von Britta Pawlak - 31.08.2007
Abdullah Gül von der islamisch-konservativen Partei ist neuer Staatspräsident der Türkei. Die Meinungen über seinen politischen Kurs und die weitere Entwicklung des Landes gehen auseinander: Die einen sehen "demokratische Werte" in Gefahr und fürchten, dass sich die Türkei in einen stark islamisch geprägten Staat verwandeln werde. Die anderen glauben, dass das Land unter der Führung Güls fortschrittlicher werde und nun auch die Beziehungen zu den EU-Ländern voranschreiten.
Am 28. August trat Abdullah Gül sein neues Amt an. Er ist der erste türkische Präsident, der öffentlich für islamische Werte eintritt. Gül, zuvor Außenminister, gehört der AKP ("Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung") an. Er trat schon im Frühjahr 2007 als Kandidat für das Amt des Präsidenten an. Dies löste damals eine politische Krise innerhalb der Türkei aus, und es kam zu Neuwahlen. Nach einer deutlichen Mehrheit beschloss die AKP, Gül erneut zu nominieren.
In den ersten beiden Wahlgängen erreichte Gül nicht die nötige Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. Im dritten Wahlgang war nur noch eine einfache Mehrheit notwendig. Der 56-Jährige erhielt 339 von 550 Stimmen und schaffte damit - wie erwartet - die Wahl zum neuen Staatspräsidenten. Seine Partei wird als "islamisch-konservativ" bezeichnet. "Konservativ" kommt von dem lateinischen Wort "conservare" (=bewahren) und bedeutet, eher an alten Traditionen, Werten und Überzeugungen festzuhalten und neuen Entwicklungen kritisch gegenüber zu stehen. Die AKP ist geprägt von den Werten des Islam. Den Grundsatz, Staat und Kirche klar voneinander abzutrennen, sehen einige in Gefahr.
"Islamisierung" oder Fortschritt?
Vor allem die türkischen Militärs hatten gewarnt, dass diese Trennung durch eine Regierung Güls "aufgeweicht" werden könne. Viele werten ihre Haltung allerdings eher als Taktik, um Macht und Einfluss zu wahren. Gül bekennt sich dazu, überzeugter Moslem zu sein. Auch seine Frau zeigt sich in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch bedeckt. Einige sind aber der Ansicht, dass die Befürchtungen seiner politischen Gegner und Kritiker unbegründet sind.
Gül würde die demokratische Entwicklung des Landes sogar mehr vorantreiben und sich stärker für moderne Werte einsetzen, als sein Vorgänger Ahmed Necdet Sezer dies getan hätte. Bisher sind die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei stockend vorangegangen. Viele fordern eine moderne Erneuerung der türkischen Verfassung, in der die Rechte der einzelnen Menschen gestärkt werden. Die Gegensätze innerhalb der Gesellschaft sind weiterhin stark: Während die Großstädte überwiegend vom modernen Leben bestimmt sind, herrschen in vielen Dorfgemeinschaften noch immer feste Traditionen und streng religiöse Regeln vor. Vor allem in ländlichen Gebieten ist die Armut groß.
Noch viele Hindernisse für EU-Beitritt der Türkei
Der größere Teil der Türkei liegt in Asien - wie auch die Hauptstadt Ankara. Einige sind schon deshalb gegen einen EU-Beitritt des Landes, weil ein vergleichsweise kleines Gebiet überhaupt europäisch ist. Seit 2005 laufen die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Viele Politiker sehen aber noch große Hindernisse.
Sie fordern, dass die Meinungsfreiheit in der Türkei endlich ohne Einschränkungen durchgesetzt wird. Strafgesetze wie das über die "Beleidigung des Türkentums" und des Landes sollten dagegen abgeschafft werden. Es müsse endlich mehr für die Gleichbehandlung der Bürger getan werden - sowohl zwischen Frauen und Männern, als auch innerhalb verschiedener Volksgruppen und Religionen.
Ein wichtiger Streitpunkt zwischen der Türkei und EU-Ländern ist die Insel Zypern. Diese liegt südlich der Türkei im Mittelmeer. 1960 wurde Zypern ein eigener Staat. Sowohl Griechenland als auch die Türkei stellten aber Machtansprüche: Griechenland stürzte im Jahr 1974 die Regierung Zyperns, woraufhin die Türkei den Nordteil der Insel besetzte. Seit 2004 gehört der griechische Teil von Zypern als eigener Staat der EU an. Die Türkei verbot Griechenland die Einfahrt von Schiffen sowie die Landung von Flugzeugen vom dortigen Teil der Insel in das türkische Gebiet. Das verstößt allerdings gegen die Regelungen der EU.
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