von Britta Pawlak - 25.01.2008
Der Bundestag hat über neue Regeln beim Einsatz von Gentechnik entschieden. Das Gesetz bleibt umstritten. Bio-Bauern und Umweltschützer bemängeln, dass es keine klare Abgrenzung zwischen Gentechnik und natürlicher Landwirtschaft gibt. Es wird befürchtet, dass sich zwangsweise immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen mit anderen vermischen. Befürwortern ist die Regelung dagegen "zu streng". Sie sagen, dass die Gentechnik unbedenklich sei und viele Vorteile mit sich bringe. Gegner warnen davor, dass wir bisher noch viel zu wenig darüber wissen, um langfristige Folgen und Risiken für Mensch und Umwelt wirklich abzusehen.
In vielen Ländern werden gentechnisch veränderte Pflanzen wie Mais, Soja, Tomaten und Kartoffeln gezüchtet und auf den Markt gebracht. Schon seit längerem wird darüber debattiert, ob und wie diese Lebensmittel gekennzeichnet sein sollen. Seit 2004 gilt für EU-Länder eine Kennzeichnungspflicht, davon ausgenommen sind aber Fleisch, Eier und Milchprodukte. Und das, obwohl viele der Tiere mit Gen-Pflanzen gefüttert werden. Auch wenn in den Produkten Zusätze, Aromen und Enzyme, die mit Gentechnik hergestellt wurden, enthalten sind, gilt die Regelung nicht.
Mit der Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" sollen die Käufer in Deutschland künftig zwischen herkömmlichen und Gen-Lebensmitteln wählen können. Bei Fleisch, Milch und Eiern soll garantiert werden, dass die Tiere nicht mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden. Das neue Gesetz sehen viele jedoch als ungenügend an. Die Nahrung muss nicht gekennzeichnet sein, wenn der Gewichts-Anteil von gentechnisch verändertem Material unter 0,9 Prozent liegt.
Weg frei für genmanipulierte Nahrung?
Das Gesetz regelt auch den Mindestabstand zwischen natürlich angebauten Pflanzen und Gen-Feldern. Erbgutveränderter Mais muss in Deutschland künftig mindestens 150 Meter entfernt von anderen Mais-Pflanzen angebaut werden. Zu Öko-Anbauflächen muss ein Abstand von 300 Metern eingehalten werden. Das ist den Bio-Landwirten aber viel zu wenig.
Denn Wind und Bienen sorgen dafür, dass sich die Pollen in der Umgebung weiter ausbreiten. Die Ernte der umliegenden Felder darf bis zu 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Körner enthalten. Erst wenn diese Menge überschritten wird, hat der Landwirt Anspruch auf eine Entschädigung. Bio-Bauern geben aber zu denken, dass die Abnehmer und Verbraucher ihrer Produkte erwarten, dass diese völlig frei von Gentechnik sind.
Was ist Gentechnik?
Gene sind das Erbmaterial von Pflanzen, Tieren und Menschen. Sie enthalten Merkmale und Informationen, die vererbt wurden: Zum Beispiel das Aussehen, bestimmte Eigenschaften oder auch Anfälligkeiten für Krankheiten. Bei Pflanzen ist die Zusammensetzung der Gene einfacher als bei Menschen und Tieren. Forscher haben herausgefunden, welche Gene für welche Eigenschaften verantwortlich sind.
Es ist ihnen gelungen, einzelne Erbinformationen zu trennen und neu zusammen zu setzen. Mit diesen Möglichkeiten können Pflanzen zum Beispiel so gezüchtet werden, dass sie schneller wachsen, andere Farben haben, größer werden, unempfindlich gegen bestimmte Schädlinge oder widerstandsfähiger sind. Auch an die Nachkommen der gentechnisch veränderten Pflanze werden diese Eigenschaften weitergegeben.
Viele sehen in der Gentechnik also entscheidende Vorteile. Die Ernteerträge können deutlich erhöht und die Umsätze gesteigert werden. Es wird sogar an Obst, Gemüse und Getreide geforscht, das in lebensfeindlichen Gebieten wie Wüsten wachsen kann. Pflanzen könnten auch so gezüchtet werden, dass sie mehr Vitamine oder andere wichtige Stoffe enthalten. Einige fragen sich jedoch, ob der Verzehr dieser Nahrungsmittel überhaupt gesund ist. Außerdem wird oft bemängelt, dass viele gezüchtete Obst- und Gemüsesorten weniger Geschmack hätten.
Mit Gentechnik den Welthunger bekämpfen?
Noch ein anderes wichtiges Argument wird von Befürwortern genannt: Mit dem Anbau großer und widerstandsfähiger Pflanzen könnte man den Welthunger bekämpfen. Kritiker finden dies allerdings sehr fadenscheinig. Tatsächlich gehe es bei der Verwendung von Gentechnik in Nahrungsmitteln in erster Linie um wirtschaftliche Interessen. Denn: Dass so viele Menschen hungern müssen, liegt nicht daran, dass es insgesamt zu wenig Nahrung auf der Welt gibt.
Für die große Armut vieler Länder sind vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse verantwortlich. In einigen so genannten "Entwicklungs-" und "Schwellenländern" werden zum Beispiel riesige Ackerflächen genutzt, um Futterpflanzen für die Massentierhaltung der reichen Staaten zu züchten. Sie werden gegen wenig Geld in Länder wie Deutschland importiert, damit bei uns günstig viel Fleisch hergestellt und dann zu Niedrig-Preisen verkauft werden kann. Währenddessen sterben in diesen Ländern viele Menschen an Hunger oder sind mangelernährt. Dabei wird auch nicht an den Welthunger gedacht, vielmehr geht es um Vorteile und Gewinne für die Industriestaaten.
Nicht einschätzbare Gefahr für Mensch und Umwelt?
Eine solche Erbgutveränderung ist ein erheblicher Eingriff in die Natur. Und bisher weiß man nichts über mögliche Langzeit-Folgen von Gen-Pflanzen - weder für die Umwelt, noch für die Menschen und Tiere, die sich davon ernähren. Das ist für die Kritiker schon Grund genug, vorsichtig zu sein.
Denn niemand kann wirklich garantieren, dass genmanipulierte Pflanzen so unbedenklich sind, wie es von einigen Seiten immer behauptet wird. Menschen könnten möglicherweise gegen immer mehr Lebensmittel Allergien und Unverträglichkeiten entwickeln, oder Gen-Nahrung könnte sich negativ auf die Entwicklung und den Organismus auswirken. Befürworter halten diese Ängste für unbegründet.
Umweltschützer sprechen auch von einer nicht absehbaren Gefahr für die Natur. Ungeahnte Schäden könnten sich erst nach einiger Zeit bemerkbar machen. In der Natur haben sich viele Tier- und Pflanzenarten aufeinander eingestellt und leben in gegenseitiger Abhängigkeit. Problematisch könnte es zum Beispiel werden, wenn sich "nach Maß" gezüchtete Pflanzen mit anderen Arten kreuzen und ihre Eigenschaften an diese weitergeben. Womöglich wären irgendwann Unkräuter robust gegen sämtliche Schädlinge und würden wichtige Pflanzen und Tiere verdrängen. Einige Gen-Pflanzen sollen nicht nur Schädlinge, sondern auch nützliche Tiere vertrieben haben. Kritiker denken, dass das ökologische Gleichgewicht stark gefährdet werden könnte.
Irgendwann nur noch Gen-Nahrung?
Gibt es keine strikte Trennung zwischen natürlichem Anbau und Gen-Feldern, werden nach und nach auch die anderen Ackerflächen verunreinigt. Denn die Gen-Pollen mischen sich zunehmend unter die anderen Pflanzen. Hat eine solche "Verunreinigung" durch erbgutveränderte Pflanzen erst einmal stattgefunden, ist sie nicht mehr rückgängig zu machen. Dadurch wird es auch für die ökologische Landwirtschaft immer schwieriger, für wirklich Gentechnik-freie Produkte zu garantieren.
Gegner kritisieren am neuen Gesetz also zum einen, dass zu unvorsichtig mit den Möglichkeiten und Risiken der Gentechnik umgegangen wird, da man bisher sehr wenig darüber weiß. Zum anderen werde zu wenig Rücksicht auf die Menschen genommen, die entschieden gegen Gen-Pflanzen sind und diese weder anbauen noch essen wollen. Denn ein wirklicher Schutz für den natürlichen Pflanzenanbau besteht bei diesem Gesetz nicht.
Schweiz und Österreich stimmten dagegen
Die Schweizer dagegen durften in einer Volksabstimmung selbst entscheiden: 2005 stimmten sie mehrheitlich gegen Gentechnik in der Landwirtschaft. Für die folgenden fünf Jahre wurde der Anbau, der Verkauf und die Verfütterung von gentechnisch veränderten Pflanzen verboten.
Auch das Volksbegehren der Österreicher gegen die Gentechnik wurde angenommen. Seit Januar 2002 ist der Verkauf von Saatgut mit einem Anteil von mehr als 0,1 Prozent genveränderten Organismen untersagt. Die EU hat es bisher nicht geschafft, höhere Toleranz-Werte durchzusetzen.
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