Charles Dickens, der geistige Vater von Oliver Twist

Teil 1 von 2

von Tanja Lindauer

Viele Menschen kennen die Geschichten des englischen Schriftstellers Charles Dickens: Oliver Twist oder auch seine Weihnachtsgeschichten gehören schon längst zur Weltliteratur. In seinen Romanen kritisierte Dickens oftmals die Gesellschaft und wies auf die Probleme des 19. Jahrhunderts wie Armut und soziale Missstände hin. In einigen seiner Geschichten sind Kinder und Jugendliche die Hauptfiguren. Dickens' Werke wurden mehrfach in Filmen verarbeitet, auch Walt Disney hat "Eine Weihnachtsgeschichte" 2009 als Animation verfilmt.

Die Werke des englischen Autors Charles Dickens zählen heute zur Weltliteratur. Bild: Dickens an seinem Schreibtisch im Jahr 1858. (Quelle: Wikimedia Commons)

Charles John Huffam Dickens wurde am 7. Februar 1812 im englischen Landport geboren. Seine Eltern, John und Elizabeth Dickens, besaßen nicht viel und so wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete als Büroangestellter im Navy Pay Office. 1822 zog die zehnköpfige Familie nach London um, da der Vater versetzt wurde. Sie lebten hier in der 16 Bayham Street, Camden Town. Seine eigenen Erfahrungen, wie es ist, in Armut aufzuwachsen, verarbeitete er später in seinen Erzählungen.

Bereits als Zwölfjähriger musste Charles harte körperliche Arbeit verrichten, um für seine Familie zu sorgen. Sein Vater saß wegen Schulden im Gefängnis, denn er konnte die hohen Lebenskosten in London nicht aufbringen. Und so war es der junge Charles, der als Fabrikarbeiter für den Unterhalt sorgte. Zur Zeit der Industrialisierung war es in England und auch in anderen Ländern nicht außergewöhnlich, dass schon Kinder schwer arbeiten mussten.

Oftmals mussten die Kinder in Bergwerken und Fabriken körperlich hart schuften, sodass ihre Arbeit der von Erwachsenen in nichts nachstand. In Deutschland wurde die Regelung der Kinderarbeit 1853 geändert. Das bedeutet, dass Kinder unter zwölf Jahren nicht mehr in Fabriken arbeiten durften. Erst viel später wurde es verboten, dass Kinder überhaupt als Arbeiter angestellt wurden. Der spätere Schriftsteller hatte also alles andere als eine schöne und behütete Kindheit. Seine Erlebnisse sollte er 1849, im Alter von 37 Jahren, in einem seiner bekanntesten Romane verarbeiten: "David Copperfield".

Der Ehrgeiz trieb ihn voran

Diese Zeichnung von 1904 stellt den jungen Charles Dickens bei der harten Fabrikarbeit dar. (Quelle: Fred Bernard/ Wikimedia Commons)

Die Schule kannte der junge Charles in dieser Zeit fast nur von außen. Durch die Arbeit hatte er kaum Zeit die Schule zu besuchen. Aber er versuchte, sich selbst etwas in seiner Freizeit beizubringen und er fand auch ab und an Zeit, um etwas zu schreiben. Als sein Vater 1824 aus dem Gefängnis entlassen wurde, konnte er bis 1826 wieder regelmäßig die Schule besuchen. 1827 schaffte er es, eine Anstellung als Schreiber bei einem Anwalt zu ergattern. Er war ehrgeizig und konnte sich zum Parlamentsberichterstatter hocharbeiten.

1831 arbeitete der Engländer bei der Zeitung "True Sun", wurde aber schon kurze Zeit später von der "Morning Chronicles" angeheuert. 1836 heiratete er Catherine Hogarth, mit der er später zehn Kinder hatte. Am Anfang seiner Ehe schaffte er seinen literarischen Durchbruch mit monatlichen Heften, in denen er seine Romane in Fortsetzungen veröffentlichte. Auch sein erster Roman "Pickwick Papers" (1836/37) erschien als Fortsetzungsreihe. Auf diese Weise folgten weitere Erzählungen. Da die Zeitschriften recht günstig waren, konnten sie sich viele Menschen leisten. Dickens' Geschichten kamen bei den Lesern gut an, und diese warteten jeden Monat sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Durch die günstigen Zeitschriften konnte also ein breites Lesepublikum erreicht werden. Dank seines Talentes wurde Charles Dickens schon bald zum beliebtesten Schriftsteller in England.

Geschichten über Elend und Armut

Dieses Gemälde zeigt den jungen Autor in Boston im Jahr 1842 (Quelle: Francis Alexander/ Wikimedia Commons)

1837 erschien eine seiner berühmtesten Erzählungen, "Oliver Twist". Mittlerweile hatte Dickens sich schon längst einen Namen als Schriftsteller gemacht und wurde zum Herausgeber der Tageszeitung "Daily News" und der Zeitschrift "Household Words". Der englische Autor wurde sogar Mitglied im so genannten "Garrick Club" - ein berühmter Club in London, dem insbesondere Schauspieler, Schriftsteller und Künstler angehörten. In den Club wurden nur sehr wenige Menschen aufgenommen und es gab strenge Aufnahmebedingungen.

Literarisch ordnet man Charles Dickens der Epoche des "Realismus" zu. Er war der erste Schriftsteller in England, der das Leben der unteren Gesellschaftsschichten in seinen Erzählungen im vollen Umfang beschrieb. Die Not der Arbeiter, das Leben in den Armenvierteln und die vielen Kriminellen - dieses Leben kannte Dickens selbst nur zu gut und so gelang es ihm, dies äußerst realistisch zu beschreiben. Seine Leser liebten ihn für diese Darstellungen. Somit brachte er vielen Menschen nahe, wie das Leben in Elend und Armut in England wirklich war. Da einige seiner Leser aus den oberen Gesellschaftsschichten stammten, wurde auch ihnen ein Blick in das Leben der Armen gewährt - nicht wenige von ihnen wurden regelrecht wachgerüttelt. Dickens' Erzählungen waren mittlerweile sogar jenseits des Atlantiks, in den USA und Kanada, bekannt und auch dort liebten viele Menschen seine Romane. Allein zwischen den Jahren 1857 bis 1892 verkaufte er 700.000 Bücher.

Appell an die Menschlichkeit

Darstellung des englischen Schriftstellers bei einer seiner zahlreichen Lesungen (Quelle: Charles A. Barry/ Wikimedia Commons)

Und so verwundert es nicht, dass der Schriftsteller auch in die USA und sogar nach Kanada reiste. 1842 las er dem amerikanischen Publikum aus seinen eigenen Werken vor. Charles Dickens wurde gefeiert und viele Menschen wollten ihn persönlich bei einer Vorlesung erleben. Aber der Autor selbst hatte sich ein ganz anderes Bild von Amerika gemacht und er war sehr enttäuscht. Er glaubte, in den USA kaum Armut und Klassenunterschiede anzutreffen, doch er wurde eines Besseren belehrt. Zudem schockierte ihn die Sklaverei, die in den USA noch an der Tagesordnung war, sehr.

Immer wieder hatte Dickens Ideen für neue Geschichten, die von dem Publikum begeistert aufgenommen wurden. So erschien 1843 "Eine Weihnachtsgeschichte", die auch heute noch weltberühmt ist. Ebenso in dieser Geschichte beschrieb der Schriftsteller die Armut der Menschen und ermahnte die Leser, dass man auf seine Mitmenschen achten und sich gegenseitig helfen sollte, statt nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht zu sein und die Augen vor dem Elend anderer zu verschließen.

Ein Leben voller Höhen und Tiefen

Dickens im Kreise seiner eigenen Romanfiguren (Quelle: William Holbrook Beard/ Wikimedia Commons)

Mit der Berühmtheit kam auch das Geld - insbesondere mit Lesungen verdiente Charles Dickens später gut und die Geldsorgen gehörten der Vergangenheit an. Am 27. Dezember 1852 gab Dickens in England zum ersten Mal eine Lesung, und auch hier war das Publikum begeistert. Von dem verdienten Geld konnte Dickens sich nun ein prächtiges Heim zulegen, den Landsitz Gad's Hill Place in Rochester. Die Trennung von seiner Frau 1858 nahm er zum Anlass, durch England zu reisen und Lesungen zu halten.

Doch auf einer seiner zahlreichen Reisen verunglückte Charles Dickens mit dem Zug: Am 9. Juni 1865 überlebte er ein schweres Bahnunglück, das ihn bis zum Ende seines Lebens in Form von Albträumen immer wieder verfolgen sollte. Der Autor selbst hatte Glück und wurde nicht verletzt, und so half er anderen Menschen in dem Zug, die schwer verletzt wurden. Den Unfall versuchte Dickens später, in der Geschichte "The Signal-Man" zu verarbeiten. 1869 unternahm er, nachdem er von einer weiteren USA-Reise zurückkehrte, seine letzte Lesereise durch England. Bei einem seiner Auftritte erlitt der berühmte Schriftsteller einen Schlaganfall. Er musste die Reise abbrechen. Am 9. Juni 1870 starb Charles Dickens an den Folgen eines zweiten Schlaganfalls. Am 14. Juni wurde der große Schriftsteller in der Westminster Abbey beigesetzt.

Im zweiten Teil des Artikels über Charles Dickens erfährst du mehr über die bekanntesten Werke des englischen Autors.

Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.

Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 20.12.2017

Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.

11 Bewertungen für diesen Artikel

Teil 1 von 2