Gewalt an Schule: Lehrer geben auf

von Anna Schäfer - 31.03.2006

Die Schüler der Rütli-Hauptschule im Berliner Stadtteil Neukölln sind sich heute wie im Zoo vorgekommen. Dutzende Journalisten haben vor dem Schultor gestanden, sie beobachtet und Fragen gestellt. Der Grund: Am Donnerstag hat die Schulleiterin in einem Brief an den Berliner Senat gefordert, dass die Hauptschule geschlossen werden soll. Seit Jahren gebe es immer mehr Schlägereien unter den Schülern. Selbst Lehrer würden immer öfter angegriffen. Die Gewalt sei nicht mehr zu stoppen.


Die Lehrer wollen die Rütli-Schule auflösen, weil sie die steigende Gewalt unter Schülern nicht verhindern können. (Quelle: Rütli-Oberschule)

In dem Brief berichtet die Rektorin, dass Prügeleien unter Schülern an der Tagesordnung seien. Möbel und Einrichtungsgegenstände der Schule würden zerstört werden. Lehrer würden mit Gegenständen beworfen und hätten Angst. Unterricht sei unter diesen Bedingungen kaum noch möglich. Einige Lehrer gingen nur noch mit ihrem Handy in bestimmte Klassen, um im Notfall schnell Hilfe holen zu können.

Die Lehrer sehen keinen Ausweg mehr und haben die Behörden in einem gemeinsam formulierten Brief gebeten, die Schule in ihrer jetzigen Form aufzulösen. Dass es so weit kommen konnte, schockiert die Öffentlichkeit. Politiker und Pädagogen diskutieren jetzt, weshalb die Gewalt an der Schule ausgeufert ist und wie man das Problem lösen kann.

Brennpunkt Stadtteil Berlin-Neukölln

Dieses Foto ist gestellt. Dennoch ist Gewalt unter Jugendlichen in Neukölln alltäglich. (Quelle: Sergey Nawalnew (Photocase))

Die Rütli-Schule liegt im Berliner Stadtteil Neukölln. Hier leben besonders viele ausländische Familien arabischer und türkischer Herkunft. Das führte dazu, dass der Anteil deutscher Schüler an der Rütli-Schule inzwischen auf unter 20 Prozent gesunken ist. Das bedeutet, dass von fünf Schülern nur noch einer deutsch ist. Die meisten Schüler stammen aus libanesischen und türkischen Familien.

Zwischen den einzelnen Gruppen sollen sich angeblich dramatische Konflikte abspielen: "Die Araber haben das Sagen und unterdrücken die Türken", sagte eine ehemalige Lehrerin dem Berliner "Tagesspiegel". Sie habe das Gefühl, dass an der Schule "Kriminelle" großgezogen würden. Die wenigen deutschen Schüler würden oft absichtlich gebrochenes Deutsch sprechen, um nicht aufzufallen.

Polizeikontrollen am Schultor

Seit Freitag kontrollieren Polizisten am Schuleingang, ob die Jugendlichen Waffen dabei haben. (Quelle: Rütli-Oberschule)

Die meisten Schüler haben aufgrund ihrer schlechten schulischen Leistungen und ihrer geringen Deutschkenntnisse kaum Chancen, später einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit zu finden. Offenbar sehen viele in Prügeleien, Diebstählen und Erpressungen die einzige Möglichkeit, sich zu behaupten und Anerkennung von ihren Mitschülern zu bekommen.

Der Berliner Bildungssenator Klaus Böger von der Sozialdemokratischen Partei (SPD) hat den Lehrern nun versprochen, schnell zu helfen. Schließen will er die Schule nicht, aber von sofort an sollen zwei arabisch und türkisch sprechende Sozialarbeiter sowie zwei Schulpsychologen den Lehrern zur Seite stehen. Seit heute kontrollieren Polizisten am Schultor außerdem, ob die Schüler Waffen bei sich tragen.

Hauptschulen abschaffen?

Nach Aussage der Lehrer ist Unterricht an der Rütli-Schule nicht mehr möglich. (Quelle: Rütli-Oberschule)

Der Brief der Lehrer, durch den die dramatische Situation an der Rütli-Schule bekannt wurde, hat auch eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die Hauptschule als Schulform nicht grundsätzlich abgeschafft werden sollte. In dem Brief heißt es: "Es gibt in der Schule keine positiven Vorbilder. Die Schüler sind unter sich und lernen Jugendliche, die anders leben, gar nicht kennen. Hauptschule isoliert sie (grenzt sie aus), sie fühlen sich ausgesondert und benehmen sich entsprechend."

Ist die Situation an der Rütli-Schule also kein Einzel-, sondern der Normalfall an Haupschulen? Norbert Gundacker von der Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, dass in Zukunft alle Hauptschulen abgeschafft werden. "Das sind die Schulen der Gescheiterten", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Da hilft es nicht, nur ein bisschen herumzuflicken. Wir kommen um die Abschaffung der Hauptschulen an sich wahrscheinlich nicht herum."

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letzte Aktualisierung: 05.10.2009

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