von Anna Schäfer - 19.04.2006
Am 9. und 10. April haben die Italiener ihren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi abgewählt. Nachdem alle Stimmen ausgezählt waren, lag Herausforderer Romano Prodi hauchdünn vorne. Noch-Regierungschef Berlusconi kann sich aber nicht mit seiner Niederlage abfinden und spricht von "Wahlbetrug". Er hat verlangt, dass über eine Millionen Stimmen erneut ausgezählt werden. Ein Gericht hat dies jedoch abgelehnt und Prodi eine Woche nach der Wahl endgültig zum Sieger erklärt.
Nach einer chaotischen Stimmenauszählung, die mehr als 24 Stunden gedauert hatte, steht die neue Sitzverteilung im Parlament fest. Romano Prodi hat mit seinem Mitte-Links-Bündnis die Wahl zum Abgeordnetenhaus mit einem minimalen Vorsprung für sich entscheiden können. Im Senat, der ebenfalls neu gewählt wurde, ging es ähnlich knapp zu. Dort siegte Prodi mit 158 zu 156 Sitzen.
Doch Silvio Berlusconi kann sich mit der Wahlniederlage nicht abfinden. Er hat verlangt, dass 1,1 Millionen Stimmen, die als ungültig gewertet wurden, noch einmal neu ausgezählt werden. Experten sollten erneut überprüfen, ob die Wahlzettel nicht doch einem der beiden Lager zugerechnet werden können. Doch das Innenministerium hat das abgelehnt. Die Wahl sei ordnungsgemäß verlaufen, es gebe keinen Grund zur Beanstandung. Umstritten seien nicht eine Millionen, sondern lediglich 5.000 Stimmzettel. Deren Überprüfung würde am Wahlausgang nichts ändern. Über eine Woche nach der Wahl musste schließlich ein Gericht entscheiden, dass Prodi gewonnen hat.
Berlusconi wollte das bis zuletzt nicht einsehen. Er träumte lange Zeit davon, mit seinem Mitte-Rechts-Bündnis doch noch die Mehrheit zumindest im Abgeordnetenhaus erringen zu können. Denn dort haben lediglich 25.000 Stimmen den Ausschlag für Prodi gegeben - das ist ein hauchdünner Vorsprung von nicht einmal 0,1 Prozent. Trotz des knappen Ergebnisses verfügt Prodis Bündnis künftig über eine stabile Mehrheit von 340 zu 290 Sitzen im Abgeordnetenhaus. Berlusconi selber hatte das Gesetz so geändert, dass der Wahlsieger immer über einen großen Vorsprung verfügen darf. Damals begünstigte diese Regelung sein Bündnis, doch nun hat sich das Blatt gegen ihn gewendet.
Berlusconi: Milliardär und Medienstar
Der Milliardär Berlusconi hatte auch in diesem Wahlkampf, ähnlich wie bei seinen Kandidaturen 1994 und 2001, kräftig die Werbetrommel gerührt. Ihm gehören zahlreiche private Fernsehsender und Zeitungen, die natürlich nur Gutes über ihren Chef berichten dürfen. Insgesamt kontrolliert Berlusconi heute rund 90 Prozent der italienischen Medien.
Er tritt meist braungebrannt und mit einem strahlenden Lächeln im Fernsehen auf, um seine Botschaften unters Volk zu bringen. Seine politischen Ziele kleidet er gerne in einfache Parolen, mit denen er sich direkt an die italienische Bevölkerung wendet. Bekannt wurde beispielsweise der Slogan "Eine Million Arbeitsplätze", mit dem er für seine Politik warb.
Immer mehr Macht
Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2001 hat Silvio Berlusconi immer mehr Macht angehäuft. Denn als Regierungschef kontrollierte er nicht mehr nur die privaten Medien, sondern auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dadurch wurde es fast unmöglich, seine Politik öffentlich zu kritisieren. Fernseh-Moderatoren, die es dennoch wagten, mussten damit rechnen, entlassen zu werden. Dabei gab es genug Anlass zur Kritik am stets lächelnden Staatsmann.
Zu Berlusconis ersten Amthandlungen gehörte es, die Gesetze so zu verändern, dass die Strafverfahren gegen ihn beendet werden mussten. Zuvor waren ihm die Staatsanwälte dicht auf den Fersen gewesen. Berlusconi soll früher zahlreiche Politiker bestochen haben, damit sie Entscheidungen trafen, mit denen er seine Medienmacht weiter ausbauen konnte. Und er soll die Geschäftsergebnisse seiner Firmen gefälscht haben. Das war natürlich verboten. Aber Berlusconis Regierung änderte das Gesetz so, dass "Bilanzfälschung" plötzlich keine Straftat mehr war. Außerdem setzte der clevere Geschäftsmann es durch, dass gegen hohe Politiker nicht mehr ermittelt werden darf.
Berlusconi und die Mafia
Da Berlusconi die Wahlen verloren hat und er als Regierungschef abgelöst wird, könnten nun neue Probleme auf ihn zukommen. Denn jetzt dürfen die Staatsanwälte ihre Ermittlungen fortsetzen. Neben ungesetzlichen Geschäftspraktiken wird ihm vorgeworfen, dass er mit der Mafia zusammengearbeitet hat. Als Mafia bezeichnet man ein kriminelles Netzwerk, das mit Mord, Drogen- und Waffenhandel und Erpressung viel Geld verdient. Oft versuchen solche verbrecherischen Organisationen, durch Bestechung und Einschüchterung Politiker und Richter in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Schon Ende der 1960er Jahre tauchten Fragen auf, woher das viele Geld stammt, mit dem Berlusconi als damals junger Unternehmer aus einfachen Verhältnissen groß ins Baugewerbe einsteigen konnte. Damals hat er den Grundstock zu seinem Vermögen gelegt, mit dem er später viele Zeitungen und Fernsehsender übernommen hat. Nach Meinung seiner Kritiker soll die Mafia dabei stets die Hand im Spiel gehabt haben.
Erste stabile Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg
1994 wurde Berlusconi zum ersten Mal Ministerpräsident in Italien, allerdings zerbrach die Koalition damals bereits nach wenigen Monaten. Es kam zu Neuwahlen, die Romano Prodi gewann. Nach seinem erneuten Wahlsieg 2001 war Berlusconi mit der Regierungsbildung erfolgreicher. Er schaffte es, ein stabiles Bündnis mit der faschistischen "Alleanza Nazionale" (Nationales Bündnis) und der ausländerfeindlichen "Lega Nord" zu bilden. Die Liga Nord tritt dafür ein, dass sich der reiche Norden Italiens vom ärmeren Süden abspaltet. Innerhalb Berlusconis eigener Partei, der "Forza Italia" (Vorwärts Italien), gab es während seiner Regierungszeit so gut wie keine Konflikte. Seine Autorität blieb unangefochten.
Das Mitte-Rechts-Bündnis konnte sich von allen italienischen Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg am längsten an der Macht halten. Es ist das erste Bündnis, das die von der Verfassung vorgesehene Legislaturperiode (Zeit zwischen zwei Wahlen) von fünf Jahren überstanden hat, ohne dass das Parlament aufgelöst werden musste. Zuvor war es unter den Regierungen über 50 Jahre lang immer zu so starken Streitigkeiten gekommen, dass die Bündnisse vorzeitig zerbrachen. Wenn man etwas Positives über Berlusconi sagen will, dann ist es die Tatsache, dass er für Stabilität gesorgt hat.
Kritik aus dem Ausland
Dennoch hat Berlusconis Politik und Führungsstil im Rest Europas viel Kopfschütteln ausgelöst. Mit Kritik konnte er überhaupt nicht umgehen. Die Staatsanwälte, die gegen ihn ermittelten, beschimpfte er als "Kommunisten". Und am 2. Juli 2003 hat er eine deutsch-italienische Krise ausgelöst, als er den deutschen EU-Abgeordneten Martin Schulz (SPD) im Parlament der Europäischen Union mit einem KZ-Aufseher verglichen hat. Zuvor hatte Schulz kritisiert, dass Berlusconi als Regierungschef einen zu großen Einfluss auf die Medien ausübt.
Auch als Berlusconi im Wahlkampf ein Bündnis mit der "Alleanza Nazionale" einging, hagelte es Kritik aus dem Ausland. Die Vorsitzende dieser rechtsextremen Partei ist die Enkelin des faschistischen italienischen Diktators Benito Mussolini, der im Zweiten Weltkrieg Hitlers Bündnispartner war. Alessandra Mussolini sieht in ihrem verbrecherischen Großvater ein Vorbild und hätte am liebsten, dass Italien wieder so wird wie vor 70 Jahren, als die Faschisten an der Macht waren. So ist es kein Wunder, dass ein Minister aus Berlusconis Regierung im Karikaturenstreit die Muslime zusätzlich provoziert hat, indem der ein Mohammed-T-Shirt anzog und sich damit im Fernsehen präsentierte.
Man muss sich einmal vorstellen, was los wäre, wenn in Deutschland rechtsextremistische Parteien wie die NPD und die DVU an der Regierung beteiligt wären. In Italien sind ähnliche Parteien mit Berlusconis Hilfe an die Macht gekommen.
Neuer alter Ministerpräsident: Romano Prodi
Nachdem die Wahl und die Stimmnachzählungen beendet sind, wird Romano Prodi bald zum zweiten Mal zum italienischen Ministerpräsidenten ernannt. Bereits in den Jahren 1995 bis 1998 war Prodi Regierungschef. Während dieser Zeit machte er Italien mit einem Sparprogramm fit für den Euro. Von 1999 bis 2004 war Prodi Präsident der Europäischen Kommission.
Anders als Berlusconi ist Prodi während des Wahlkampfes in Italien eher zurückhaltend und sachlich aufgetreten. Er legte Wert auf Fakten und Argumente statt auf schauspielerische Leistungen. Prodi hoffte, dass die Italiener ihm vertrauen, zumal er seine Fähigkeiten schon einmal als Ministerpräsident unter Beweis gestellt hat. Als wichtigstes Ziel nennt Romano Prodi die Stabilisierung des Landes.
Er dürfte es allerdings schwer haben, wenn Berlusconi die Oppositionsführung übernimmt. Als Opposition bezeichnet man die Nicht-Regierungsparteien im Parlament. Berlusconi wird vermutlich nicht aufhören zu behaupten, dass Prodi nur durch Betrug an die Macht gekommen ist. Italien ist in zwei verfeindete Lager gespalten. Eine Versöhnung zwischen den beiden Blöcken scheint durch Berlusconis trotzige und völlig haltlosen Anschuldigungen ausgeschlossen zu sein. Er hat angekündigt, dass er Romano Prodi niemals zum Wahlsieg gratulieren wird, wie es in demokratischen Staaten Sitte ist. Aber die Moral war Berlusconi schon immer gleichgültig.
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