci Amerika, daher wäre es eigentlich naheliegender gewesen, dem Kontinent seinen Namen zu geben (immerhin wurde aber Kolumbien nach dem Entdecker benannt). Da jedoch erst Vespucci bemerkte, dass es sich um einen neuen Kontinent handelte, wurde ihm die Ehre zuteil. Zudem war auch Waldseemüller nicht ganz unschuldig daran, denn er erklärte zunächst Vespucci zum Entdecker Amerikas. 1513 bemerkte er seinen Irrtum und wies darauf hin, dass Kolumbus Amerika schon zuvor entdeckt habe. Doch da hatte sich der Name Amerika bereits eingebürgert.
War Vespucci ein Hochstapler?
Gemeinsam mit dem Kartographen Juan de la Cosa und Alonso de Ojeda brach Amerigo Vespucci 1499 nach Südamerika auf. Dank seiner Briefe an Lorenzo de Medici kennen wir heute den Verlauf der Reise. Im Juli desselben Jahres erreichte er als erster Europäer den Amazonas. Deshalb wird er auch immer wieder als "Entdecker Brasiliens" bezeichnet. Von da aus bereiste er das Kap St. Augustine und nahm dann Kurs auf Haiti. Im Juni 1500 erreichte er wieder den spanischen Hafen.
In den Briefen kann man aber auch nachlesen, wie Vespucci sich selbst immer wieder in den Mittelpunkt stellte und wichtig machte. Daher wird ihm bis heute vorgeworfen, dass er ein Hochstapler gewesen sei. Mit seinen seemännischen Kenntnissen und Leistungen protzte er schon einmal gerne. Er hatte zum Beispiel behautet, noch weitere Fahrten über den Atlantik unternommen zu haben, jedoch ist man sich nicht sicher, ob das überhaupt zutrifft. Zumindest gibt es heute keine Aufzeichnungen darüber.
Später wurde der "Entdecker Amerikas" vom spanischen Hof erneut angeworben. Auf hoher See herrschte Chaos, denn die Karten waren ungenau und teilweise falsch. 1508 wurde das Amt für Entdeckungen ins Leben gerufen. Das Amt sollte alle geografischen und navigatorischen Daten zusammentragen und einheitliche Karten erstellen. Vespucci wurde zum Direktor des Amtes ernannt, denn man schätzte seine Kenntnisse. Am 22. Februar 1512 starb der Namensgeber von Amerika in Sevilla in Spanien.
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letzte Aktualisierung: 22.02.2012
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