Schul-Uniform soll Pflicht werden

von Anna Schäfer - 17.05.2006

In allen deutschen Schulen soll eine einheitliche Kleidung eingeführt werden. Das wünscht sich zumindest Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Eine solche Vorschrift soll verhindern, dass sich einzelne Schüler und Schülergruppen zu stark voneinander abgrenzen. Ob ein Schüler aus einer armen oder einer reichen Familie stammt oder welcher Religionsgemeinschaft er angehört, soll nicht mehr anhand seiner Kleidung erkennbar sein.


Die Sinstorf-Schule in Hamburg hat gute Erfahrungen mit der einheitlichen Kleidung gemacht. (Quelle: W. Pfaffe)

Schon seit Jahren streiten Politiker, Lehrer und Wissenschaftler über den Sinn oder Unsinn von Schuluniformen. Ein Vorfall an der Bonner Bertolt-Brecht-Schule hat die Diskussion erneut angefacht. Dort sind nach den Osterferien zwei Schülerinnen in einer so genannten Burka erschienen. Burkas sind muslimische Ganzkörpergewänder, die Frauen von Kopf bis Fuß verschleiern.

In Augenhöhe ist ein Gitter in den Stoff eingearbeitet, damit die Frau überhaupt etwas sehen kann. Diese Kleidung war während der Taliban-Herrschaft in Afghanistan für alle Frauen zwingend vorgeschrieben. Auch heute noch sieht man in Afghanistan und im Nachbarland Pakistan viele Frauen, die ihren gesamten Körper in einer Burka verstecken.

Kein Blickkontakt mehr möglich

Schuluniformen würden verhindern, dass Schülerinnen von ihren Eltern gezwungen werden, Burkas zu tragen. (Quelle: Wikipedia)

Die Bonner Lehrer wollten die beiden Mädchen nicht mehr unterrichten, solange sie diese Kleidungsstücke trugen. Blickkontakt ist durch das Gitter nicht möglich, man kann nicht einmal erkennen, wer eigentlich unter dem Gewand steckt. Da die Schülerinnen sich weigerten, die Burka abzulegen, wurden sie für zwei Wochen von der Schule beurlaubt. Inzwischen erscheint eine der beiden Schülerinnen wieder in normaler Kleidung zum Unterricht. Die andere meldete sich von der Schule ab und trägt die Burka weiter.

Einige Rektoren hoffen, dass eine einheitliche Kleidung, die für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich ist, solche Probleme in Zukunft verhindern kann. Außerdem sollen gesellschaftliche Unterschiede auf diese Weise weniger stark sichtbar werden. Schüler aus ärmeren Familien, die sich keine Markenkleidung leisten können, sollen sich nicht mehr vor ihren Mitschülern schämen müssen. Im Moment können Kinder und Jugendliche allein deshalb zu Außenseitern werden, weil bestimmte Kleider- und Schuhmarken für sie und ihre Eltern einfach zu teuer sind.

Einheitslook statt Markenzwang

Gülistan Aydin (17) ist begeistert von der Kleiderordnung an ihrer Schule. (Quelle: K. Brose)

In der Schweiz gibt es zum Beispiel an der WBS-Leonhard-Schule in Basel eine einheitliche Kleiderordnung. Allerdings haben die dortigen Schul-Uniformen nichts mit denen in England zu tun, wo die Schüler vornehme Anzüge und Krawatten tragen müssen. Vielmehr orientiert sich die Baseler Einheits-Mode am Geschmack junger Menschen. Genau diesen Ansatz verfolgen auch schon einige Schulen in Deutschland.

An der Sinstorf-Schule in Hamburg tragen die Schüler bereits seit sechs Jahren einheitliche Schulkleidung. Streng genommen handelt es sich nicht um Uniformen, weil die Schüler ihr tägliches Outfit aus einer Kollektion von über 30 T-Shirts und Pullis auswählen können. Für Röcke und Hosen gibt es überhaupt keine Vorschrift, da hat jeder Schüler die freie Wahl. Gülistan Aydin (17) besucht die zehnte Klasse der Sinstorf-Schule und steht voll und ganz hinter dem Konzept. Die einheitliche Kleidung stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl der Schüler. "Bei uns in der Klasse wird niemand ausgegrenzt", sagte sie dem Hellen Köpfchen. "Es gibt keine Cliquen, wir sind ein 'Wir' und wir akzeptieren uns alle gegenseitig."

In ihrer vorigen Schule seien Kinder beschimpft und gemieden worden, weil sie sich keine Markenklamotten leisten konnten. Dieses Problem gebe es nun nicht mehr. In der Sinstorf-Schule durften die Schüler sogar mitentscheiden, welches Design die "Schuluniformen" haben sollen. Gülistan ist davon überzeugt, dass das Mitspracherecht wesentlich dazu beigetragen hat, dass jeder gerne die Schulkleidung trägt. Sie empfiehlt den Politikern, Schulkleidung überall verbindlich einzuführen. "Irgendwann wird es normal sein, einheitliche Schulkleidung zu tragen", sagte sie. "Das wird dann von allen akzeptiert."

Gleichmacherei statt Problembewältigung?

Der Berliner Gymnasiast Jan Hambura (18) hält nichts von Schuluniformen. (Quelle: J. Hambura)

Jan Hambura hat eine völlig andere Meinung. Er ist Mitglied der Landesschülervertretung in Berlin und besucht die zwölfte Klasse eines Gymnasiums. Der 18-jährige Schüler ist sich sicher, dass sich Probleme wie Mobbing und Gewalt nicht durch einheitliche Kleidung lösen lassen. "Man kann sich ja immer noch durch tolle Schuhe, eine teure Uhr, das neueste Handy-Modell oder eine edle Tasche von den anderen abheben", sagte er dem Hellen Köpfchen.

Statt eine scheinbare Gleichheit der Schüler erzwingen zu wollen, müssten Politiker und Lehrer viel mehr die Augen dafür öffnen, welche Konflikte es an den Schulen gebe. "Es ist Aufgabe der Lehrer, sich auch wirklich mit den Schülern und ihren Problemen auseinanderzusetzen", sagte Jan Hambura. Er fordert, dass Lehrer dafür mehr Zeit und Gelegenheit bekommen. In seinen Augen sei das viel sinnvoller, als Uniformen einzuführen.


Wird die Freiheit eingeschränkt?

Die Abneigung gegen Uniformen ist in Deutschland ein Reflex auf die Nazi-Zeit. Hier sieht man Jugendliche in der Hitler Jugend.

In vielen asiatischen, amerikanischen und zum Teil auch europäischen Ländern gehören Schuluniformen zum Alltag. In Deutschland sind jedoch gerade die Menschen aus älteren Generationen besorgt über den Vorschlag der Justizministerin. Uniformen rufen bei vielen Deutschen noch immer Erinnerungen an die Nazi-Zeit zwischen 1933 und 1945 wach, in der die Einheitskleidung sogar für Kindern und Jugendlichen vorgeschrieben war. Mädchen mussten in den "Bund Deutscher Mädels" eintreten und dort eine Uniform tragen. Und Jungen trugen ebenfalls Uniformen - zunächst die der "Pimpfe", später dann in der "Hitler Jugend".

Nach dem Ende der Nazi-Diktatur wollten die meisten Deutschen nie wieder Teil einer uniformierten Masse sein. Stattdessen wurde die Individualität, also die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen, betont. Jeder sollte das Recht haben, so zu leben und sich so zu kleiden, wie es ihm gefällt. Eine einheitliche Schulkleidung würde diese Freiheit einschränken.

Dieser geschichtliche Hintergrund macht deutlich, weshalb viele Menschen so erhitzt über dieses Thema diskutieren. Es ist wichtig, die Gründe für und gegen eine einheitliche Schulkleidung sorgfältig zu prüfen, ehe man eine Entscheidung trifft. Die Meinung von Brigitte Zypries ist übrigens nicht ausschlaggebend, denn Schul-Angelegenheiten sind Ländersache. Jedes Bundesland kann also selbst entscheiden, ob es Schuluniformen erlauben will oder nicht.

Wie steht es mit dir? Kannst du dir vorstellen, dass an deiner Schule eine einheitliche Kleider-Ordnung eingeführt wird? Würdest du gerne eine Schul-Uniform tragen? Oder hältst du das für keine gute Idee? Im Diskussionsforum, das unten verlinkt ist, kannst du deine Meinung dazu sagen.

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letzte Aktualisierung: 15.08.2009

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