Bismarck und das Deutsche Kaiserreich

von Antje Leser

Seine Markenzeichen waren Pickelhaube und Schnauzbart. Bismarck war Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches von 1871. Sein Spitzname, der "Eiserne Kanzler", sagt Einiges über seinen politischen Führungsstil aus: Im Notfall erzwang er im Alleingang Lösungen, die er sich im Nachhinein absegnen ließ. Er war Politiker aus Leidenschaft, war an nicht weniger als drei Kriegen beteiligt und beeinflusste die neuere deutsche Geschichte wie kaum ein anderer vor ihm. Doch wer steckt eigentlich hinter dieser berühmten und umstrittenen Persönlichkeit?

Bismarck war Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches von 1871. Sein Markenzeichen waren Pickelhaube und Schnauzbart. (Quelle: Deutsches Bundesarchiv)

Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 als Sohn des Gutsbesitzers Junker Ferdinand von Bismarck und seiner Frau Wilhelmine bei Stendal im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Seine Mutter stammte aus einer bürgerlichen Gelehrtenfamilie und erzog Otto mit strenger Hand. Bereits mit sechs Jahren wurde der Junge auf ein bürgerliches Internat nach Berlin geschickt, in dem er sich sehr unwohl fühlte.

Zum einen wurde er wegen seines Adelstitels ausgegrenzt, zum anderen litt er unter dem rauen Umgangston und hatte Heimweh. Ottos Vater entstammte einem altpreußischen Adelsgeschlecht mit ausgedehnten Ländereien und großem politischen Einfluss. Für Otto war er stets ein Vorbild. Nach der Schulzeit studierte der junge Otto von Bismarck Jura. Kurz vor seinem Abschluss brach Bismarck sein Studium ab, als 1838 seine Mutter starb. Er bewirtschaftete nun gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard die Ländereien seines Vaters. 1847 heiratete Otto von Bismarck Johanna von Puttkammer. Die beiden bekamen später drei Kinder: Marie, Herbert und Wilhelm.

Bismarck geht in die Politik

Bismarck als 19-jähriger Student in Göttingen (Quelle: Christian Wilhelm Allers)

Nach dem Tod seines Vaters 1845 übernahm Bismarck das Landgut und genoss zunächst mit seiner Familie das Leben als Adliger. Doch bald füllte ihn das Landleben nicht mehr aus und so begann er eine Laufbahn als Politiker. Er ließ sich in den Vereinigten Landtag Preußens wählen und gehörte dort zum konservativen Lager, also zu den Politikern, denen es um die Treue zu ihrem König und die Machtposition des Adels ging. Seine erste Rede sorgte für viel Aufsehen und bald wurde auch der König auf ihn aufmerksam. Ab August 1851 vertrat Bismarck Preußen als Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt und war bis 1862 außerdem preußischer Gesandter am Hof des russischen Zaren in Petersburg.

1862 kam es wegen eines Gesetzesentwurfs zu einem Streit zwischen dem preußischen Parlament - der Volksvertretung - und der Regierung unter König Wilhelm I. Es ging dabei vor allem um die Kontrolle der Armee durch den König und um die Verteilung von Geldern zugunsten des Militärs. Da der König keine Mehrheit im Parlament hatte, konnte er seinen Gesetzesentwurf aber nicht durchsetzen.

So ernannte der König Bismarck zum neuen Ministerpräsidenten, da dieser ihm versprochen hatte, die Ziele des Königs auch ohne die Zustimmung des Parlaments durchzusetzen. Seine erste Rede, die so genannte "Eisen-und-Blut-Rede", konnte die Politiker zunächst nicht überzeugen. Bismarck setzte sich über die Stimmen der Opposition (also der politischen Gegner) hinweg und verabschiedete das Gesetz trotzdem. Wenige Jahre später, nachdem Preußen unter Bismarcks Führung den Krieg gegen Österreich gewonnen hatte, stimmten die Abgeordneten dem Gesetzesentwurf im Nachhinein doch noch zu. Damit hatte Bismarck nicht nur Straffreiheit für die Regierung erreicht, sondern mithilfe außenpolitischer Erfolge die Probleme in der Innenpolitik beseitigt.

Drei "Einigungskriege" und die Reichsgründung

Gemälde von Anton von Werner: Proklamation Kaiser Wilhelms I. und Gründung des Deutschen Reichs 1871 im Spiegelsaal von Versailles. Der erste Reichskanzler Bismarck ist in weißer Uniform abgebildet. (Quelle: Anton von Werner)

Die wesentlichen Entscheidungen in einem Land würden nicht durch Gespräche gelöst, sondern durch "Eisen und Blut", betonte Bismarck in seiner berühmten Rede von 1862. Damit machte er deutlich, dass seiner Meinung nach durch Krieg und Gebietseroberungen Preußen eine führende Rolle in Europa bekommen solle. Zu dieser Zeit waren Preußen und Österreich im "Deutschen Bund" vereint, einem Zusammenschluss von überwiegend deutschsprachigen Staaten. Bismarck schwebte jedoch eine Vorherrschaft Preußens in Deutschland vor.

1864 beteiligen sich Österreich und Preußen siegreich am Krieg gegen Dänemark, bei dem es um einen Streit um Schleswig und Holstein ging. Denn der dänische König Christian IX. wollte Schleswig dem dänischen Staat angliedern. Zwei Jahre später kam es wegen dieser Herzogtümer zum Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich (Schlacht bei Königgrätz), den Preußen gewann. Der Deutsche Bund löste sich auf und es entstand der Norddeutsche Bund, zu dem später die süddeutschen Staaten hinzukamen. Österreich wurde nicht mehr mit einbezogen.

Mit Bismarcks Bemühungen, Preußen eine Vormachtstellung in Europa zu verschaffen, spitzte sich das Verhältnis zu Frankreich zu. Als sich 1870 schließlich Erbprinz Leopold aus der süddeutschen Hohenzollern-Linie um den spanischen Königsthron bemühte, fühlte Frankreich sich durch Preußen massiv bedroht. Obwohl der Prinz aufgrund der französischen Proteste seine Kandidatur zurückzog, forderte Frankreich von Preußen für alle Zeiten den Verzicht auf den spanischen Thron. Wilhelm I. lehnte ab und telegrafierte den Inhalt des Gesprächs an Bismarck. Dieser "bearbeitete" das Telegramm, in dem er es kürzte, verschärfte und die so genannte "Emser Depesche" in die Presse gab. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland kam es daraufhin zu großen Protesten. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Deutschland den Krieg, der mit der Gefangennahme Napoleons III. bei der Schlacht von Sedan endete. Am 18. Januar 1871 wurde König Wilhelm I. im Schloss von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Bismarck wurde zum ersten Reichskanzler des neuen Nationalstaates ernannt.

Der "Eiserne Kanzler" führt Sozialgesetze ein

Bismarck 1886 in seinem Arbeitszimmer (Quelle: "Bismarck" (hg. v. Walter Stein), Hermann Montanus, Verlagsbuchhandlung Siegen und Leipzig)

Das neue Kaiserreich war eine "konstitutionelle Monarchie", also eine Regierungsform, bei der die Macht des Kaisers (Monarch bedeutet Alleinherrscher) durch eine Verfassung geregelt wird. Sie gründete auf der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Die Mitglieder des neu gebildeten Reichstags wurden in allgemeiner, direkter und geheimer Wahl durch alle männlichen Deutschen über 25 Jahre gewählt (ein Wahlrecht für Frauen gibt es in Deutschland erst seit 1919). Reichstag und Bundesrat zusammen erließen die Gesetze. Als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister hatte Bismarck eine unangreifbare Position in der Politik. Er wurde vom Kaiser ernannt und stimmte mit diesem politische Entscheidungen ab. Dabei war er dem Reichstag, also dem Parlament als Volksvertretung, politisch nicht verpflichtet, weshalb seine Mitglieder ihm nie wirklich vertrauten. Seine politischen Gegner betrachtete er als "Reichsfeinde", was den inneren Frieden im Land nachhaltig störte.

Bismarck hatte kein Interesse an einer demokratischen Regierungsform, bei der die Mehrheit bestimmte. Vor allem im Sozialismus und im liberalen (also freiheitlich orientierten) Bürgertum sah Bismarck eine Gefahr. Als treuer Anhänger der Monarchie erkannte er nicht, dass mit der zunehmenden Industrialisierung Deutschlands auch der Anteil der Arbeiter in der Bevölkerung wuchs und ihnen deshalb auch eine politische Vertretung zustand. Mit strikten Gesetzen hielt er die Sozialisten in Schach und verbot 1878 sogar die Sozialdemokratie, nachdem zwei Attentate auf Wilhelm I. verübt wurden: Das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" wurde eingeführt. In der Hoffnung, damit die erstarkenden Sozialdemokraten von der politischen Bühne zu vertreiben, setzte er sich selbst für soziale Reformen ein, durch die die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft deutlich verbessert werden sollten. 1883 entstand die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und wenige Jahre später folgten Alters- und Invalidenversicherungen. Damit wurde der Grundstein für einen modernen Sozialstaat gelegt.

Darüber hinaus stand Bismarck mit der katholischen Kirche und der eng mit ihr verbundenen Zentrumspartei im Zwist. Man spricht heute vom so genannten "Kulturkampf", bei dem Bismarck die Trennung von Staat und Kirche erwirkte und die "Zivilehe" einführte, also die gesetzlich geschützte Eheschließung vor einem staatlichen Beamten. Übrigens geht auch die Verstaatlichung der Schulen auf Bismarck zurück. Seit dem Schulaufsichtsgesetz von 1871 durfte die Kirche keinen Einfluss mehr auf die Schulen nehmen.

Der Lotse Bismarck geht von Bord

Die Entlassung Bismarcks 1890: Karikatur in der satirischen Londoner Zeitschrift "Punch" mit dem Titel "Dropping the Pilot" ("Der Lotse geht von Bord") von Sir John Tenniel (Quelle: Sir John Teniel/ Punch)

"Eins und dreimal acht: Drei Kaiser an der Macht". Das Jahr 1888 ging als "Dreikaiserjahr" in die deutsche Geschichte ein. Nachdem Wilhelm I. im März starb, kam der bereits sterbenskranke Friedrich III. an die Macht. Nach 99 Tagen starb dieser jedoch an Kehlkopfkrebs und wurde von seinem 29-jährigen Sohn Wilhelm II. am 15. Juni 1888 abgelöst. Während Bismarck den neuen Kaiser für einen "Brausekopf" hielt, der in seiner Unerfahrenheit womöglich einen Krieg heraufbeschwören könnte, empfand Wilhelm Bismarck als lästig und nicht mehr zeitgemäß. "Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst", soll er gesagt haben, bevor es schließlich zum Zerwürfnis zwischen ihm und dem "Eisernen Kanzler" kam.

Gesundheitlich angeschlagen hatte Bismarck sich immer wieder auf seine Güter zurückziehen müssen, sodass ihm allmählich die Macht entglitten war. Um dem neuen Kaiser erneut seine Unentbehrlichkeit zu beweisen und um den Unruhen der Arbeiterschaft zu begegnen, brachte er ein noch strengeres Sozialistengesetz heraus, mit dem Wilhelm jedoch nicht einverstanden war. Im Januar 1890 kam es deshalb zum offenen Streit zwischen Wilhelm und Bismarck. Im März entzog Wilhelm ihm endgültig seine Unterstützung und forderte ihn zum Rücktritt auf. Er erklärte ihn zum ungehorsamen Untertanen und ernannte General Leo Caprivi zu seinem Nachfolger.

Nach beinahe 30 Jahren verließ Bismarck schließlich unfreiwillig die politische Bühne. Die Öffentlichkeit reagierte erleichtert auf Bismarcks Rücktritt und der Schriftsteller Theodor Fontane schrieb: "Es ist ein Glück, dass wir ihn los sind. Er war eigentlich nur noch Gewohnheitsregente, tat was er wollte, und forderte immer mehr Devotion (das bedeutet "Unterwerfung"). Seine Größe lag hinter ihm." Im Herbst 1890 begann Bismarck seine Erinnerungen in einem Buch festzuhalten und vier Jahre nach seinem Sturz folgte eine offizielle Aussöhnung mit Wilhelm II. Der Reichstag lehnte jedoch eine Beglückwünschung zu seinem 80. Geburtstag ab. Am 30. Juli 1898 starb Bismarck in Friedrichsruh. Noch heute zeugen zahlreiche Denkmäler von Bismarck als Reichsgründer, dargestellt als Held in Uniform mit Säbel und Pickelhaube. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vermehrt kritische Stimmen über die ebenso berühmte wie umstrittene Persönlichkeit Otto von Bismarck laut.

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letzte Aktualisierung: 26.11.2011

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